Bauwelt

Casa Baldi ist wieder da

Die Villa bei Rom von Paolo Portoghesi wird zum Creative Centre

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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    Die Villa von 1961 aus Tuffstein mit konkav geschwungenen Fassaden ...
    Foto: Casalgrande Padana

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    Foto: Casalgrande Padana

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    ... stand lange leer und war völlig zugewachsen.
    Foto: Sebastian Redecke

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    ... stand lange leer und war völlig zugewachsen.

    Foto: Sebastian Redecke

Casa Baldi ist wieder da

Die Villa bei Rom von Paolo Portoghesi wird zum Creative Centre

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Gian Vittorio Baldi erlangte als Regisseur und Filmproduzent im Rom der 1950er und 1960er Jahre Bekanntheit. Mit dem Film „La casa delle vedove“ erreichte er sogar eine Oscar-Nominierung. Als 1959 der Kontakt zum damals jungen, noch recht unerfahrenen Architekten Paolo Portoghesi entstand, war mit schnellen Skizzen die Idee seiner Villa am Stadtrand geboren. Sie steht auf einer Anhöhe im Norden Roms nahe der Rocca Castel Giubileo mit weitem Ausblick über den Tiber, die Campagna und im Hintergrund die Berge. Durch Baumbewuchs und die Neubauten in der Nachbarschaft sind allerdings die Ausblicke schon lange nicht mehr möglich. Heute steht die 1961 fertiggestellte Villa auf kleinem Grundstück etwas versteckt in einem ruhigen, grünen Wohnquartier mit allzu vielen bellenden Wachhunden.
Die Casa Baldi war zu der Zeit in Italien „contro il conformismo“ und hat Architekturgeschichte geschrieben. Paolo Porthogesi ist heute 87 Jahre alt und weihte am 24. Mai das Haus nach vielen Jahren Leerstand mit einer kleinen Feier erneut ein. Hintergrund ist der Kauf der Villa durch Casalgrande Padana, einem der größten Fliesenhersteller Italiens. Die Fassaden wurden vom überall wuchernden Efeu befreit und ausgebessert. Innen waren umfangreiche Sanierungen erforderlich, zum Teil auch neue Einbauten des Fliesenherstellers, die nicht überall überzeugen. Mit der Rettung der Casa Baldi verknüpft ist nun das neue „Creative Centre Casalgrande Padana“ als offener Ort der Information und als Diskussionsforum für Architekten und Kunden.
Das Gebäude setzt sich aus mehreren konkav geschwungenen Wandelementen zusammen. Zwischen den unterschiedlich geformten Wandfeldern sind schmale Fenster- und Türöffnungen. Die Schichtung der drei Ebenen hebt sich deutlich hervor, wobei das Hauptgeschoss höher ausgebildet ist. Der obersten Ebene ist eine weite Terrasse vorgelagert. Die auskragende, den schwungvollen Formen der Villa folgenden Betonplatten des „Gebälks“ passen in die Sprache der 50er Jahre.
Portoghesi nennt gerne Borromini als Ideengeber, besonders mit seinen römischen Kirchen von San Carlo alle Quattro Fontane und Sant’­An­drea delle Fratte. Er hat den Architekten des Hochbarocks lange erforscht. Sein Buch ist ein Standardwerk. Portoghesi bezeichnet sich sogar als sein Schüler. Entstanden ist für ihn eine lebendige „Architettura dolce“ und „vegetale“ oder auch „animale“, in der Blut zirkuliere. Die Mauern bestehen aus Tuffstein-Blöcken und flachen Ziegelbändern und -gesimsen. Innen kommen organisch geformte Eisenkonstruktionen für Geländer, Gitter und Halterungen sowie Deckenteile aus Ziegelsteinen und Holz hinzu.
Am Abend nach der Einweihung des Creative Centre hielt Paolo Portoghesi im „Acquario Romano“ von 1887, heute Sitz der römischen Architektenkammer, einen Festvortrag. Er brillierte noch einmal mit seinem großen Wissen der Baugeschichte nicht nur der Stadt Rom und verzahnte diese mit allzu vielen Einflüssen auf sein Werk. Zu nennen ist die berühmte Chiesa della Sacra Famiglia in Salerno von 1973. Auf die Bauten und Projekte seiner späteren, ausgeprägt postmodernen Phase, dazu gehört auch eine Platzanlage mit Brunnen vor dem Rathaus in Pirmasens und ein IBA-Wohnblock am Tegeler Hafen in Berlin, geht er aber nicht ein. Seine Harmonie suchende Architektur scheint aus der Zeit gefallen. Sie wirkt mit ihren vielen Anspielungen sehr erzählerisch, fast verspielt. Portoghesi lebt heute nicht mehr im Centro storico seiner Ewigen Stadt, sondern im ländlichen Calcata auf halben Weg nach Viterbo.
Fakten
Architekten Portoghesi, Paolo, Calcata
aus Bauwelt 16.2019
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