Bauwelt

Zwei Wettbewerbe, ein Debakel

Ein Rückblick auf den langwierigen Prozess der Neuplanung des Areals Les Halles. Rem Koolhaas und Jean Nouvel kamen 2004 nicht zum Zuge. Der Gewinner des eingeladenen Wettbewerbs war am Ende David Mangin. Auch sein Entwurf wurde nicht gebaut

Text: Boudet, Dominique

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    Die zentralen zwölf Markthallen von Victor Baltard aus dem Jahr 1851, links davon der Rundbau der alten Börse und die Rue du Louvre. Die Hallen wurden 1969–1971 abgerissen. 1979 eröffnete das „Forum les Halles“, ein Einkaufszentrum von Claude Vasconi und Georges Pencreac’h um einen zentralen, tiefer gelegten Platz. Daneben entstand 1986 ein Stadtpark.
    Fotos: Documentation Française/Semah; Lylho/leemage; Ullstein Bild

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    Die zentralen zwölf Markthallen von Victor Baltard aus dem Jahr 1851, links davon der Rundbau der alten Börse und die Rue du Louvre. Die Hallen wurden 1969–1971 abgerissen. 1979 eröffnete das „Forum les Halles“, ein Einkaufszentrum von Claude Vasconi und Georges Pencreac’h um einen zentralen, tiefer gelegten Platz. Daneben entstand 1986 ein Stadtpark.

    Fotos: Documentation Française/Semah; Lylho/leemage; Ullstein Bild

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    Aufgabe des Wettbewerbs war sowohl die Neugestaltung und Verzahnung des Einkaufszentrums mit den RER- und Metrobahnhöfen als auch eine bessere Einbindung in das Quartier. OMA schlug auf dem 7-Hektar-Areal 20 bunte, flexibel zu nutzende Glaspyramiden vor.
    Abbildungen: OMA

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    Aufgabe des Wettbewerbs war sowohl die Neugestaltung und Verzahnung des Einkaufszentrums mit den RER- und Metrobahnhöfen als auch eine bessere Einbindung in das Quartier. OMA schlug auf dem 7-Hektar-Areal 20 bunte, flexibel zu nutzende Glaspyramiden vor.

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    Auch der Park sollte umgestaltet werden. Schema­tischer Schnitt mit den verschiedenen Nutzungen.
    Abbildung: OMA

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    Auch der Park sollte umgestaltet werden. Schema­tischer Schnitt mit den verschiedenen Nutzungen.

    Abbildung: OMA

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    Jean Nouvel sah zwei erhöhte Gärten vor, einen als „Balkon“ vor der Kirche Saint Eustache, ...
    Abbildung: AJN

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    Jean Nouvel sah zwei erhöhte Gärten vor, einen als „Balkon“ vor der Kirche Saint Eustache, ...

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    ... den anderen 22 Meter hoch, auf dem Niveau der Dächer von Paris.
    Abbildung: AJN

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    Wohl unter dem Einfluss des Betreibers des Shopping-Centers ...
    Abbildung: David Mangin

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    Wohl unter dem Einfluss des Betreibers des Shopping-Centers ...

    Abbildung: David Mangin

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    ... entschied man sich für die Arbeit von David Mangin mit dem einfachen großen Dach.
    Abbildung: David Mangin

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    ... entschied man sich für die Arbeit von David Mangin mit dem einfachen großen Dach.

    Abbildung: David Mangin

Zwei Wettbewerbe, ein Debakel

Ein Rückblick auf den langwierigen Prozess der Neuplanung des Areals Les Halles. Rem Koolhaas und Jean Nouvel kamen 2004 nicht zum Zuge. Der Gewinner des eingeladenen Wettbewerbs war am Ende David Mangin. Auch sein Entwurf wurde nicht gebaut

