Bauwelt

Der geplatzte Turm

Der SWR plant in Baden-Baden ein Medienzentrum. Den Wettbewerb dafür gewinnt nicht ein Hochhaus, wie erst geplant, sondern ein vielwinkliges Volumen, das ebenso viele Fragen aufwirft

Text: Herzog, Andres, Zürich

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    1. Preis Wurm + Wurm Architekten Ingenieure fächern das Gebäude auf und stellen es auf einen  flächigen Sockel
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    1. Preis Wurm + Wurm Architekten Ingenieure fächern das Gebäude auf und stellen es auf einen  flächigen Sockel

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    2. Preis JSWD Architekten konzentrieren das Medienzentrum in einem kubischen Volumen, das ein Atrium mit Licht durchflutet
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    3. Preis Rykart Architekten schlagen ein Hochhaus vor, das grazil aus dem Campus hervorragt
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    3. Preis Rykart Architekten schlagen ein Hochhaus vor, das grazil aus dem Campus hervorragt

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Der geplatzte Turm

Der SWR plant in Baden-Baden ein Medienzentrum. Den Wettbewerb dafür gewinnt nicht ein Hochhaus, wie erst geplant, sondern ein vielwinkliges Volumen, das ebenso viele Fragen aufwirft

Text: Herzog, Andres, Zürich

Geld regiert die Welt, beziehungsweise der Mangel daran. Der Südwestrundfunk SWR muss sparen und organisiert darum seinen Standort in Baden-Baden neu. Doch die Umbaupläne sorgen für Unmut, wie die Bauwelt 38.2015 berichtete. Was bisher geschah: Um kurzfristig Geld zu machen, veräußert der Sender fünf der 17 Hektaren seines Campus beim Fremersberg. Und zwar an einen Bieter, der „den höchsten Verkaufserlös ermöglicht“, wie es in der Auslobung hieß. Kuehn Malvezzi Architekten gewannen den Wettbewerb dafür mit dem Immobilienentwickler Epple Projekt, der 18 Millionen Euro hinblättert. Die Architekten entwarfen polygonale Punkthäuser, die sie über das Areal „Am Tannenhof“ verteilen. Wohnen sollen darin laut Epple Projekt „Paare über 50, Singles, Zweithaushalte ohne Kinder“, sprich: Menschen mit Geld. So viel zur gesellschaftlichen Verantwortung der öffentlich-rechtlichen Anstalt.
Mit den Einnahmen will der SWR ein 50 Millionen Euro teures Medienzentrum finanzieren, um sich für die crossmediale Zukunft zu rüsten. Die Situation ist jedoch denkbar schwierig. Der Neubau kommt auf dem Hubschrauberlandeplatz mitten auf dem Produktionsgelände zu liegen, das über die Jahrzehnte zu einem heterogenen Konglomerat angewachsen ist. Die Höhendifferenz zur Straße beträgt 15 Meter. Wegen der Hanglage fordert der strategische Entwicklungsplan Baden-Baden 2020 einen besonders sensiblen Umgang. Zudem liegt das Areal in der Pufferzone um das Kerngebiet für das UNESCO-Weltkulturerbe, für das sich Baden-Baden derzeit bewirbt.
Trotzdem wollte der Sender ein „Markenzeichen“ setzen. Die Machbarkeitsstudie zeigte einen 60 Meter hohen Turm, der am Hügel umso höher über der Stadt thronte. Es hagelte Kritik. Ein ehemaliger Bürgermeister sprach im „Badischen Tagblatt“ von „nachhaltigem und irreparablem Schade für das kostbare Stadtbild“, das in der Nachbarschaft von denkmalgeschützten Villen aus dem 19. Jahrhundert geprägt ist. Und der BDA hatte sich zu Recht einen Ideenwettbewerb für das ganze Areal gewünscht, statt Wohngebiet und Medienzentrum getrennt zu planen, was ein übergeordnetes Konzept verhindert.
Das niedrigste Gebäude gekürt
