Bauwelt

Gast auf Helsinkis Inselarchipel

Mehr als 700 Inseln umgeben die finnische Hauptstadt und prägen sie durch ihre einzigartigen Landschaf- ten. Der Wettbewerb fragt, wie in solch einem sensiblen Ökosystem gebaut werden kann – Opposite Office antwortet mit einem ephemeren und programmatischen Entwurf, der die Natur respektiert.

Text: Kraft, Caroline, Berlin; Minet, Paulina, Berlin

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    Benedikt Hartl studierte an der TU München, AHO in Oslo und Ardhi University in Dar Es Salaam Architektur. Nach fünfjähriger Berufserfahrung gründete er 2017 das Architekturbüro Opposite Office, das sich mit architektonischen Fragestellungen zwischen Gesellschaft und Politik beschäftigt. Seit 2014 lehrt er im In- und Ausland
    Foto: Johanna Heim

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    Benedikt Hartl studierte an der TU München, AHO in Oslo und Ardhi University in Dar Es Salaam Architektur. Nach fünfjähriger Berufserfahrung gründete er 2017 das Architekturbüro Opposite Office, das sich mit architektonischen Fragestellungen zwischen Gesellschaft und Politik beschäftigt. Seit 2014 lehrt er im In- und Ausland

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    Opposite Office schlug eine Vielzahl programmatischer Entwürfe vor, die verschiedene Ausprägungen des baulichen Eingriffs vorsehen und an diversen Orten des Archipels realisiert werden könnten. Der untere Plan zeigt einzelne Standorte, an denen die Entwürfe umgesetzt würden.
    Luftbild: Europan Europe

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    Opposite Office schlug eine Vielzahl programmatischer Entwürfe vor, die verschiedene Ausprägungen des baulichen Eingriffs vorsehen und an diversen Orten des Archipels realisiert werden könnten. Der untere Plan zeigt einzelne Standorte, an denen die Entwürfe umgesetzt würden.

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Gast auf Helsinkis Inselarchipel

Mehr als 700 Inseln umgeben die finnische Hauptstadt und prägen sie durch ihre einzigartigen Landschaf- ten. Der Wettbewerb fragt, wie in solch einem sensiblen Ökosystem gebaut werden kann – Opposite Office antwortet mit einem ephemeren und programmatischen Entwurf, der die Natur respektiert.

Text: Kraft, Caroline, Berlin; Minet, Paulina, Berlin

In welcher beruflichen Situation haben Sie sich zum Bewerbungszeitpunkt für den Europan 17 befunden?
Meine berufliche Situation heißt Opposite Office. Ein erfolgreiches, internationales Architekturimperium.
Warum haben Sie sich dazu entschieden an einem ausländischen Standort teilzunehmen?
Wir versuchen, uns bei jeder Gelegenheit an internationalen Projekten zu beteiligen. Denn ich habe das Gefühl, dass die strukturellen Bedingungen, unter denen wir in Deutschland Architektur praktizieren, sehr starr und bürokratisch sind. Das lässt wenig Spielraum für Experimente oder unkonventionelle Lösungen. Neben zahlreicher Vorschriften ist es auch die Denkweise, die bremst. Wir nehmen die Autoritäten eher als destruktiv wahr. Jede Behörde kümmert sich nur um „ihr eigenes“ Thema. Da ist die Angst vor Fehlern und rechtlichen Konsequenzen. Die Menschen gehen auf Nummer sicher und genehmigen nur, was genau den Normen entspricht. Wir müssen unsere Art zu bauen, radikal ändern, wenn wir ökologische Herausforderungen ernst nehmen wollen.
Wieso gerade der Standort Helsinki?
In Helsinki habe ich den Eindruck, dass alle Beteiligten und Behörden ein gutes Gesamtergeb-nis erreichen wollen und für konstruktiven Austausch bereit sind. So hatten wir einen Workshop mit Vertreter*innen der Stadt und waren von der Atmosphäre positiv überrascht. Auch war die Wettbewerbsaufgabe mit der Fragestellung nach einer non-invasiven touristischen Nutzung der Archipelagos vor Helsinki sehr attraktiv. Nicht zu vergessen: Helsinki ist eine schöne Stadt, in der Finninen und Finnen wohnen.
Die Archipele um die finnische Hauptstadt sind ein einzigartiges und sensibles Ökosystem. Welche Strategie nutzen Sie, um sich den Ort anzueignen, ohne ihn zu enteignen?
Wir respektieren die Natur. Wir arbeiten mit ihr statt gegen sie und nutzen sie teilweise als Tragwerk. Felsen und Steine dienen als Fundament, Bäume als konstruktives Element.
Wie gelingt es Ihrem Entwurf, bei den Besuchenden das geforderte Verantwortungsbewusstsein für die Natur zu stärken?
Mit dem ephemeren, fragilen Charakter unserer Bauten versuchen wir den Besucher*innen zu vermitteln, dass sie nur Gast auf den Inseln sind. Unsere architektonischen Interventionen sind nicht invasiv. Weder beschädigen sie die Natur noch versiegeln sie Flächen. Entgegen der Vorschläge anderer Teilnehmer*innen sind unsere Gebäude klar als Fremdkörper wahrnehmbar, sie setzen optisch einen Kontrast zur Natur und versuchen nicht, sie zu imitieren. Es ist klar: Wir sind Gast auf der Insel, wie der Mensch Gast auf unserem Planeten ist.

Sie haben Ihren Entwurf mit einem Gedicht erklärt – auf die gewohnte, schlagwortlastige Vertextung haben Sie verzichtet. Warum?
Schlagworte sind wie Holzhammer auf zarten Blüten, doch Gedichte, ah, sie lassen die Her-zen glühen. Architekt*innen sind die Poet*innen des Raums. Die Jury hat es richtig erkannt und schreibt in ihrem Bericht: „The poetic approach is part of the proposal‘s very appealing quality.“ Genau diese „poetische Annäherung“ wollten wir stärken. Außerdem ist unser Entwurf so einfach und unterkomplex, dass uns keine „schlagwortlastige Vertextung“ eingefallen ist.
Rechnen Sie mit einer Umsetzung Ihres Projekts? Wie würden Sie diese aus München bewerkstelligen?
Ich habe mir angewöhnt, in der Architektur mit nichts zu „rechnen“, bevor das Gebäude nicht gebaut ist. Aber klar, warum sollten wir das nicht aus München bewältigen? Herzog de Meuron baut ja auch in China.
Ihre Entwürfe sind oft provokant oder politisch-aktivistisch motiviert. Auf welchem Spektrum ordnen Sie diesen Entwurf ein?
Nicht all unsere Entwürfe sind provokant und aktivistisch. Das sind wir nur, wenn wir glauben, dass die Aufgabenstellung die falschen Fragen stellt und grundlegende Annahmen der Ausschreibung in die falsche Richtung gehen, wie beispielsweise bei einem Wettbewerb für bezahlbaren Wohnraum in England. Wir empfanden den Bauplatz als nicht sinnvoll und schlugen stattdessen vor, den Buckingham Palace umzubauen. Mit diesen Projekten gewinnt man sel-ten erste Preise. Die meisten Bauherr*innen mögen es nicht, wenn sie kritisch hinterfragt werden, man das Raumprogramm ändert oder sonstige Vorgaben missachtet. So schade das sein mag, wir müssen auch ökonomisch arbeiten. In Helsinki waren wir also ganz brav. Außerdem hat das Projekt die richtigen Fragen gestellt. Wie können wir in einem sensiblen Ökosystem bauen? Wie kann das Zusammenspiel zwischen Mensch, Tier und Umwelt aussehen?

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