Text: Boudet, Dominique

2002 fasst der frisch gekürte Bürgermeister von Paris Bertrand Delanoë den Entschluss, die Erneuerung des Pariser Areals Les Halles in Angriff zu nehmen. Der notwendige politische Rahmen ist durch einige Verfügungen rasch gesteckt: Ein neuer architektonischer und städtebaulicher Bezugspunkt soll es werden und, quasi nebenbei, bauliches Zeugnis seines Engagements für die Stadt Paris. Dass dringend etwas geschehen musste, stand außer Frage. Die vorhandenen Gebäude waren baufällig und im Untergrund paarte sich ungenügende Funktionalität mit massiven Sicherheitsrisiken für täglich 800.000 Berufspendler der RER- und Métrostationen am Châtelet-Les Halles. Auch das Forum des Halles, ein Einkaufszentrum aus dem Jahr 1979, und die Außenanlagen hatten an Attraktivität eingebüßt.
Zwar waren für jeden Laien die Probleme mehr als augenfällig, doch niemand hatte einen klaren Überblick über die Gesamtsituation. Daher griff man auf ein bewährtes Verfahren zurück, den sogenannten Marché de définition, den öffentlichen Aufruf zu einem offenen Ideenwettbewerb. Dieses Verfahren war bereits einige Jahre zuvor genau für derartig komplexe Projekte entwickelt worden, um Lösungsvorschläge ohne die Festlegung durch eine eng gesteckte Wettbewerbsauslobung ermitteln zu können. Dieses Verfahren erlaubte zudem den direkten Austausch zwischen beteiligten Planungsbüros der Stadt und der zuständigen Abteilung für den Infrastrukturausbau bei den Verkehrsbetrieben und der Betreibergesellschaft des Einkaufszentrums.
Am Ende einer zweistufigen Dialogphase wählt man den bestgeeignet erscheinenden Vorschlag aus. Das erfolgreiche Planungsbüro wird direkt im Anschluss mit der Durchführung von ergänzenden Studien für die Ausarbeitung des endgültigen Entwurfs beauftragt, ohne sich erneut der Konkurrenz stellen zu müssen. Da das Verfahren aber nicht geltendem europäischen Recht entspricht, wird es heute nicht mehr angewandt.
Für Les Halles wurde ein solcher Marché de définition allerdings noch vollständig durchgeführt. Aus den ursprünglich 35 Bewerbern wählte man vier Büros aus, neben den beiden französischen Teams um Jean Nouvel und David Mangin kamen die beiden niederländischen Büros OMA und MVRDV zum Zuge. Im Frühjahr 2003 begann man mit der Arbeit, nach Abschluss der beiden Dialogphasen wurden ein Jahr später die Entwürfe präsentiert, wobei es sich noch nicht um fertige Entwürfe, sondern um breit angelegte Projektskizzen handelte.
Das gesamte Verfahren wurde intensiv von den Medien begleitet, mit der großen Präsentation der vier Entwürfe vor der Pariser Öffentlichkeit als Höhepunkt. Und auch wenn alle Bürger da­zu aufgefordert waren, ihre Meinung zu äußern, sollte dieses Votum für die finale Entscheidung letztlich nicht maßgeblich sein. Dennoch mühten sich während des gesamten Jahres alle Teams, die Entscheidung durch intensive Lobby-Arbeit in Hinterzimmern und mit öffentlichen Pressekampagnen zu ihren Gunsten zu beeinflussen. In dieser Schlacht waren die beiden Niederländer zwar weit weniger gut aufgestellt als ihre französischen Konkurrenten, doch im Nachhinein erwiesen sich alle Kämpfe ohnehin als vergeblich, denn die eigentliche Entscheidungsfindung spielte sich komplett hinter den Kulissen ab. Die Betreibergesellschaft des Einkaufszentrums sperrte sich gegen Entwürfe, durch die sie sich in ihren kommerziellen Interessen behindert sah, insbesondere gegen das OMA-Projekt. Man ließ sogar durchsickern, die Planungen könnten womöglich nachteilige Auswirkungen auf die Entwicklung der Mitarbeiterzahlen haben. Beherzt betraute der Bürgermeister seinen Baubeauftragen damit, die Rücknahme seiner womöglich etwas zu am-bitionierten Vorstellungen mit der Betrei­bergesellschaft auszuhandeln. Man kam zum gewünschten Ergebnis. Die Entscheidung selbst wurde nicht durch eine unabhängige Jury gefällt: Ganz konform mit dem Verfahren der öffentlichen Auslobung war es die hierfür zuständige Kommis­sion der Stadt Paris, die die vier Vorschläge analysierte und eine Einstufung vornahm. Bewer­tet wurde nach Einzelnoten, die jedes Projekt für bestimmte Teilaspekte erhielt.
Wie nicht anders zu erwarten, schnitten die ambitionierten Entwürfe schlecht ab, während das konservative Projekt von David Mangin die Bestnote erhielt. Mangin hatte die unterirdischen Umstrukturierungen auf ein nötiges Minimum beschränkt und ein übergroßes Flachdach für das Einkaufszentrum vorgeschlagen. „Ein Dach in einem Garten“, so das bescheidene Resümee des Architekten zu seinem Entwurf. Die allgemeine Enttäuschung war riesig, nicht zuletzt wegen der hohen Erwartungen, die das Vorhaben anfangs geweckt hatte. In der Hoffnung, sein Gesicht bei seinem Großprojekt doch noch wahren zu können, ließ der Bürgermeister Mangin seinen Garten, nahm ihm aber das Dach wieder weg und schrieb dafür 2007 einen internationalen Ideenwettbewerb aus. Das Label „interna­tio­nal“ verdiente der Wettbewerb allerdings nur dem Namen nach, denn mit Ausnahme von Toyo Ito boykottierten alle großen Büros aus dem Ausland die Teilnahme. Stattdessen quälte sich die Crème der französischen Nachwuchsarchitekten mit der Erfindung hochkomplexer Architekturen ab. Der auf dem Papier schlicht und elegant wirkende Vorschlag von Patrick Berger und Jacques Anziutti errang schließlich den Zuschlag der Jury. In der Umsetzung sollte der Irrtum allerdings allzu bald deutlich werden: La Canopée ist gerade mal ein Deckel über einer Mall. Vierzig Jahre nachdem das Centre Pompidou den Nachweis erbrachte, wie ein intelligentes Amalgam aus Nutzungsprogramm und innovativer Architektur
urbane Revitalisierung auslösen kann, haben die Konfliktscheu des Bürgermeisters und die Profitgier der Marketing-Bürokraten dafür gesorgt, dass im Herzen von Paris jetzt eine Halle mit einem vergrößerten Einkaufszentrum steht.
Aus dem Französischen von Agnes Kloocke
Fakten
Architekten OMA, Rotterdam; Nouvel, Jean, Paris; Mangin, David; Berger, Patrick, Paris; Anziutti, Jacques, Paris
Adresse 10 Passage de La Canopée,75001 Paris,Frankreich


aus Bauwelt 23.2016
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