Bauwelt

Die offensichtlichen Lösungen muss man vermeiden

Eckhard Gerber spricht im Interview über die Braunschweiger Schule, Topografie und Jazzmusik.

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

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    Eckhard Gerber
    Foto: Eric-Jan Ouwerkerk

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Die offensichtlichen Lösungen muss man vermeiden

Eckhard Gerber spricht im Interview über die Braunschweiger Schule, Topografie und Jazzmusik.

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

Warum sind Sie Architekt geworden?
Das habe ich mich auch schon gefragt. Vielleicht habe ich einfach eine Affinität zum Bauen.
Jetzt machen Sie das schon seit mehr als fünfzig Jahren. Was hat Sie in dieser Zeit am meisten geprägt?
Am meisten prägte mich wohl, dass man sich immer wieder mit immer neuen Aufgaben auseinandersetzt.
Sie gehören der Braunschweiger Schule an. Funktion, Ordnung und Orientierung ist Ihnen wichtig. Können Sie ausführen, wie sich das in Ihrer Arbeit darstellt?
Das kann man eigentlich an jedem unserer Projekte sehen, nur manchmal, ganz selten, gibt es ein Projekt, wo ein kleiner Strickfehler enthalten ist. Die Gebäude müssen erfahrbar sein. Am besten ist es, wenn man sie bereits von außen zum ersten Mal erleben kann und dadurch schon weiß, wie sie strukturiert sind und wie sie innen funktionieren.
Gibt es ein Gebäude, bei dem das besonders zum Vorschein kommt?
Ganz deutlich ist dies beim Harenberg Haus in Dortmund. Man steht davor und sieht den Aufzug, der aus der Glashalle heraustritt und diese mit dem zweiten Gebäudeteil verbindet. Man weiß dann genau, dass man in die Halle hinein muss, dass dort der Eingang ist. Und man fährt mit dem Aufzug, den man schon gesehen hat, in die einzelnen Geschosse.
Gibt es noch etwas, was Sie aus Braunschweig mitgenommen haben?
Die intensive Auseinandersetzung mit dem gegebenen Programm, der richtigen Zuordnung der Räume, aber auch die Auseinandersetzung unter unseren Lehrern. Friedrich Wilhelm Krae­mer hat uns gesagt: „Macht gerade Gänge, weil das eine schöne Orientierung gibt“. Dann hat Zdenko Strizic erwidert: „Lieber Kollege Kraemer, es gibt keine Gänge.“ Und der Kraemer entgegnete: „Wieso gibt es keine Gänge? Wir kommen doch nicht ohne Gänge aus, im Verwaltungsbau.“ Es gibt keine Gänge, das war didaktisch, pädagogisch.
Sie selbst versuchen, Gänge weitgehend zu vermeiden.
Ja, das ist haften geblieben. Man muss eben immer sehen, dass es keine Gänge sind, sondern fließende Räume, das ist wichtig.
Haben Sie ein besonderes Beispiel?
Vielleicht die Bibliothek in Riad.
Diese Aufgabe war in vieler Hinsicht etwas Besonderes.
Ursprünglich war eine neue Bibliothek vorgesehen, das wurde verworfen. Dann gab es einen Wettbewerb für eine Erweiterung der alten Bibliothek. Wir haben den Altbau gelassen wie er war und haben ihn einfach umbaut. Das war die wichtige Kernidee, die unser Konzept ausmachte. Damit haben wir gewonnen.
Auch die Topografie spielt eine wichtige Rolle. Diese kommt selten so geordnet daher wie Ihre Gebäude. Wie gehen Sie damit um?
Die Topografie kann ein spannendes Konzept verlangen. Das ist viel besser als eine ebene Fläche. Das sehen nicht alle so, manche denken, jetzt habe ich leider so ein schräges Gelände, das ebne ich erst mal ein und stelle da das Haupthaus drauf. Das ist natürlich vollkommen falsch. Man muss aus der Besonderheit der Topografie die Besonderheit des Entwurfs entwickeln.
Sie haben einen Teil Ihres Studiums mit Musik finanziert und spielen heute noch Trompete. Gibt es einen Zusammenhang zu Ihrer Architektur?
Ich will nicht sagen im Speziellen zu meiner Architektur, aber zur Architektur allgemein schon. Musik ist eine unglaublich komplexe Kunst. Das ist in der Architektur ähnlich. Ich habe mich mit der Jazzmusik intensiv beschäftigt. Da gibt es die Freiheit der Improvisation im Rahmen der Harmonie der Chorusfolge. Das ist wunderbar.
Ihre Entwürfe sind weit entfernt von freier Improvisation, sondern immer klar geordnet. Man weiß, was das Gebäude macht. Im Jazz ist das anders. Man weiß nicht, was der Musiker macht.
Ich weiß ja, wenn ich anfange zu entwerfen, auch nicht was ich mache. Da fühle ich mich frei. In der Improvisation muss man immer im Rahmen der Harmoniefolgen spielen. Wenn man davon abweicht, dann wird alles ganz falsch. Das ist in der Architektur dasselbe. Man muss schon in der Struktur denken, aber sich frei fühlen, bis man dann zu einer Aussage kommt. Das ist letzten Endes auch so bei der Improvisation.
Sie haben an über 1500 Wettbewerben teilgenommen und mehr als 200 davon gewonnen. Gibt es ein Geheimnis?
Wenn es ein Geheimnis gäbe, würde ich das vielleicht gar nicht verraten. Ich bin immer auf der Suche danach, nur die Wettbewerbe zu machen, die wir auch gewinnen können. Das ist mir bis heute aber nicht gelungen.
Man muss versuchen, die offensichtlichen Lösungen zu vermeiden. Es gibt eine Reihe von Architekten die wählen Lösung A. Eine andere Gruppe wählt Lösung B und vielleicht gibt es noch eine dritte Variante. In keiner dieser Gruppen dürfen sie sich ansiedeln. Ihr Entwurf sollte alles ganz anders machen, aber nicht nur um der Andersartigkeit wegen. Der Entwurf muss eine außergewöhnliche Idee für diese Aufgabe liefern. Dafür muss man vieles hinterfragen und über die Aufgabenstellung hinausdenken. Das ist für mich wichtig.

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