Bauwelt

Lehren, Forschen, Ausstellen

Kuratorische Praxis als Lehrprogramm: Studierende am vom Autor geleiteten Lehrstuhl der TUM nutzen das Architekturmuseum als Plattform, um ihre Projekte einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren.

Text: Lepik. Andres, München

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Die Ausstellung ‚Who’s Next?‘ thematisierte die Wohnungskrise in Städten wie Tokio, Mumbai, New York und Los Angeles. Sie basierte auf einem Masterprojekt der TU München aus dem Wintersemester 2020/21.
Foto: Jakob Bahret

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Die Ausstellung ‚Who’s Next?‘ thematisierte die Wohnungskrise in Städten wie Tokio, Mumbai, New York und Los Angeles. Sie basierte auf einem Masterprojekt der TU München aus dem Wintersemester 2020/21.

Foto: Jakob Bahret


Lehren, Forschen, Ausstellen

Kuratorische Praxis als Lehrprogramm: Studierende am vom Autor geleiteten Lehrstuhl der TUM nutzen das Architekturmuseum als Plattform, um ihre Projekte einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren.

Text: Lepik. Andres, München

Ausstellungen sind ein zentrales Medium der Architekturkommunikation, sowohl für den internationalen als auch für den regionalen Architekturdiskurs. Die Präsentation von architektonischen Planungen, Projekten, Wettbewerben, Ideen und Utopien in einer räumlich erfahrbaren Form hat sich zu einem eigenen Format entwickelt, das sowohl den informellen Austausch und kritischen Diskurs innerhalb der professionellen Besucherschaft ermöglicht, aber auch eine breitere Öffentlichkeit ansprechen kann. Das Spek­trum der Architekturausstellung reicht heute von globalen Plattformen wie Architekturbiennalen bis zu den Jahresausstellungen von Architekturfakultäten, den Präsentationen in Architekturgalerien und Ausstellungsräumen der Fachverbände. Obwohl digitale Informationen über Architektur zunehmend verfügbar sind, bleibt die reale Ausstellung von Zeichnungen, Fotografien, Modellen, Videos weiterhin beliebt: Allein die Biennale in Venedig hatte 2023 über 200.000 Be­sucher:innen und das Architekturmuseum der TUM in der Pinakothek der Moderne erreicht pro Jahr über 100.000.
Wer organisiert diese unzähligen Ausstellungen, wo werden all die Kurator:innen ausgebildet, die es dafür braucht? Welchen Einfluss haben die vielen Ausstellungen wirklich darauf, wie Architektur in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird? Professionelle Berufsbezeichnungen wie Architektin oder Arzt sind geschützte Begriffe, der Begriff „Kurator:in“ dagegen nicht und kann von jedem benutzt werden. Was einerseits zu einer großen Vielfalt von Ausstellungsaktivitäten führt, andererseits aber auch zu einiger Beliebigkeit, um nicht zu sagen: Belanglosigkeit, wenn etwa Architekt:innen das Format der Ausstellung nur als Instrument der Eigenwerbung verstehen und sich selbst dafür zu „Kuratorinnen“ ihrer eigenen Projekte machen. Im Unterschied zur Kunst begann die Auseinandersetzung mit der kuratorischen Praxis von Architekturausstellungen erst spät – und bis heute ist sie institutionell kaum verankert. Während es im Kunstbereich eigene akademische Studiengänge, meist Masterprogramme, zu kuratorischer Praxis gibt, fehlt dies in der Architektur fast vollständig.
Lücke füllen
Auch der seit 2012 am Department Architecture der TUM bestehende Lehrstuhl „Architekturgeschichte und kuratorische Praxis“ füllt diese Lücke nicht. Denn eine einzelne Professur kann keinen Studiengang leiten, sondern nur fakul­tativ wählbare Kurse als Zusatz zu den Kernfächern des Architekturstudiums anbieten. Eine qualifizierte Ausbildung als Kurator:in ist damit nicht möglich. In der Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen wurde in den letzten dreizehn Jahren aus dieser Position heraus versucht, die Aufgabenbereiche Lehre, Forschung und das Ausstellen von Architektur in einen methodisch strukturierten Prozess zu überführen. Ein wichtiges Ziel ist auch immer die inhaltliche Zusammenarbeit mit anderen Kolleg:innen der Universität, die ihre besondere fachliche Expertise einbringen können. So entstand die Ausstellung „Das Kranke(n)Haus. Wie Architektur heilen hilft“ 2023 unter Leitung der Professur für Architekturpsychologie von Tanja Vollmer, und die aktuelle Ausstellung „Trees, Time, Architecture“ ist in Kooperation mit der Professur „Green Technologies in Landscape Architecture“ von Ferdinand Ludwig ausgearbeitet worden. Bei der Umsetzung von Ausstellungen gibt es oft weitere Kooperationsprojekte mit anderen Lehrstühlen, zum Beispiel für zusätzliche Installationen im Außenraum oder die Gestaltung von Ausstellungselementen.
Wer ist dran?
Studierende der Architektur sind bei den Ausstellungsprojekten des Architekturmuseums der TUM in verschiedenen Phasen der Recherche, der Entwicklung kuratorischer Konzepte, aber auch der konkreten Entwicklung von Ausstellungsobjekten – Grafiken, Modelle, Diagramme – einbezogen. Ziel ist es, das Architekturmuseum als eine Plattform zu nutzen, um die gemeinsam entwickelten Ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Ein Beispiel ist die Ausstellung „Who’s Next? Obdachlosigkeit, Architektur und die Stadt“: In einem Masterprojekt im Wintersemester 2020/21, geleitet von Daniel Talesnik, recherchierten Studierende die räumliche und rechtliche Situation obdachloser Menschen im deutschsprachigen Raum. Expert:innen und Architekt:innen wurden ins Seminar eingeladen, von ihren Erfahrungen mit kurz- bis langfristigen Wohnungsprojekten für Wohnungslose zu berichten. In einem weiteren Seminar wurden Gestaltungsansätze recherchiert und kritisch verglichen. Ein Workshop produzierte die Modelle der Ausstellung.
Ein Ziel im Unterricht zur „kuratorischen Praxis“ ist es, den Studierenden verständlich zu machen, welche Schritte zur Entwicklung eines kuratorischen Konzepts notwendig sind. Dazu gehört neben gründlicher Recherche zu einem Thema auch die eigene Methodik für die inhaltliche und räumliche Umsetzung. Und es bedeutet auch, klare Kriterien zu entwickeln, nach denen Projekte ausgewählt werden. Neben der Teamarbeit besteht auch die Möglichkeit, individuelle Erfahrungen im Ausstellungsbereich zu sammeln. So werden seit kurzem herausragende Masterthesen am Lehrstuhl mit der Entwicklung von eigenen Ausstellungen gefördert. Die aktive Ausbildung und Förderung der kuratorischen Praxis mit Studierenden und in der Kooperation mit Lehrenden anderer Fachbereiche und Diszi­plinen hat sich als wirkungsvolles Instrument erwiesen, um akademische Fragestellungen an die nicht-fachliche Öffentlichkeit zu präsentieren und damit auch die breitere Relevanz von Architektur sichtbar zu machen. Ausstellungen werden damit zu einer Plattform des Lernens, Forschens und der Vermittlung.

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