Bauwelt

Wie komprimiert man Raum?

Einem fast vergessenen Kapitel ostdeutscher Ingenieurskunst widmet das Plantechnikum Wismar eine Ausstellung: den transportablen Raumerweiterungshallen der DDR

Text: Scheffler,Tanja, Dresden

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    Taktstraßen-Fließfertigung der REH in der Produktionshalle in Boizenburg/Elbe
    Foto: Müther-Archiv Wismar

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    Taktstraßen-Fließfertigung der REH in der Produktionshalle in Boizenburg/Elbe

    Foto: Müther-Archiv Wismar

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    Transport einer kompletten REH Halle. Der Bodenrahmen der zusammengeschobenen REH Halle wird durch eine zweiteilige, in den Rahmen hineingeschobene Lafette zu einem Anhänger-Fahrgestell.
    Foto: Müther-Archiv Wismar

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    Transport einer kompletten REH Halle. Der Bodenrahmen der zusammengeschobenen REH Halle wird durch eine zweiteilige, in den Rahmen hineingeschobene Lafette zu einem Anhänger-Fahrgestell.

    Foto: Müther-Archiv Wismar

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    DDR-Innenausstattung einer REH als Clubraum
    Foto: Müther-Archiv Wismar

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    DDR-Innenausstattung einer REH als Clubraum

    Foto: Müther-Archiv Wismar

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    Die REH wurde vor allem als schnell aufstellbare Gaststätte ...
    Foto: Müther-Archiv Wismar

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    Die REH wurde vor allem als schnell aufstellbare Gaststätte ...

    Foto: Müther-Archiv Wismar

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    ... oder aber Kaufhalle für den täglichen Bedarf eingesetzt.
    Foto: Müther-Archiv Wismar

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    ... oder aber Kaufhalle für den täglichen Bedarf eingesetzt.

    Foto: Müther-Archiv Wismar

Wie komprimiert man Raum?

Einem fast vergessenen Kapitel ostdeutscher Ingenieurskunst widmet das Plantechnikum Wismar eine Ausstellung: den transportablen Raumerweiterungshallen der DDR

Text: Scheffler,Tanja, Dresden

In Kooperation mit dem Müther-Archiv der Hochschule Wismar zeigt das Plantechnikum, das Technische Landesmuseum Mecklenburg-Vorpommerns, derzeit eine kleine Sonderschau, die das Prinzip der auf dem Teleskopmechanismus basierenden Raumerweiterungshallen (REH) der DDR-Zeit näher vorstellt. Hauptattraktion ist dabei ein historisches, vermutlich für die Präsentation auf der Leipziger Messe angefertigtes 1:5 Modell, das Kubatur, Materialität und Funktionsweise anschaulich macht.
Grundidee war dabei, eine transportable, möglichst leichte Raumzelle zu schaffen, die an wechselnden Orten in unterschiedlichen Grö-ßen genutzt werden konnte. Dafür konzipierte der Boizenburger Ingenieur Helmut Both mehrere Typenmodelle, die an nur einem Tag per Hand und Drehkurbel auf- oder abgebaut und im zusammengeschobenen Zustand auf einer Lafette von LKW-Zugmaschinen transportiert werden konnten.
Davon wurden bis zur Wende insgesamt etwa 3400 Exemplare in Boths Betrieb für Maschinen- und Apparatebau (nach der Verstaatlichung 1972 umbenannt in VEB Metallbau Boitzenburg) hergestellt, anfangs in handwerklicher und teilindustrieller Fertigung, später in Taktstraßenproduktion. Diese Hallen wurden größtenteils in der DDR aufgestellt, einige auch in die Sowjetunion, die Niederlande, den Irak, den Jemen, nach Guinea sowie nach West-Berlin (und damit in die Bundesrepublik) exportiert.
Both stellte 1959 auf der Leipziger Messe eine an Nissenhütten erinnernde Stahlblech-Lagerhalle vor. Daraus entwickelte er in den frühen 1960er Jahren eine mit Fensteröffnungen versehene Rundbogenhalle mit Teleskopauszug, die vor allem für eine Nutzung als Büro oder Verkaufseinrichtung gedacht war, sowie eine relativ kleine, lediglich aus zwei Tunnelelementen bestehende Ferienbungalow-Variante mit Vorzelt und Veranda.
Deutlich bekanntere Bestseller (mit flach geneigtem Satteldach) waren das im Volksmund „Ziehharmonika“ genannte 1966–1978 hergestell-te Aluminiumblech-Modell „Variant“ mit zwei bis acht ausziehbaren Segmenten und elegant geschwungenen Übergängen zwischen Dach und Wand, sowie – nach dem Verbot der Aluminiumverwendung – das 1979–1989 produzierte Nachfolgermodell, die deutlich kantigere „Teleskop-halle“ aus gewelltem Stahlblech mit acht Tunnelelementen.
Die Leichtmetall-Außenhaut wurde auf verschweißte Rahmenprofile aufgenietet; die Elemente rollten auf Laufschienen, die auf höhenverstellbaren Stempeln saßen. Innenliegende Trennwände und auch das Aneinanderkoppeln von zwei Hallen waren dabei möglich. Zudem gab es weitere Experimentalbauten und Sondermodelle. Nach der Wende wurde die Produktion jedoch eingestellt, weil fortan normierte Baustellen- und Bürocontainer zur Verfügung standen.
Diese Hallen wurden aufgrund ihrer flexiblen Größe unterschiedlich genutzt: als Gaststätte und Eisdiele, als HO- und Konsum-Kaufhalle, Intershop an den Transitautobahnen, Werkstatt, Baustellenbüro und -unterkunft, als Kino auf Zeltplätzen, mobile Kultur- und Versammlungsstätte sowie allererste Versorgungseinrichtung in den neu entstehenden Wohngebieten. Sie prägten mit ihrem markanten Erscheinungsbild lange Zeit das Bild vieler ostdeutscher Ortschaften, lassen sich aber auch heute noch vereinzelt finden: als gut gepflegtes Liebhaberstück mit Kultcharakter, als Angebot auf eBay oder auch als „Lost Place“.
Das in einer umgebauten Flak-Kaserne untergebrachte Landesmuseum beleuchtet auf 3500 Quadratmetern Ausstellungsfläche ein sehr breites Spektrum der regionalen Technikgeschichte, mit einem Schwerpunkt auf der Luftfahrt und dem Flugzeugbau, inklusive Albert Speers Aktivitäten in Peenemünde (Bauwelt 15.2020). Eine besondere Attraktion ist dabei ein von den (nicht nur jungen) Besuchern und Besucherinnen per Pedalkraft in Gang setzbares Propellerkarussell, das die Funktionsweise eines Flugzeugmotors verdeutlicht.
Das Museum präsentiert auch viele Erfindungen. Da reihen sich die Raumerweiterungshallen als mobile und gleichzeitig flexible Raumlösung nahtlos ein. Ein in der Ausstellung vorgestellter, mit eindrucksvollen historischen Aufnahmen unterlegter Dokumentarfilm preist die Hallen zudem als mögliche Lösungen für die wachsende Wohnungsnot an: eine aufgrund des hohen Flächenverbrauchs der nur eingeschossigen Bauten für die großen Metropolen wenig überzeugende Option. Als transportable Notbehausung oder aber Versorgungsstation in durch Kriege oder Erdbeben zerstörten Gebieten kann man sich zeitgemäße neue, auf diesem Prinzip aufbauende Konstruktionen aber durchaus vorstellen.

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