Bauwelt

Inspirationen aus dem Osten

Das Museum Het Schip in Amsterdam wirft einen nuancierten Blick auf den kolonial bedingten architektonischen Kulturtransfer von Indonesien in die Niederlande.

Text: Adam, Hubertus, Zürich

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    Einen indonesischen Dachtyp in westliche Wohnungsarchitektur übersetzt: Der Wohnkomplex „De Dageraard“
    Foto: Marcel Westhoff

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    Einen indonesischen Dachtyp in westliche Wohnungsarchitektur übersetzt: Der Wohnkomplex „De Dageraard“

    Foto: Marcel Westhoff

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    Foto: Universitätsbibliothek Leiden

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    Foto: Universitätsbibliothek Leiden

Inspirationen aus dem Osten

Das Museum Het Schip in Amsterdam wirft einen nuancierten Blick auf den kolonial bedingten architektonischen Kulturtransfer von Indonesien in die Niederlande.

Text: Adam, Hubertus, Zürich

Zwischen 1913 und 1923 errichtete Michel de Klerk in der Spaarndammerbuurt nordwest­lich des Zentrums von Amsterdam drei Wohnblö­cke für die Wohnungsbaugenossenschaft „Ei­gen Haard“. Mit ihren pittoresken Ziegelfassaden, den plastisch geformten Volumina und dem aufwendigen Baudekor gelten die Gebäude als Meisterleistungen der Amsterdamer Schule, die in der jüngeren Vergangenheit als kulturelles Kapital der Metropole verstärkt Aufmerksamkeit gewonnen hat. Im früheren Postamt des drit­-ten Bauabschnitts von Eigen Haard eröffnete 2001 das Museum Het Schip, das sich der Ams­terdamer Schule widmet. 15 Jahre später konnte die Institution neue Räume in der ehemaligen Grundschule beziehen, die in den gleichen Block von de Klerk integriert war. Neben einer Dauerpräsentation besitzt das Museum auch großzügige Flächen für Sonderausstellungen. Mit „In­donesië en de Amsterdamse School“ werden in diesem Jahr die vielfältigen Inspirationen aus dem kolonialen indonesischen Archipel thematisiert, welche die Künstler, Kunsthandwerker und Architekten der Amsterdamer Schule prägten.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war es der Niederländischen Ostindien-Kompanie gelungen, sich in der Region des heutigen Indonesien zu etablieren und eine Kolonie aufzubauen, die nach der Auflösung der Handelskompanie 1799 an den niederländischen Staat fiel und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre größte Ausdehnung erreichte. Durch die engen Beziehungen zwischen Mutterland und Kolonie gerieten auch kulturelle Erzeugnisse in den Fokus – Tempel sowie vernakuläre Architektur und kunsthandwerk­liche Erzeugnisse. Wesentlich zur Popularisierung trugen illustrierte Bücher, aber auch Ausstellungen bei, so die Kolonialausstellung 1883 in Amsterdam, auf der zeittypisch nachgebaute Dorfhäuser aus Java und Sumatra zu sehen waren.
Wichtiges Bindeglied war der Architekt Eduard Cuypers, der nicht nur in Niederländisch-Ostindien baute, sondern auch den Niederländischen Kolonial-Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel 1910 errichtete, der einem traditionellen javanischen Pendopo nachempfunden war. In Cuypers’ Büro arbeiteten mit Michel de Klerk, Piet Kramer und Johan van der Meij junge Architekten, die zu den wichtigsten Protagonisten der Amsterdamer Schule avancieren sollten.
Die Faszination für eine exotische Ästhetik verband sich mit einem allgemeinen Interesse an fernöstlicher Spiritualität. Die Architekten Karel de Bazel und Matthieu Lauweriks waren Anhänger der theosophischen Bewegung, was sich nicht zuletzt auch in der für die Amsterdamer Schule zentralen Zeitschrift „Wendingen“ niederschlug. Überhaupt thematisieren die Hefte verschiedentlich die Beziehungen zum fernöstlichen Kulturschaffen – seien es „hindujavanische Baukunst“, Tänze oder das javanische Schattenspiel.
Im Zuge des postkolonialen Diskurses wird gerade Künstlern des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts vorgeworfen, Gegenstände anderer Kulturen ohne Interesse an ihrem ursprünglichen Kontext als rein ästhetische Gegenstände appropriiert zu haben. Das Ausstellungsteam von Het Schip ist klug genug, diese These nicht allzu stark in den Vordergrund zu rücken, sondern ein breites Spektrum des kulturellen Transfers in den unterschiedlichen künstlerischen und architektonischen Disziplinen aufzuzeigen. An die Besichtigung der Ausstellung anschließend bietet sich ein Besuch von den Siedlungen der Amsterdamer Schule an: Der bizarre Turmaufsatz nahe dem Museum Het Schip erinnert an eine Lotosblüte, im benachbarten Block zitiert Michel de Klerk einen Gunungan, das Symbol des Weltenbaums im javanisch-balinesischen Schattenspiel – und die Dachformen der Siedlung De Dageraad (Piet Kramer und Michel de Klerk) sind beeinflusst von den Häusern der Minangkabau auf Sumatra. In Indonesien selbst war es unter anderem der niederländische Architekt Henri Maclaine Pont, der die indonesische Bauweise mit westlicher Formensprache verband. Als sein Hauptwerk gilt die Technische Universität Bandung, die hinsichtlich ihrer Grundrisskons­tellation und mit der gestaffelten Dachlandschaft an vernakuläre javanische Architektur anknüpft.

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