Bauwelt

Bengal Stream

The Vibrant Architecture Scene of Bangladesh

Text: Schittich, Christian. München

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Bengal Stream

The Vibrant Architecture Scene of Bangladesh

Text: Schittich, Christian. München

Zahlreiche aktuelle Bauten in Bangladesch bestechen vor allem durch eines: ihre enorme Einfachheit, die es ihren Entwerfern ermöglicht, sich auf die wesentlichen Qualitäten der Architektur zu besinnen, den Raum, das Licht und das Material. Das gilt auch für das Friendship Centre in Gaiband­-ha von Kashef Chowdhury. Der auf streng geometrischen Formen basierende, von Innenhöfen durchbrochene Komplex fügt sich mit seinen von üppigem Grün überzogenen Dächern perfekt in die umgebende Landschaft ein und bezieht seine Lebendigkeit aus der geschickten Gliederung des Volumens sowie den rauen Oberflächen aus handgeformten Ziegeln. Als auf der letzten Architekturbiennale 2016 in Venedig das Modell und einige Fotografien des Gebäudes zusammen mit weiteren sozialen Projekten des bengalischen Architekten präsentiert wurden, waren nicht wenige Besucher überrascht. Eine derart sinnlich moderne Architektur hatten sie aus Bangladesch nicht erwartet. Denn über das südasiatische Land am Delta von Ganges und Brahmaputra ist bei uns relativ wenig bekannt. In die Schlagzeilen gerät es eher wegen seiner gravierenden Umweltprobleme, der regelmäßigen Flutkatastrophen oder verheerenden Arbeitsbedingungen in seiner Textilindustrie. Und wenn einmal die Rede auf die Architektur in Bangladesch kommt, geht es meist um Louis Kahns großartiges Parlamentsgebäude in Dhaka, das zu den Ikonen des 20. Jahrhunderts zählt. Später dann auch um die Meti-Schule in Rudrapur von Anna Heringer und Eike Roswag, die 2007 mit dem Aga-Khan-Award ausgezeichnet, nach wie vor zu den eindrucksvollsten Projekten des Landes gehört. Doch daneben hat sich eine eigenständige, sehr lebendige Architekturszene gebildet. Diese geht zurück auf Muzharul Islam, den ersten modernen Architekten des Landes. Ausgebildet in den 1950er Jahren in den USA, hat Islam nicht nur einige maßgeb­liche Bauwerke hinterlassen, sondern ganz ent- schei­dend auch die nachfolgende Generation geprägt. Als Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im SAM in Basel präsentiert „Bengal Stream“ erstmals das aktuelle Baugeschehen Bangla­deschs auf internationaler Ebene. Dem sehr großzügig aufgemachten und schön gestalteten Buch liegt ein prägnantes grafisches Konzept zugrunde, das allerdings dazu neigt, das Layout über den Inhalt zu stellen und vor allem darauf baut, Stimmungen zu vermitteln. So werden die durchaus eindrucksvollen Fotos von Iwan Baan, der wie üblich Alltagssituationen und Atmos­phären in den Mittelpunkt seiner Kompositionen rückt, durchwegs ganz- oder doppelseitig gezeigt. Für zusätzliche erläuternde Bilder bleibt kein Platz, und bei manchen der vorgestellten Beispiele hätte man sich etwas mehr Informationen gewünscht.
Insgesamt aber vermittelt das Buch einen schönen Überblick über die Architektur Bangladeschs. Dazu tragen auch die lesenswerten Essays bei, die das Land und seine lokalen Gegebenheiten ebenso vorstellen wie die Entwicklung seiner Architektur. Und nicht zuletzt präsentiert die Publikation etwa 60 Projekte aus vier Jahrzehnten, die oftmals die gelungene Verschmelzung traditioneller Bautraditionen mit einer internationalen Moderne zeigen. Ganz besonders dürfte den Leser hierzulande dabei deren bereits erwähnte Einfachheit faszinieren. Wer sich daheim von immer neuen Verordnungen, Normen und Richtlinien erdrückt fühlt, kann beim Betrachten der konstruktiven und gestal­terischen Möglichkeiten in Bengalen durchaus Neidgefühle entwickeln.
Fakten
Autor / Herausgeber Niklaus Graber, Andreas Ruby, Viviane Ehrens­berger und dem SAM (Hrsg.)
Verlag Christoph Merian Verlag, Basel 2017
Zum Verlag
aus Bauwelt 16.2018
Artikel als pdf

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