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„Wenn ich das Verfahren passend gestalte, hilft das der breiten Anerkennung einer Entscheidung, unabhängig vom Ergebnis“

Daniel Luchterhand im Gespräch mit Friederike Meyer

Text: Meyer, Friederike, Berlin

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Daniel Luchterhandt im Gespräch mit Jugendlichen über die Entwürfe für das Bildungshaus in Wolfsburg
Foto: Ansgar Wilkendorf

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Daniel Luchterhandt im Gespräch mit Jugendlichen über die Entwürfe für das Bildungshaus in Wolfsburg

Foto: Ansgar Wilkendorf


„Wenn ich das Verfahren passend gestalte, hilft das der breiten Anerkennung einer Entscheidung, unabhängig vom Ergebnis“

Daniel Luchterhand im Gespräch mit Friederike Meyer

Text: Meyer, Friederike, Berlin

Herr Luchterhandt, warum betreuen Sie Wettbewerbe?
Ich bin Stadtplaner. Ich halte es für eine zentrale Frage, wie Stadt entsteht und wer die Stadt mit Leben füllt, wie man die Menschen beteiligt, wie man eine Kultur der Stadtentwicklung betreibt. Der Wettbewerb gehört dazu. Deshalb planen wir im Büro auch selber und nehmen an Wettbewerben teil.
Ist der Einfluss des Wettbewerbsorganisators vielleicht sogar größer als der des Planers?
Gestalterisch sicherlich nicht. Aber als Wettbewerbsbetreuer können wir,  wenn wir früh eingebunden werden, auf Strukturen in Städtebau, Hochbau und Freiraumplanung Einfluss nehmen, indem wir die Bauherren an bestimmte Fragestellungen heranführen. Die Grundlagenermittlung ist eine wichtige Vorbereitung des Wettbewerbs. Wer vorher nicht klärt, was sich die Bauherren und Nutzer baulich-räumlich vorstellen können und was nicht, kann keine Auslobung schreiben. Wir begleiten ja Wettbewerbe nicht nur, wir erarbeiten vorher immer öfter mit Nutzern Bauherren das Raum- und Funktionsprogramm.
Wie gehen Sie da vor?
Wir fragen, was die Teilnehmer später auch fragen würden: Warum muss das denn so sein? Seid ihr euch da sicher? Muss das ein einzelnes Gebäude sein oder könnte man das nicht aufteilen? Je eher man uns einbindet, desto besser ist das für das Ergebnis. Oft auch dann, wenn die Bürger beteiligt werden sollen.
Wann ist es sinnvoll, die Bürger zu beteiligen?
Es gibt da keinen Königsweg. Manchmal reicht es aus, die Nachbarschaft einzubeziehen oder im Vorfeld des Wettbewerbs zu informieren, was man plant. Man kann eine Beteiligung im laufenden Prozess organisieren oder Vertreter von Interessensgruppen in den Prozess involvieren. Wichtig ist auch, wie man die Ergebnisse kommuniziert. Man muss vorher unbedingt über den Umfang von Beteiligung sprechen, das Vergaberecht lässt nicht alles zu.
Gibt es Situationen, bei denen Ihnen das Vergaberecht im Weg steht?
Wie man die Grenzen weit ausreizen kann – genau das ist die Herausforderung. Zum Beispiel die Anonymität von Wettbewerbsarbeiten sicherstellen und zugleich, noch vor der Jurysitzung, die Meinung der Öffentlichkeit einholen. Das haben wir beim Bildungshaus in Wolfsburg gemacht (Bauwelt 7.2015); das verlangt Kreativität, aufgeschlossene Auftraggeber, politischen Willen.
Was nicht immer vorhanden ist ...
Der Wettbewerb zum Bildungshaus in Wolfsburg, das muss man sagen, war finanziell und vom Zeitablauf her unglaublich aufwendig. Der Erfolg steht und fällt mit den Menschen, die sich baukulturell engagieren möchten. Dafür braucht man einen Kodex, eine Verfahrenskultur.
Warum lohnt sich Bürgerbeteiligung?
Wenn ich das Verfahren passend gestalte, hilft das der breiten Anerkennung einer Entscheidung, unabhängig vom Ergebnis. Es kann also sein, dass ich den gewählten Entwurf nicht überzeugend finde, aber ich akzeptiere ihn, weil der Auswahlprozess transparent war und ich mich beteiligen konnte. Der Wettbewerb selber dauert vielleicht länger, aber eine Stadt ist, noch bevor der erste Stein gesetzt ist, schon viel weiter in der Diskussion.
