Bauwelt

Von magisch bis selbstgefällig

3. Lichtparcours in Braunschweig

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Von magisch bis selbstgefällig

3. Lichtparcours in Braunschweig

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

„Der Parcours ist sicherlich interessant für die Braunschweiger. Es fehlen aber die großen Namen, die eine stärkere Beachtung auch in der Kunstszene bewirken würden“. So fasst der Hamburger Künstler Jan Köchermann die Qualität des diesjährigen Licht­parcours in Braunschweig zusammen. Immerhin, trotz Finanzmarktkrise konnten mit einem Etat von über einer halben Million Euro, größtenteils bei regionalen Sponsoren eingeworben, neun lichtkünstlerische Freiluft-Installationen realisiert werden; Jan Köchermann ist an drei Orten mit seinen „Leuchtsiedlungen“ dabei. Zusammen mit zwei älteren stationären Lichtobjekten von Yvonne Goulbier und Fabrizio Plessi ergibt sich eine veritable Ansammlung von elf Arbeiten, die den Titel Parcours rechtfertigen.
Und so vermisst man auch weniger die großen Namen, als vielmehr eine straffe kuratorische Hand, die sich auf die abendliche Wirkung der Lichtereignisse und eine stadträumliche Dramaturgie ihrer Platzierungen konzentriert hätte. Denn unweigerlich vergleicht man den diesjährigen Lichtparcours mit dem ersten aus dem Jahr 2000: Über, unter und neben den Brücken im Bereich der Braunschweiger Okerumflut waren 13 Positionen damaliger Konzeptkunst und lichttechnischer Invention zu sehen, die sich zu einer Gesamtheit zusammenzogen und auf einer nächtlichen Bootstour überzeugend erfahrbar wurden.
Der diesjährige Parcours hingegen verläuft sich, sowohl thematisch wie räumlich. So verlassen die meisten Künstler, die sich den Ort für ihre Arbeit frei wählen konnten, den engen Bereich der Okerumflut. Nun gilt es beispielsweise, an entlegener Stelle Christiane Stegats Arbeit „spawn“ aufzusuchen, einen Haufen überdimensionalen Rogens aus weißen Kugelleuchten, der sich aus dem Fenster einer Schule in einen toten Seitenarm der Oker ergießt. Oder der „Farbring 450 D“ von Susanne Rottenbacher, ein filigraner Acryglasreifen mit LED-Punkten auf einer Parkwiese, ungemein romantisch zwar, aber wohldoch zu zart und zu klein, um im Landschaftsraum künstlerisch standzuhalten.
Ein bevorzugter Ort ist der stadtnahe Teil des Bürgerparks, hier konzentrieren sich drei Arbeiten. Die „appearing rooms“ des dänischen Künstlers Jeppe Hein speisen ihre ein Labyrinth bildenden Wasserwände aus Bodenfontänen. Tagsüber eine spaßige Erfrischung – in der Dunkelheit, von ein paar Bodenscheinwerfen unterstützt, will aber kein ernst zu nehmendes Lichtkunstwerk daraus entstehen. Rainer Gottemeier bildet die Karte der Braunschweiger Innenstadt mit blauen Leuchtstäben und Blinklichtern auf einer Teichfläche nach. Dazu leuchtet an der Benachbarten Zierruine eines Portikus ein Zitat des Braunschweiger Ehrenbürgers und Dichters Wilhelm Raabe, Glockenklänge der neun Innenstadtkirchen unterlegen das Ganze akustisch – das ist dann wohl selbst für hartgesottene Lokalpatrioten zu viel. Als lichtkunsttechnischer Flop erweist sich ausgerechnet das Flaggschiff des Parcours, Arend Zwickers knapp zehn Meter hoher künstlicher Eisberg „8,33%“ – um so viel ragt schwimmendes Eis aus Süßwasser heraus. Was bis in die Dämmerung hinein als schroffer Polyeder aus Spiegelflächen Wolken, Bäume und letzte Sonnenstrahlen mysteriös doppelnd einfängt, entblößt, nächtens brutal angestrahlt, nur noch schnöde die gestoppelten Stöße seiner Bekleidung. Keinen der drei Künstler irritiert in seinem öffentlich geförderten Schaffen die unmittelbare Nähe zur klaffenden Wunde eines 2009 in (bislang enttäuschter) Hoffnung auf einen Investor abgeräumten kommunalen Kulturzentrums. Das unterstreicht zumindest den selbstgefälligen Charakter der Werke.
Also dann zurück ins Boot, auf zu Köchermanns über der Oker schwebenden „Siedlungen“ aus der nahen Braunschweiger Weststadt sowie dem fernen Shanghai oder zu Thomas Bartels „1000 Blumen“. An einer Brückenbaustelle lässt er drei Betonmischmaschinen farbige Glasstücke durcheinander rühren. Scheinwerfer, Spiegel und optische Linsen fabrizieren daraus floral anmutende Projektionen in das Dickicht des Botanischen Gartens – alles irgendwie magisch, ephemer und wohltuend unaufgeregt.

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