Bauwelt

Architektur für Autokratie: Trump-Tower in Belgrad

„Belgrade welcomes a global icon“ gibt man sich im Weißen Haus selbstbewusst. Einen Trump-Tower in Serbien wollte sein Namensgeber schon vor der ersten Wahl zum US-Präsidenten durchsetzen. Nun könnte er ihn bald bekommen – Investor ist sein Schwiegersohn, Möglichmacher die serbische Regierung.

Text: Allen, Michael R., St. Louis (USA)

Bild 1 von 4
  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Zunächst gab es 2017 Pläne, den Komplex abzureißen und originalgetreu wiederaufzubauen. Der Architektenverband Serbien startete eine Initiative, die Kon-struktion zum UNESCO-Welt- kulturerbe zu machen. Seit 2024 gab es mehrere Versuche grüner Bewegungen, das Gebäude zu schützen.
    Foto: alamy

    • Social Media Items Social Media Items
    Zunächst gab es 2017 Pläne, den Komplex abzureißen und originalgetreu wiederaufzubauen. Der Architektenverband Serbien startete eine Initiative, die Kon-struktion zum UNESCO-Welt- kulturerbe zu machen. Seit 2024 gab es mehrere Versuche grüner Bewegungen, das Gebäude zu schützen.

    Foto: alamy

Architektur für Autokratie: Trump-Tower in Belgrad

„Belgrade welcomes a global icon“ gibt man sich im Weißen Haus selbstbewusst. Einen Trump-Tower in Serbien wollte sein Namensgeber schon vor der ersten Wahl zum US-Präsidenten durchsetzen. Nun könnte er ihn bald bekommen – Investor ist sein Schwiegersohn, Möglichmacher die serbische Regierung.

Text: Allen, Michael R., St. Louis (USA)

