Bauwelt

Klaus-Jürgen Sembach

1933–2020

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

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    Foto: Privat

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Klaus-Jürgen Sembach

1933–2020

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

Gar nicht klein ist die Zahl diplomierter Architekten, die weder entworfen noch geplant, sondern in anderen Berufen erfolgreich gearbeitet haben – etwa Julius Posener und Friedrich Achleitner als Hochschullehrer oder mehrere Chefredakteure von Fachzeitschriften. Zu ihnen gehört auch Klaus-Jürgen Sembach, der 1933 in Magdeburg geboren wurde und in Stuttgart seine Ausbildung erhielt, wo er – darin zeigte sich schon früh seine Unkonventionalität – „statt des verordneten Ludwig Mies van der Rohe den Finnen Alvar Aalto als Vorbild“ entdeckte. Sembach konnte man nicht nur einen Beruf zuordnen, war er doch auf mehreren Gebieten tätig: als Kurator und Museumsleiter, als Autor mehrerer Standardwerke zum Jugendstil, zur Industriekultur und zur Filmkunst, nicht zuletzt als Gestalter von über einhundert Ausstellungen in bedeutenden Museen zwischen München und Berlin, Weimar und Münster.
Begonnen hatte seine Karriere 1961 in der Münchner „Neuen Sammlung“, die 1925 im Geist des Werkbundes als moderne Abteilung des Bayerischen Nationalmuseums gegründet worden war. An sie wurde er bewusst als Architekt berufen, so der damalige Leiter Hans Eckstein: „Kunsthistoriker wissen viel, aber ihnen fällt nichts ein.“ Und Sembach ist von Anfang an viel eingefallen. Für die kleinen Räume an der Prinz­regentenstraße entwickelte er neue Präsenta­tionsformen. Neben Bauten und Gerät, Möbeln und Plakatkunst widmete er sich besonders der Fotografie, deren kulturelle Bedeutung er beim Besuch amerikanischer Museen erkannt hatte. Die enge Zusammenarbeit mit Wend Fischer schärfte sein politisches Verständnis. Im Katalog der Ausstellung „1950 – Orientierung nach dem Kriege“ schrieb er: „Jede unserer Handlungen hat – neben anderen – auch eine politische Dimension, und politische Eingriffe sind spürbar bis hinein in den gewöhnlichsten Alltag.“
Nachdem Sembach 1980 durch eine politische Intrige als neuer Leiter der Münchner Sammlung verhindert worden war, holte ihn Kulturreferent Hermann Glaser als Gründungsdirektor des „Centrums Industriekultur“ nach Nürnberg. Dort konnten seine Ideen erst recht blühen – Sembach gelang es, auf intensive und zugleich schöpfe­rische Weise die NS-Vergangenheit der Stadt zu behandeln. Auf der anderen Seite brachte er das „andere“ Nürnberg mit seiner innovativen Industrie und seiner eigenen Tradition moderner Architektur in Erinnerung. So wurde denn auch 1985 die große Ausstellung zur 150-Jahr-Feier der deutschen Eisenbahn keine reine Jubelschau: Zwischen den historisch gereihten D-Zug-Wagen befand sich ein Güterwaggon als Zeugnis für die Bahntransporte in die Vernichtungslager.
Von Nürnberg aus gelang ihm Mitte der 1990er der Sprung in seine dritte Schaffensphase als freier Ausstellungsgestalter. Dass er mehr als ein bloßer Gestalter war, sondern die Konzeptionen mit eigenen Ideen bereicherte, vermittelt das zu seinem 80. Geburtstag im Deutschen Kunstverlag erschienene Buch „Formen des Zeigens“. Die vom Architekturhistoriker Christoph Hölz herausgegebene Dokumentation zu Sembachs fünfzigjähriger Arbeit in und für Museen ist eine bleibende Würdigung dieses „Allround-Künstlers“, der nach schwerer Krankheit am 29. März in Berlin gestorben ist. Wegbegleiter wie Georg Himmelheber und Auftraggeber wie Christoph Stölzl rühmen im Buch seine Bildung, seine Neugier und seine produktive Fantasie. Weil er stets die Einheit von Thema und Präsentation erreicht habe, spricht Winfried Nerdinger sogar von seiner „Intelligenz der Gestaltung“. Klaus-Jürgen Sembach wird allen, die ihn gekannt haben, als ein Mann europäischen Geistes und lässiger Eleganz im Gedächtnis bleiben.

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