Bauwelt

Protestkunst

Ein Fundstück am Rand der Chicagoer Architekturbiennale: 50 Künstler gestalten Objekte aus den alten Möbeln geschlossener Schulen

Text: Heinich, Nadin, München

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    Im Lager: die Möbel geschlossener Chicagoer Schulen

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Protestkunst

Ein Fundstück am Rand der Chicagoer Architekturbiennale: 50 Künstler gestalten Objekte aus den alten Möbeln geschlossener Schulen

Text: Heinich, Nadin, München

2013 wurden in Chicago 49 öffentliche Schule geschlossen. Beinahe alle befanden sich in einkommensschwachen Stadtteilen im Süden und Westen der Stadt. 12.000 Schüler waren davon betroffen, die meisten von ihnen Afroamerikaner. Es folgten Demonstrationen, die landesweit Beachtung fanden, die Schließung wurde dennoch umgesetzt. Als wesentlicher Grund wurde seitens der Behörden die sinkenden Schülerzahlen angegeben. Voraus gegangen war der Abriss mehrerer Hochhauskomplexe, die zwischen den 1940er und 60er Jahren als Sozialwohnungen errichtet und zum überwiegenden Teil von Afroamerikanern bewohnt worden waren: Gebäude wie Cabrini Green oder die Robert Taylor Homes, geplant für 11.000 Menschen, in Spitzenzeiten von bis zu 27.000 Menschen bewohnt, davon bis zu 95 Prozent ohne offizielle Beschäftigung, und geprägt von Rauschgift, Gewalt und Armut. Bis zu ihrer Schließung wurden in dieser Gegend mehr öffentliche Gelder für Gefängnisse als für die Schulen ausgegeben.
Heute gibt es Untersuchungen, aber keine exakten Antworten, was mit den Schülern und ihren Familien passierte, wohin genau sie umgesiedelt wurden. Die Inneneinrichtung der Schulen einschließlich des Mobiliars waren ursprünglich für den Sperrmüll vorgesehen. Der Chicagoer Künstler John Preus bekam Zugang zu diesem Material und lagerte es in einem leer stehenden Laden ein. Seitdem dient es ihm als Basis und Inspiration für seine Arbeit. Im Rahmen der Ausstellung "Infinite Games 50/50" hat er 50 Künstler, Architekten und Designer eingeladen, mit dem Material zu arbeiten. Entstanden sind Installationen, neue Möbel, Prototypen, sogar Instrumente, die im Anschluss zu neuen Besitzern wandern. Als Begleitveranstaltung zur Architekturbiennale war die Ausstellung in Open House Contemporary, Galerie und Airbnb-Wohnung in River West, für kurze Zeit zu sehen.
Aus Massenware mit Gebrauchsspuren werden Unikate, aus wackligen Stühlen Designobjekte mit Geschichte. Mit „Infinite Games“ bezieht sich John Preus auf den amerikanischen Religionshistoriker James P. Carse und dessen Theorie des unendlichen Spiels, bei dem das primäre Ziel darin besteht, zu spielen, und nicht zu gewinnen oder zu verlieren. Die Ausstellung versteht sich als Teil eines Kreislaufs. Sie urteilt nicht, sondern erinnert an die Kinder und ihre Geschichten. Die großen Fragen nach Chancengleichheit und Gerechtigkeit klingen an, und damit verbunden auch die Frage, wie wir unsere Städte planen wollen. Zumindest letzteres vermisst man beinahe komplett in der Hauptausstellung der Architektur-Biennale.


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