Bauwelt

Im Sumpf der Verantwortungslosigkeit

Was geschieht auf der Baustelle des Berliner Großflughafens BER? Wir kennen die Fotos mit Kabeln, die aus Unterdecken heraushängen, seit 2012. Jetzt liegen Pläne für mehrere Erweiterungen vor. Erwartet uns 2017, oder doch erst 2018, ein Flughafen für sieben Milliarden Euro?

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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Weihnachten in Berlin, hinter der Mall Alexa – das Fahrgastgeschäft „Chaos Airport“ hat wenig Zulauf
Foto: Sebastian Redecke

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Weihnachten in Berlin, hinter der Mall Alexa – das Fahrgastgeschäft „Chaos Airport“ hat wenig Zulauf

Foto: Sebastian Redecke


Im Sumpf der Verantwortungslosigkeit

Was geschieht auf der Baustelle des Berliner Großflughafens BER? Wir kennen die Fotos mit Kabeln, die aus Unterdecken heraushängen, seit 2012. Jetzt liegen Pläne für mehrere Erweiterungen vor. Erwartet uns 2017, oder doch erst 2018, ein Flughafen für sieben Milliarden Euro?

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Vor einigen Wochen war in einer kleinen Zeitungsnotiz zu lesen, dass Aktenordner mit Planungsunterlagen des BER, die zufällig in einem Müllcontainer gefunden worden waren, an die Architekten gmp von Gerkan Marg und Partner zurückgegeben worden seien. Es muss sich wohl doch nur um Dokumente ohne Brisanz gehandelt haben. Bei den vielen vom Bauherrn verlangten Umplanungen während der Entwurfs- und Bauphase, die die Architekten immer wieder beklagt hatten und als einen Grund für das Desaster der Flughafenbaustelle anführen, wundern einen unzählige aussortierte und weggeworfene Planungspapiere auch nicht mehr.

Weiterbauen

Etwa zur gleichen Zeit war zu erfahren, dass der Flughafen eine dritte Start- und Landebahn benötige. Plötzlich kamen zu den Forderungen nach mehr Geld auch die für diese Landebahn. Noch-Flughafenchef Hartmut Mehdorn dementierte: „Auch andere Hauptstadtflughäfen haben nur zwei Start- und Landebahnen“. Irgendwie soll der Flugbetrieb also klappen. Wie genau, dazu gibt es bisher keine präzisen Aussagen. Was soll man davon halten? Ganz abgesehen von der Anzahl der Bahnen stoße der Flughafenbau selbst, und dies ist inzwischen einhellige Meinung, bereits jetzt an die Grenzen seiner Kapazität. Unabhängig von den Umbauten wegen fehlerhafter Entrauchung und Baupfuschs ist man schon wieder am Planen. Der Nord- und, etwas später, auch der Südpier für Flugsteige sollen jeweils nach Osten verlängert werden. Die bauliche und konzeptionelle Gesamtplanung des neuen, modernen Hauptstadtflughafens wird nun immer kläglicher. Eine große Erweiterung nach Westen stellte die Planer vor weitaus problematischere Herausforderungen. Hier sind schon immer zwei Satelliten vorgesehen, jeweils lange Riegel mit Flugsteigen. Ein Tunnel, durch den die Fluggäste vom Hauptgebäude aus unter dem Rollfeld hierher gelangt wären, wurde aus Kosten-, vielleicht aber auch aus Termingründen, vor der ursprünglich geplanten Eröffnung im Juni 2012 nicht gebaut. Wie sollen die beiden Satelliten irgendwann erreicht werden? Mit dem Bus? Auf einer Brücke im weiten Bogen über den Seitenrudern der Flugzeuge? Wer hat die damalige Fehleinschätzung der Situation, wer die Entscheidung, den Tunnel nicht zu bauen, zu verantworten?