2024 kündigte die Regierung des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić an, das Gebäude des ehemaligen Generalstabsgebäudes in Belgrad sowie das Gelände mit angrenzender Kaserne an Affinity Global Development zu übertragen – jener Investmentfirma von Jared Kushner, dem Schwiegersohn des US-Präsidenten Donald Trump. Das kriegszerstörte Gebäude, in dem sich das Verteidigungsministerium befand, ist in Serbien ein Nationalheiligtum, das an die verheerenden Bombardierungen Belgrads durch die NATO im April 1999 erinnert. Viele der Wähler, die sich um Vučić und seine rechtspopulistische serbische Fortschrittspartei Srpska napredna stranka (SNS) scharen, betrachten es als eine Art heilige Stätte in der aktuellen serbisch-nationalistischen Kampferzählung. Andere sehen es als wichtige Verbindung zur Jugoslawisch-kommunistischen Vergangenheit und zu modernistischer Architektur. So gut wie niemand scheint Affinitys Vorhaben, die Ruine zugunsten eines Trump-Towers in Belgrad abzureißen, zu begrüßen – abgesehen vom angeblich ultra-nationalistischen Vučić und seinem Kabinett.
Der Trump-Tower in Belgrad steht Modell für die kulissenhafte Fassade eines zeitgenössischen rechtsnationalen Populismus. Nicht nur ist das Gelände für Nationalisten von hohem symbolischen Wert; zusätzlich wird Affinity teilweise vom saudi-arabischen Staatsfonds finanziert. Entwicklungspartner ist Eagle Hills unter der Leitung des emiratischen Geschäftsmanns Mohamed Ali Alabbar. Es ist nichts speziell Serbisches an diesem Projekt, was bereits die Umgestaltung des Flussufers in Belgrad durch Eagle Hills vorwegnehmen konnte. Dort kann die Bevölkerung nun in überteuerten Apartments übernachten, in Wohngebäuden, die unter anderem nach der britischen Stadt Bristol benannt sind.
Kushner verspricht für den serbischen Trump-Tower 1500 „Luxus“-Eigentumswohnungen, ein Hotel und ein „Museum“. Der Vorverkauf der Wohnungen soll diesen Sommer beginnen. Der öffentlichen Empörung zum Trotz wurde das Projekt in die Gänge geleitet, alles sollte laufen wie geschmiert – bis zum Beginn der studentischen Blockaden nach dem Einsturz des Bahnhofsgebäudes in Novi Sad im November 2024. Der Aufstand gegen die serbische Regierung von Millionen Menschen im Land ist ein strahlendes Beispiel für organisierten Widerstand gegen eine korrupte Autokratie und widerlegt außerdem die Behauptung, Vučićs Nationalismus gründe auf breiter gesellschaftlicher Unterstützung. Der serbische Präsident ließ die Aufstände auflösen und Demonstrierende verhaften, er versuchte, Lehrende und den Direktor der Universität Belgrad festzunehmen und ließ bei einer Demonstration den Einsatz einer Schallwaffe zu.
Eiertanz auf Kriegsruinen
In Serbien lodert ein Feuer des Widerstands gegen Vučićs heuchlerischen Nationalismus. Der Präsident verschachert kulturelles Erbe an transna-tionale Entwickler, will den Lithiumabbau für das Private Equity-gestützte Unternehmen Rio Tinto öffnen und hält sich gleichzeitig die EU wie auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin warm. Die serbische Bevölkerung hat dieses Spiel durchschaut und blockiert nun regelmäßig Hauptverkehrsachsen in vier Städten nach Anleitung des Blokadna kuharica („Blockadekochbuch“), das kroatische Studierende 2009 in Zagreb entwickelt haben.
Im Fall des Trump-Towers in Belgrad scheint der aktivistische Druck eine strafrechtliche Ermittlung gegen Regierungsminister Goran Varić ausgelöst zu haben; wegen des mutmaßlichen Fälschens der Unterschriften, die den Denkmalschutz des Gebäudes aufhoben. Ob es eine Verurteilung geben wird, ist genauso unklar wie die Frage, ob sie die Fortführung des Projekts durch den Schwiegersohn des rechtsnationalen Verbündeten Vu-čićs überhaupt stoppen würde. Immerhin: Der Aufstand hat die offensichtliche Heuchelei sowohl Vučićs als auch Trumps ins Scheinwerferlicht gerückt, die sich als Gegner des globalen Kapitalismus inszenieren, während sie eigentlich die Massen in den Dienst genau dieses Systems stellen.
Das Vorhaben, das Verteidigungsministerium abzureißen, zeigt, dass Vučić alles opfern würde, um seine Macht zu erhalten und auserwählte Verbündete von staatlichen Vorteilen profitieren zu lassen – denn es ist ein Symbol des serbischen Widerstands am Ende des Jugoslawien-Kriegs. Doch damit nicht genug: Das Gebäude ist auf zwei Ebenen kommunistisches Erbe. Es ist zweigeteilt durch die Nemanjina-Straße und stammt von dem jugoslawischen Architekten schlechthin; Nikola Dobrović, der es als einheitsstiftendes Symbol des Volksstaats verstand.
Entstanden zwischen 1957 und 1965, besteht das Generalstabsgebäude aus zwei abgetreppten Baukörpern, die sich, mit der Straße als Spiegel-achse, symmetrisch gegenüberstehen. Die Natursteinfassade verleiht demKomplex ein fast geologisches Aussehen – kein Zufall: Dobrović spielte auf die Schluchten des Flusses Sutjeska an, wo Titos kommunistische Partisanen im Juni 1943 einen entscheidenden Sieg über faschistische Truppen erlangten.
