Bauwelt

Il Salone è vivo – due

Nach der Zwangspause gab sich das Design in Mailand rundherum redlich. Während der Nachwuchs nach Verbesserung strebte, blieben die Etablierten beim Bewährten.

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Bild 1 von 6
  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Eine Welt ohne Beton steht noch aus. Die Leuch­ten­serie „Nui“ setzt ihn un­gewohnt poliert und mit überraschend warmem Licht in Szene.
    www.luceplan.com

    • Social Media Items Social Media Items
    Eine Welt ohne Beton steht noch aus. Die Leuch­ten­serie „Nui“ setzt ihn un­gewohnt poliert und mit überraschend warmem Licht in Szene.

    www.luceplan.com

Il Salone è vivo – due

Nach der Zwangspause gab sich das Design in Mailand rundherum redlich. Während der Nachwuchs nach Verbesserung strebte, blieben die Etablierten beim Bewährten.

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Ob es eine Folge der zeitweise unübersichtlichen pandemischen Lage war? Die während des „Supersalone“ präsentierten Produkte lösten oft den vielerorts vorhandenen Wunsch ein, etwas eindeutig und ohne lange Einlassungen erfassen zu können. Das betraf Funktion, Konstruktion oder auch Material.
Beton wird aufgrund der klimaschädlichen Ze­mentgewinnung freilich infrage gestellt. Ein Ersatz steht bislang aus, auch für seine ästhetische Wirkung. Die Stand- und Wandleuchtenserie Nui von Luceplan nutzt den unmittelbaren und puristischen Charakter des Sichtbetons. Das Mailänder Designbüro Meneghello Paolelli hat klare Formen gewählt. Die beiden Ausführungen der für den Außenraum bestimmten Leuchten bestehen aus zwei zylindrischen Volumina, zwischen denen sich die Lichtquelle befindet. Der erste stehende bzw. an der Wand befindliche Teil ist oben zu einer Halbkugel geformt, die sich in den zweiten hineinschiebt, wodurch der LED-Leuchtkörper geschützt und zugleich reflektiert wird. Die ausgefeilte Detaillierung führt trotz der Betonoberflächen zu einem indirekten warmen Lichtschein.
Über den Anmut eines bewährten Materials hinaus geht der Nachwuchs, indem er klug aus der Anschauung einst nützlicher Geräte schlussfolgert. Der Trolley Bruno etwa ist das Ergebnis der Bachelorarbeit von Florian Brunner. Nach der Recherche über historische Tragsysteme kam er über die Frage „Wie tragen wir heute?“ auf den Einkaufswagen. Vom Assoziieren des auch abschätzig „Hackenporsche“ bezeichneten Hilfsmittel mit schwächeren oder älteren Menschen befremdet, entwickelte der angehende Bozener Designer ein Gefährt, das auch bequem getragen werden kann.
Wie Brunner beobachtete, hilft der Trolley im beladenen Zustand, leer hingegen neigt das Gefährt zum Schlingern. Als Rückentrage, ein Gestell, mit dem Hausierer früher Waren transportierten, können auch unebene Strecken überwunden werden und lassen die tragenden Personen nolens volens vitaler wirken. Des Weiteren war Brunner im Sinne der Nachhaltigkeit, Stabilität und leichte Reparierbarkeit ein Anliegen. Ein gelungener Trolley, der in den Städten mit dem Wechsel von individuellen zu öffentlichen Verkehrsmitteln noch bedeutsam werden wird.
Nicht den Einzelnen, sondern Gemeinschaften hatte Sara Milozza im Auge, als sie den Handkarren Parole a Zonzo konzipierte. Mit ihrer Abschlussarbeit will sie einen beweglichen Ort der Kommunikation bieten, der zu den Menschen kommt. Frei übersetzt mit „Streunende Nachrichten“ sind an Rundstäben Container für Arbeitsmaterialien befestigt; das Vorbild der Mailänder Studentin war ein zweirädriger Marktkarren, wie er nur noch selten zu sehen ist. Die unbehandelten Holzplatten und –rundstäbe sind durch gelbe Kunststoffriemen miteinander verzurrt oder verzapft. So bleiben die Materialien sortenrein und können ohne größeren Aufwand weiterverwendet werden. Das unterstreicht den ephemeren Charakter sozialer Aktionen, die vielleicht in gemeinschaftliche künstlerische Initiativen münden oder einen schönen Nachmittag mit den Nachbarn bescheren.
„Ich will sehen, wie es funktioniert,“ soll Bertolt Brecht einst den Handwerker angewiesen haben, die Vorhangschiene in seiner Wohnung sichtbar zu montieren. Ob der italienische Designer Achille Castiglioni (1918–2002) diese Anekdote kannte, sei dahingestellt. Sein Entwurf Parentesi von 1971 ist jedenfalls selbsterklärend. Auf einem zwischen Decke und – durch ein Gewicht – Fußboden gespanntem Drahtseil läuft ein verschiebbares, griffig geformtes Metallröhrchen, an dem sich der Leuchtkörper befindet.
Castiglioni entwickelte das faszinierend klare Produkt nach einer Idee des an der Hochschule für Gestaltung Ulm ausgebildeten Autodesigners Pio Manzù bis hin zur äußerst formschönen, gleichwohl effizienten Verpackung. Zum 50. Jubiläum feierte Flos den Evergreen in einer additiven Formation, mehr Prunk verbietet „Parentesi“ von selbst. Solche leicht aufzulösende Fülle fügte sich gut in das Bild der diesjährigen Möbelmesse.

0 Kommentare


x

Eine Galerie hielt das Por­tal der Kathedrale in Angers lange Zeit intakt. Seit deren Zerstörung bröckelt die Fassade – eine moderne Konstruktion muss her. Der Gewinnerentwurf eines geladenen ...

Heftarchiv 23.11.2021

Portal sucht Portal

Eine Galerie hielt das Por­tal der Kathedrale in Angers lange Zeit intakt. Seit deren Zerstörung bröckelt die Fassade – eine moderne Konstruktion muss her. Der Gewinnerentwurf eines geladenen ... mehr

Das Thema Krankenhaus ist seit der Pandemie stark in den Fokus gerückt. Eine mögliche Überlastung der Intensivstationen und das fehlende Pflegepersonal werden immer wieder heftig diskutiert. Im

Heftarchiv 23.11.2021

Gesundheit mit Büchern

Das Thema Krankenhaus ist seit der Pandemie stark in den Fokus gerückt. Eine mögliche Überlastung der Intensivstationen und das fehlende Pflegepersonal werden immer wieder heftig diskutiert. Im mehr

11.2025

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.