Bauwelt

Ein Staatspreis

Deutscher Architekturpreis 2013

Text: Geipel, Kaye, Berlin

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Foto: Roland Halbe

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Ein Staatspreis

Deutscher Architekturpreis 2013

Text: Geipel, Kaye, Berlin

Kommende Woche erhält das neue Ravensburger Kunstmuseum in Berlin den Deutschen Architekturpreis. Dieser ehrt die Architekten LRO für einen außergewöhnlichen Bau. Auch der Preis hat – nach Querelen um seine Trägerschaft und einem schwierigen Neuanfang vor zwei Jahren mit staatlicher Unterstützung – mit dieser Entscheidung eine Hürde übersprungen.
Kenneth Frampton, der vermutlich in mehr Jurys von großen Architekturpreisen beteiligt war als sonst jemand in der Welt, hat inzwischen seine Zweifel am Preiswesen: „Wettbewerbe sind wichtiger“. Aber auch der 83-jährige Chefkritiker macht noch Ausnahmen, wenn ihm ein Preis bedeutsam erscheint. Beim Pritzker, der weltweit renommiertesten Anerkennung, ist Frampton gerne dabei. Sein Enthusiasmus für die Vergabe 2012 an Wang Shu, Lu Wenyu und ihr Amateur Architecture Studio fiel so entschieden aus, dass er im Oktober ein großes Buch über die chinesischen Architekten herausbringen wird.
Wenn in der kommenden Woche in Berlin der Deutsche Architekturpreis 2013 verliehen wird, stellt sich die Frage, welche Bedeutung dieser Preis im deutschen Preisgefüge einnimmt. Seit 2011 kann sich der Deutsche Architekturpreis nach dem Diktum des zuständigen Ministers „Staatspreis“ nennen. Diese Bezeichnung hat seit 1968 ihre Tücken. Als damals im Nachbarland Österreich Thomas Bernhard einen „Kleinen Staatspreis“ für Literatur bekommen sollte, machte er sich in einer legendären Wutrede über die staatliche Einmischung Luft: „Herr Minister, es gibt nichts zu loben.“ 45 Jah­re sind vergangen, und inzwischen gibt es nicht nur in der österreichischen Literatur, sondern auch in der deutschen Architektur eine derartige Flut von Preisen, dass das staatliche Backing kaum noch anstößig erscheint. Im Gegenteil: Weil die Baukultur heute gern durch den Konsens aller gutwilligen Akteure gemessen wird – und damit einem gummiartigen Nivellierungszwang überlassen ist, der alles Gute nach unten zieht –, lässt sich umgekehrt argumentieren: Endlich ein Staatspreis! Dann aber muss dieser Preis unbestechlich und geradezu schmerzhaft in seiner Entschiedenheit sein. Nur so ist garantiert, dass er die prämierte Qualität – und das heißt die außergewöhnlichen Anstrengungen, ohne die sie nicht zu haben ist – auch über die nationalen Grenzen hinaus bekannt machen hilft. Vor zwei Jahren gelang dies mit dem Preis für David Chipperfields Neues Museum in Berlin. In über zehnjähriger Arbeit hat Chipperfield an diesem Bau gezeigt, wie lebendig die Charta von Venedig ist, wenn man sie ernst nimmt, und er hat mit diesem Bau mehr öffentliches Bewusstsein gegen verdrehte Rekonstruktionsideen geschaffen als jedes noch so prominent besetzte internationale Symposium.
In diesem Jahr geht der Preis in das schwäbische Ravensburg. Die Architekten Arno Lederer, Jórun Ragnarsdóttir und Marc Oei und ihr Büro LRO erhielten ihn für das dortige Kunstmuseum (Heft 14), das sie um die Expressionismus-Sammlung der Selinka-Stiftung herum gebaut haben. Dass auf Berlin in diesem Jahr Ravensburg folgt, ist ein Statement für geduldige Arbeit an der Stadt. Denn in dem Versuch, Bilbao nachzueifern, haben sich auch viele kleinere Städte in den zurückliegenden Jahren zu maßlosen Experimenten der kulturellen Selbstvermarktung verführen lassen, zu Flagschiffarchitektur, die keinen Superlativ auslassen wollte, wie etwa zu Zumthors Entwurf für ein dreibeiniges Stadttor in Isny aus 250.000 Glasbausteinen, das schließlich am Einspruch der Bewohner gescheitert ist. Die Architektur des Ravensburger Museums kommt ohne Superlativ aus (auch wenn es auch hier finanzielle Bedenken gab, ob die Stadt einen solchen Neubau überhaupt schultern soll). In der Altstadt entstand, quasi in Fortsetzung einer hier nicht vorhandenen Stadtmauer, ein erstaunliches Museum, das nicht einmal eine weithin sichtbare Fassade bietet – fotografieren lässt es sich eigentlich nur aus der Luft. Es sind nur wenige elementare Bilder, aus denen sich der Baukörper zusammensetzt: eine große, gestaffelte Ziegelwand, ein Tonnendach, das an Sigurd Lewerentz erinnert, und eine scharfe Ecke, die der Stadt an dieser Stelle Halt bietet. Dieser Körper wiederum umhüllt ein modernes Innengefüge aus drei gestapelten Ausstellungsschachteln, die so lange gerüttelt wurden, bis sie auf das schmale Grundstück passten.
Das Ravensburger Museum ist auch deshalb beispielhaft, weil es deutlich macht, worauf es bei solchen städtischen Kulturbauten vor allem ankommt: Es geht um die Erfindung von Öffentlichkeit, um Räume, die mehr bieten als ein bloßes Museum. In Ravensburg gelang dies durch einen kleinen Hof an der Stelle, an der eigentlich kein Platz ist und durch ein Erdgeschoss, das auch darum so schön ist, weil hier alle möglichen Nutzungen Platz finden können. Gerade das beherrschen die Stuttgarter Architekten wie nur wenige: plastische Übergänge zwischen Innen und Außen, zwischen Öffentlich und Privat entwerfen, die nicht der Transparenz einer gläsernen Haut überlassen werden.
Eines ist sicher: Ein Staatspreis funktioniert nicht qua Dekret, und mit einer schönen Zeremonie wird es nicht getan sein. Dieser Preis, den es seit 1971 gibt, und der ab 2000 ins Trudeln geraten war, muss langsam neu aufgebaut werden. Ein solcher Preis lebt von der Qualität von Positionen, die im Lauf der Jahre sichtbar werden. Und: Er wird auf Dauer nur dann zum Botschafter werden, wenn er nicht nur die repräsentativen Aushängeschilder zelebriert, sondern sich auch an die Brennpunkte baulicher Entwicklung traut. Die Botschaft von 2013 könnte kurz zusammengefasst so lauten: Weiterbauen in den kleinen Städten, Sechziger-Jahre-Problem erkannt (eine Auszeichnung erhielt Volker Staab für die Sanierung des C10 Hochhauses auf dem Darmstädter Hochschulcampus), beim Wohnungsbau mehr anstrengen! Denn das war die bittere Pille der diesjährigen Wahl: Außer einer Anerkennung, die an die Kölner Architekten BeL für das gelungene Experiment auf dem Gelände der Hamburger IBA vergeben wurde, und die zeigt, wie sich innovativer und bezahlbarer Wohnraum in der Stadt realisieren lässt, war in punkto städtischem Wohnungsbau zu wenig zu sehen. Warten wir ab, die nächste Runde findet 2015 statt.
Fakten
Architekten LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart;
aus Bauwelt 22.2013
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