Ronald und Donald und Aleksandar
Die Verbündung der MAGA-Kapitalisten und Vučićs Regierung würde also gleichermaßen ein weithin bekanntes Überbleibsel der NATO-Bombardierung von 1999, ein Bauwerk der jugoslawischen Moderne, das die Stärke eines kommunistischen Staats repräsentiert sowie eine Erinnerung des Siegs über den Faschismus auslöschen. Kushner und Alabbar würden dieses vielschichtige Erbe durch ein glattes, gesichtsloses Projekt ersetzen. Ihr Neubau würde die Geschichte des Orts buchstäblich beseitigen. Die angrenzende Kaserne des siebten Regiments aus dem 19.Jahrhundert soll zwar renoviert werden. Der Name Trumps soll allerdings in Goldbuchstaben auf ihrer Fassade prangen. Statt des Generalstabsgebäudes sollen nichtssagende Glastürme emporragen, Belgrad kriegt seine eigene Trump-Skyline – ein passendes Symbol für die Plastizität des autokratischen Populismus. Vučić stellt sich als Mann des Volks dar – so lange, wie ihm dessen Forderungen nicht in die Quere kommen. Werden seine windigen Geschäfte gefährdet, lenkt er den Staat gegen die Massen. Trump wettert gegen die Eliten und propagiert eine hyper-nationalistische Wirtschaft, doch hinter diesen Versprechungen an seine angeschlagenen Anhänger verbirgt sich sein eigenes Bestreben, globale Eliten zu übernehmen. Entgegen der Vorschrift, neue US-amerikanische Gebäude seien im neoklas-sizistischen oder traditionalistischen Stil zu bauen, errichtet Familie Trump weiterhin postmoderne Türme ohne Bezug zu ihrer Umgebung. Die ortlosen, glitzernden Gebäude sehen aus wie die ihrer liberalen Rivalen. Um Gewinne zu machen, beschwört der Bauunternehmer Trump das Neue und vernichtet das Traditionelle.
Der ursprüngliche Trump Tower in New York von 1983, der in den ersten Jahren der Präsidentschaft von Ronald Reagan errichtet wurde, zeigt die Kontinuität der amerikanischen Haltung im Kalten Krieg. Er ersetzte historische Gebäude durch einen klassischeren Entwurf, und der gläserne Entwurf des Architekten Der Scutt könnte sonst wo auf der Welt stehen. Das ist der Punkt – die Chance, ein gutes Geschäft zu machen, gibt es überall. Der ursprüngliche Trump Tower hat nichts mit der älteren Architektur Belgrads zu tun. Reagan selbst trat sein Amt mit dem Versprechen an, die Sowjetunion zu besiegen, „to make America great again“, und er luchste den Demokraten die Stimmen der Arbeiterklasse ab. Wie Trump verkündete Reagan eine Vision nationalistischer Selbstgenügsamkeit, prangerte liberale Institutionen an, stellte sich weder gegen Rassismus noch Misogynie und behauptete, ein Förderer traditioneller sozialer Werte zu sein.
Reagans wirkliche Agenda aber war die Aushöhlung des amerikanischenRegulierungsstaates, die Senkung der Steuern für die Reichen und der Einsatz des Militärs, um den Kolonialismus der amerikanischen Unternehmen zu stützen. Amerika predigte der Welt Demokratie, während seine eigenen Pulsgeber Vetternkapitalismus und Klassenteilung waren. Ronald Reagans Populismus war ein Taschenspielertrick, mit dem die Stimmen der wirtschaftlich Unzufriedenen auf die Republikaner übertragen wurden, bereit, für den transnationalen Kapitalismus zu arbeiten. Trump scheint ein hervorragender Schüler dieser Formel zu sein, die Egoismus als Patriotismus, eigennützige Immobilieninvestitionen als sozialen Fortschritt und den transnationalen Kapitalismus als Verbündeten amerikanischer Traditionen ausgibt.
Geld stinkt nicht
Durch Belgrad könnte bald ein Echo der alten US-amerikanischen Formel hallen, mit Trumps Schwiegersohn Kushner als Marktschreier. Die politischen Kreise um Trump und Vučić sind Ermöglicher dieses geschmacklosen, universalistischen Globalismus. Während Vučić versucht, die Blockaden zu unterdrücken und Trump weiterhin Einwanderer verschwinden lässt, sind ihre Ziele nichts anderes als persönliche Machtdemons-trationen. Der Trump Tower in Belgrad, finanziert mit saudischen und emiratischen Geldern, geplant, um eine vielen Menschen bedeutsame Ikone der nationalen Geschichte zu ersetzen, ist ein passendes Denkmal dafür. Die Architektur stellt Reichtum über Erhalt des kulturellen und historischen Erbes, Globalisierung über lokale Traditionen und Branding über Authentizität. Trump träumt von einer Welt voller Trump-Towers, die vielleicht ein persönliches Geschäftsimperium schaffen, aber niemals die Kulturen, die unter ihnen leben, „great again“ machen können. Was er und Kushner errichten lassen, wird sich nicht von anderen Bauunternehmern unterscheiden – ob in New York, Gaza oder Belgrad.
Übersetzung aus dem Englischen: ck

0 Kommentare


loading
x
loading

15.2025

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.