Bauwelt

Es bleibt heiß

Fließen Forderungen der jungen Generation in die Branche ein, er­reichen sie die führenden Ebenen? Unsere Autorin erforscht, was junge Architektinnen sich bei der Arbeitskultur wünschen, um zu bleiben.

Text: Hartmann, Karin, Bonn

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    Das künstlerische Projekt „Mask off.
    Bilder: Kathrin Geußer

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    Das künstlerische Projekt „Mask off.

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    Neue Authentizität im Arbeitsumfeld – Können wir „unprofessionelle“ Gefühle in der Berufspraxis etablieren?“ entstand im Rahmen der Gastprofessur des Claiming*Spaces Collective an der TU Wien.
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    Neue Authentizität im Arbeitsumfeld – Können wir „unprofessionelle“ Gefühle in der Berufspraxis etablieren?“ entstand im Rahmen der Gastprofessur des Claiming*Spaces Collective an der TU Wien.

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    Ziel des Künstlerischen Projekts von Gastprofessorin Karin Hartmann und Inge Manka mit dem Titel „WHOSE TIME(S)? Gekommen, um zu bleiben“ war, Studierende durch ein umfangreiches Programm in die Lage zu versetzen, ihre eigenen Wünsche an eine Änderung der Arbeitskultur in der Architektur zu formulieren.
    Bilder: Kathrin Geußer

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    Ziel des Künstlerischen Projekts von Gastprofessorin Karin Hartmann und Inge Manka mit dem Titel „WHOSE TIME(S)? Gekommen, um zu bleiben“ war, Studierende durch ein umfangreiches Programm in die Lage zu versetzen, ihre eigenen Wünsche an eine Änderung der Arbeitskultur in der Architektur zu formulieren.

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Es bleibt heiß

Fließen Forderungen der jungen Generation in die Branche ein, er­reichen sie die führenden Ebenen? Unsere Autorin erforscht, was junge Architektinnen sich bei der Arbeitskultur wünschen, um zu bleiben.