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Rätselraten gibt es auch darüber, womit sich ein Untersuchungsausschuss zum Flughafen im Berliner Abgeordnetenhaus, unter Vorsitz des Piraten-Politikers Martin Delius, beschäftigt. Dort will man dem Debakel auf den Grund gehen. Es gab schon zahlreiche Sitzungen aller Art, die Akteure sind vorgeladen und angehört worden. Hin und wieder lässt der Ausschuss kritische Kommentare zu Äußerungen der Flughafengesellschaft verlautbaren. Man darf gespannt auf seinen Bericht sein, der nun, nach einem Jahr, tatsächlich vorgelegt werden soll! Doch kann er den genauen Ablauf der Geschehnisse überhaupt noch rekonstruieren? Was wurde inzwischen vertuscht bei dieser so komplexen Materie? Mit den Kosten geht es stetig nach oben. Ursprünglich wollte man den Flughafen für zwei Milliarden Euro bauen, zurzeit ist von 5,4 Milliarden die Rede, die 7 Milliarden werden sicher erreicht, nicht unwahrscheinlich, dass noch mehr hinzu kommt. Jetzt wurde sogar eine „Beihilfe“ von der Europäischen Union angefragt. Doch warum soll die EU für falsches Management zahlen? Der ungenutzte Flughafen kostet täglich 500.000 Euro. Und wer zahlt die Ausfälle für das leerstehende Luxushotel, die Parkhäuser, ganz zu schweigen von den gesamten Dienstleistungsfirmen, die sich hier angesiedelt haben und seit mehr als zwei Jahren auf die Eröffnung warten? Werden, falls eine Klärung möglich ist, die Verantwortlichen wirklich zur Kasse gebeten?

Rostock

Ein Skandal besonderer Güte ist das Verfahren um den früheren Flughafenchef Rainer Schwarz. Ihm wurde wegen Missmanagement gekündigt. Er bekommt aber, nach gerichtlichem Entscheid, bis Vertragsende 2016, sein volles Gehalt – insgesamt rund eine Million Euro. Eine entsprechende Regelung in seinem Arbeitsvertrag legte dies fest. Man kann über Schwarz’ falsche Entscheidungen und seinen fehlenden Überblick bei der Leitung der Baustelle urteilen wie man will, wichtiger wäre eine glaubwürdige moralische Haltung seinerseits. Doch Größe zeigt niemand hier, nirgends, obwohl es um Mehrkosten in Milliardenhöhe bei einem öffentlichen Bau geht. Betrachtet wird nur die rechtliche Seite, und die Flughafengesellschaft geht in diesem teuren Arbeitsrechtsstreit in die nächste Instanz – aussichtslos, wie man hört. Würde sie doch gewinnen, wäre dies hinsichtlich der Rechtslage auch brisant. Man müsste andere Schuldige suchen. Rainer Schwarz sieht die Sache gelassen und hat im Dezember als Chef des Flughafens Rostock begonnen. Vielleicht hat der weich Gelandete Glück, und der größte Flughafen von Mecklenburg-Vorpommern etabliert sich mit ihm deutlich vor dem von Kassel. Wenige Tage nach dem Schwarz-Verfahren wurde der einstige BER-Technikchef Werner Großmann wegen Bestechlichkeit und Betrugs verurteilt. Dessen Vorgänger, Manfred Körtgen, wurde wegen gravierender Managementfehler entlassen. Er weist jede Schuld von sich.

Berger

Nun gibt es, für viele überraschend und, wie man munkelt, auf Druck des neuen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, seit der Aufsichtsratssitzung vom 12. Dezember einen wenig präzisen Eröffnungstermin: in der zweiten Hälfte des Jahres 2017. Vor einem Jahr noch legte Hartmut Mehdorn sein Beschleunigungsprogramm „Sprint“ vor, das alles zum Guten wenden sollte. Mit dabei der Unternehmensberater Roland Berger, der dafür monatlich 800.000 Euro kassiert. Mehdorn wird beim „Sprint“ nicht mit antreten. Am 15. Dezember kündigte er, unerwartet, seinen Rücktritt bis spätestens Juni an. Ihm passt es nicht, dass der Deal mit Berger auf Kritik stieß und gestoppt wurde. Außerdem hatte er nichts für einen geforderten unabhängigen Controller übrig. Ein nicht enden wollendes Debakel! Lässt sich dieser Sumpf jetzt endlich trockenlegen?

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