Das Ergebnis des Wettbewerbs, den das Büro Bäumle aus Darmstadt organisiert hat, zeigt nun: Der SWR hat ob der hitzigen Debatte kalte Füße bekommen. Die Jury entschied sich nämlich für das niedrigste Gebäude aller Eingaben der zweiten Phase, obwohl die Auslobung explizit auf baurechtliche Aspekte für „Hochhäuser mit nicht mehr als 60 Metern“ hinwies. Die Badener können aufatmen. Aber ist das niedrigste auch das Beste? Der Vergleich der drei prämierten Projekte beweist: wohl kaum. Dass ein Hochhaus den Maßstab sprengt, verdeutlichen fast alle Arbeiten der zweiten Phase. Der grazilste Turm stammt von Rykart Architekten, die dafür den dritten Preis bekamen. Die Jury rühmt die Proportionen, bemängelt aber die kleinen Grundrisse, die ein medienübergreifendes Arbeiten verhindern würden. Der schlanke Städtebau ist mit funktionalen Mängeln erkauft.
Doch es geht auch ohne Hochhaus. JSWD Architekten, die den zweiten Preis erhielten, entwerfen einen großen Kubus auf einem ausgedehnten Sockel, der die Topografie mit einer repräsentativen Treppe inszeniert. Die Jury schreibt voll des Lobes: „Der Baukörper fügt sich behutsam in die Umgebung ein und verfügt über eine hohe Zeichenhaftigkeit, ohne den Ort zu dominieren.“ Die Arbeitsplätze liegen um ein großzügiges Atrium, das Blicke in alle Richtungen ermöglicht – crosskommunikativ sozusagen. Sie sind „sehr flexibel gestaltbar“ und zweiseitig belichtet. Insgesamt schaffe das Haus eine „signifikante und einladende Adresse“, meint die Jury erfreut. Ein erster Preis also, würde man denken. Doch dann liest man den letzten Satz, der da lautet: „Aus betriebs- und brandschutztechnischer Sicht stellt die Atriumlösung eine technische Herausforderung dar, die zu Mehraufwendungen in Invest und Betrieb führen kann.“ Und man erinnert sich: Der SWR ist knapp bei Kasse. Und gute Architektur kostet.
Anders sieht es beim Siegerprojekt von Wurm + Wurm Architekten Ingenieure aus, welches die Jury für die „sehr gute Flächeneffizienz“ lobt. Dass der Entwurf unter der Hochhausgrenze liegt, fällt den Juroren wirtschaftlich ebenfalls positiv auf. Doch architektonisch ist das Projekt voller Fragezeichen. Die topografische Herausforderung ist nicht überzeugend gelöst und stattdessen mit allerlei Böschungen überbrückt. Das aufgefächerte Volumen biedert sich bei der kleinteiligen Nachbarschaft an, kann damit aber nicht über seinen wuchtigen Maßstab hinwegtäuschen. Schließlich hat das Volumen gerade mal ein Stockwerk weniger als der zweite Preis. Die vieleckigen Formen scheinen aus Kuehn Malvezzis Entwurf abgeleitet, was städtebaulich nicht einleuchtet. Ein Medienzentrum ist schließlich kein Wohnhaus. Zudem wirken die polygonalen Flächen konstruktiv und gestalterisch gezwängt, was auch die Jury hinterfragt.
Unter dem Strich mag sich das Projekt finanziell für den SWR rentieren, auch die UNESCO-Bewerbung wird es nicht tangieren. Trotzdem: Für das Stadtbild ist es kein Gewinn – Höhenentwicklung hin oder her.
Nicht offener, zweiphasiger Wettbewerb
1. Preis Wurm + Wurm Architekten Inge nieure, Bühl
2. Preis JSWD Architekten, Köln; mit Kiparlandschaftsarchitekten, Duisburg
3. Preis Rykart Architekten, Liebefeld (CH); mit W+S Landschaftsarchitekten, Solothurn (CH)
Anerkennung Struhk Architekten, Braunschweig; mit NSP Christoph Schonhoff Landschaftsarchitekten + Stadtplaner, Hannover
Anerkennung kadawittfeldarchitektur, Aachen; mit Greenbox Landschaftsarchitekten, Köln
Fachjury
Ivan Adami, Matthias Hein, Sigurd Henne, Marcus Hille, Wolfgang Wienk-Bogert, Peter Krebs, Ulrich Pantle, Wolfgang Riehle, Annette Rudolph-Cleff, Christine Wolf
Fakten
Architekten Wurm + Wurm Architekten Inge nieure, Bühl; JSWD Architekten, Köln; Kiparlandschaftsarchitekten, Duisburg; Rykart Architekten, Liebefeld (CH); W+S Landschaftsarchitekten, Solothurn (CH)
aus Bauwelt 15.2016
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