Text: Hartmann, Karin, Bonn

Selten wurde gegen die jüngste Altersgruppe, die auf den Arbeitsmarkt kommt, soviel Groll gehegt wie aktuell gegen die sogenannte Generation Z, auch die Zoomer genannt. Die Generationenerzählung verlockt: So haben laut DIE WELT 90 Prozent der Deutschen eine negative Assoziation zu der genannten Alterskohorte der zwischen 1997- und 2010er-Jahren Geborenen. Die Erzählung ist nicht nur pauschalisierend, sie entbehrt auch der Empirie. So legen neuere Daten offen: Die Zoomer sind gar nicht so faul (arm, ängstlich, depressiv) wie ihr Ruf. Na, Gott sei Dank, denn schließlich passiert, was unweigerlich passieren wird: Die Jüngeren prägen den Arbeitsmarkt und verdrängen ihre Kritiker. Schließlich ist aus denen, die in den 1980er-Jahren in ihrem ersten Opel C-Kadett „Ich will Spaß, ich geb’ Gas“ von der Band Markus mitsangen, auch etwas geworden.
Es ist eine interessante Gemengelage, die hier auf die Spezifika der Architekturbranche trifft. Denn eines ist klar: Die plakativsten der angeblichen „Forderungen“ der Jüngeren nach einer Arbeitskultur auf Augenhöhe, nach Jobs mit Sinn und einer ausgewogenen Work-Life-Balance konfrontieren die Architekturbranche ganz besonders. Da ihre berufskulturellen Narrative weitgehend der Genese des Künstler-Architekten geschuldet sind, wirken sie in Zeiten von New Work obsoleter denn je. Wäre es nicht besser, die überfälligen Anpassungen an die Gegenwart mit ihren Herausforderungen Klimakrise, Fachkräftemangel und dem Ruf nach der Öffnung einer zu homogenen Branche hin zu mehr Diversität, systematisch und gemeinsam anzugehen?
Die Jobs der Architektinnen
Laut der Konjunkturumfrage im letzten Quartal 2023 ist der Fachkräftemangel trotz stagnierender Bauwirtschaft immer noch in jedem dritten Büro ein Thema. Insbesondere ein Abbau der Teilzeitquote von Müttern gilt als Gamechanger.
Architektinnen gehen der Branche verloren, da es insbesondere in Deutschland in der klassischen Architekturkarriere eine besondere Herausforderung zu sein scheint, den Berufungen „Mutter“ und „Architektin“ gleichzeitig gerecht zu werden. Viele Bemühungen, Frauen in der Planung zu halten oder sie in Führungspositionen zu befördern, scheiterten daran – hier sind sich Human-Resources-Profis einig – dass sie einfach nicht wollen. So entstehen Initiativen, die sie ermutigen sollen, in die Verantwortung zu gehen. Aber ist Mut das, was sie brauchen?
Die Zeitverwendungsstudie der Bundesregierung belegt, dass Frauen im Durchschnitt schon 46, mit Kindern 57 Stunden in der Woche arbeiten. Laut einer Befragung der Hans-Böckler-Stiftung aus 2024 sind sie mit 68 Prozent wieder mehrheitlich für die Betreuung von Kindern verantwortlich. Diese Verantwortung bedeutet im Alltag, die Erwerbstätigkeit immer mal von jetzt auf gleich zurückstellen zu müssen im Fall des Ausfalls der Kinderbetreuung – sei es durch eine Pandemie oder die aktuelle „Kitastrophe“, wie eine Stuttgarter Initiative sich euphemistisch benennt. Beide Ursachen können mit fehlendem politischem Willen begründet werden. So ist es vielleicht kein Zufall, dass fehlendes Vertrauen von Müttern an die Regierungspolitik seit der Pandemie von 16 Prozent im Jahr 2021 auf 34 Prozent im Jahr 2022 gestiegen ist.
Sich verantwortlich fühlen bedeutet, Verantwortung direkt zu spüren. Genau das ist der Load im Fachbegriff Mental Load, dem Anteil Projektleitung in der Care-Arbeit, der sie so mühevoll macht. Dieses Gefüge hat sich trotz des ansteigenden zeitlichen Einsatzes von Vätern noch nicht entscheidend verändert. Der Anteil von angestellten Architekten in Teilzeit hat sich von 4 Prozent im Jahr 2015 auf 13 Prozent im Jahr 2022 erhöht. Doch es bleibt der im europäischen Vergleich sehr hohe Gender Care Gap von 44,3 Prozent.
Politische Anreize wie Bock-auf-Arbeit-Floskeln reichen nicht aus, und steuerfreie Überstunden erreichen Mütter nicht. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, bringt es auf den Punkt: „Nur umfassende Betreuungsmöglichkeiten in Kitas und Schulen und die gerechte Aufgabenverteilung im Haushalt können eine annähernd gleiche Erwerbsbeteiligung beider Geschlechter ermöglichen.“
Von der Metaebene auf den Schreibtisch
Auf die Herausforderungen der Klimakrise übertragen würde Mental Load bedeuten, dass jeder und jede Architekturschaffende ihren Anteil am Gelingen der Bauwende trüge – und dies auch direkt spüren könnte. Eine Analyse des Architects’ Journal legt nah, dass der große CO2-Fußabdruck der Baubranche auch mit sich bringt, dass Architektinnen und Architekten einen erheblichen Anteil daran haben, diesen wieder zu vermindern. Lange hat es gedauert, bis die Branche sich dieser Verantwortung gewahr wurde. Dies bleibt rätselhaft bei einer Berufsgruppe, in der Berufung und Urheberschaft eine so große Rolle spielen, und Architektinnen und Architekten sich nicht in erster Linie als Dienstleister des Bauherrenschaft oder der Gesellschaft verstehen. Einen Fokus auf die eigene Handlungsfähigkeit zu setzen, würde bedeuten, weniger nach Leuchtturmprojekten zu schauen und die Änderung von Baunormen zu fordern, sondern im Alltag jede Entwurfs- und Bemusterungsentscheidung zu prüfen.
Ist die Branche so weit, von der Metaebene auf den eigenen Schreibtisch zu schauen? Anzuerkennen, dass uns die bisherigen Narrative, ein selbst- und ressourcenausbeutendes Selbstverständnis als Entwurfsarchitekten mit Neubaupräferenz hierhin gebracht haben, wo wir sind, sollte auch die 180-Grad-Drehung möglich machen. Und nein, dies ist nicht der Zeitpunkt, sich auf Architektur als Dienstleistung zurückzuziehen. Die gleiche Energie, die für die beste Fassade investiert wurde, könnte sie nicht dazu dienen, kollektiv in den planetaren Grenzen zu bauen?
Auch dieses changierende Selbstverständnis steht in der Kritik, und ist für viele, die in dem Beruf arbeiten möchten, nicht anschlussfähig. Es bleibt die Frage, ob diese Marktbewegung den Ausschlag geben, eine Veränderung herbeizuführen. Sprich, ob die Branche im Kern einen Paradigmenwechsel braucht, um fortzubestehen. Steigt der Handlungsdruck von außen nicht genug, braucht es einen Gestaltungswillen – die Herausforderungen sind da. Die Welt brennt, aber offenbar ist es in vielen gut gekühlten Architekturbüros des Globalen Norden noch nicht heiß genug.

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