Wenn Laien und Funktionäre mitreden, verhindert dies oft mutige Entscheidungen. Liegt darin nicht eine große Gefahr für die Architektur?
Von Volksabstimmungen bei Wettbewerben halte ich nichts. Ich bin für transparente Verfahren, in denen die Beteiligten eine beratende Funktion haben und die Suche nach einem Architekten anschaulich gemacht wird. Der Beteiligungsprozess soll es ermöglichen auszuloten, welche Widerstände kommen können, auf die sich eine Jury einstellen kann. Aber die Entscheidungsgewalt muss beim Preisgericht bleiben, um auch zu unbequemen, mutigen Entscheidungen kommen zu können.
Viele diskutieren dann also über Pläne und Modelle. Die einzigen, die nicht mitreden können, sind die Verfasser. Ist ein kooperatives Verfahren, bei dem die Architekten der Jury bekannt sind, nicht die bessere Alternative?
Bei städtebaulichen Wettbewerben zum Beispiel, die ja häufig unter dem Schwellenwert liegen, ist ein kooperativer Wettbewerb für öffentliche Auslober möglich. Da finde ich einen Diskurs mit den Verfassern unerlässlich. Aber oberhalb des Schwellenwertes erlaubt die RPW, die auf alle öffentlichen Auslober zutrifft, keinen kooperativen Wettbewerb. Es geht ja um einen großen Auftrag, da darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Nase eine Rolle spielte. Die Anonymität der Teilnehmer ist eines der wichtigsten und wesentlichsten Kriterien des Wettbewerbs.  
Es passiert häufig, dass zwei 2. Preise vergeben werden und eine Überarbeitungsrunde folgt, die dann nicht mehr anonym ist.
Ich sehe das nicht als Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen, sondern eher als Ausdruck des Bedürfnisses, im Dialog mit den Planern das Ergebnis zu optimieren. Selbstverständlich ist es schöner, einen 1. Preis zu küren und diesen auch zu beauftragen. Ein nachgelagertes Verfahren bietet die Chance zu schauen, ob die Partner auch zusammen passen. Die Teilnehmer haben ja nur einmal zuvor, im Kolloquium, die Gelegenheit, sich mit Bauherren und Nutzern zu verständigen.
Ist ein Wettbewerbsverfahren also heute eher eine Partnersuche, als die Suche nach einer architektonischen Idee?
Nein, im Wettbewerb muss es weiterhin um die Suche nach der besten Lösung gehen. Er ist ein wichtiger Schritt, der Lösung näher zu kommen, aber man setzt nicht voraus, dass er schon das endgültige Ergebnis zeigt. Ich lege den Auftraggebern immer nahe, mutig zu sein und sich in der Auslobung darauf festzulegen, den 1. Preis zu beauftragen. Und ich plädiere für schlankere Leistungsbilder. Für eine Haltung, bei der man sagt: Die Details klären wir im Nachgang, mit dem, der uns ein Versprechen abgibt, dass man es mit ihm gut hinbekommt.
Das Interview führte Friederike Meyer am 29. Mai im büro luchterhandt in der Hamburger HafenCity
Daniel Luchterhandt Jahrgang 1972, arbeitete nach dem Studium der Raumplanung in Dortmund zunächst bei scheuvens + wachten und als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Harburg/HafenCity Universität. 2006 gründete er das büro luchterhandt in Hamburg. Heute arbeiten dort 15 Stadtplaner, Architekten und Landschaftsarchitekten und betreuen rund 15 Wettbewerbe sowie zahlreiche VOF-Verfahren im Jahr.  
Auswahl betreuter Wettbewerbe Bildungszentrum „Tor zur Welt“ , Energieberg Georgswerder, Zukunftsbild Georgswerder, alle in Hamburg; Philosphikum der Justus-Liebig-Universität in Gießen, Erweiterung am Bildungszentrum Elmschenhagen Kiel, HafenCity Hamburg, Baakenhafen; Bildungslandschaft „Altstadt Nord“ in Köln, Bildungshaus Wolfsburg, Grund- und Gesamtschule Helios in Köln

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