Bauwelt

Transformationsprozesse

Kunst und Kultur – Motoren der Stadt?

Text: Paul, Jochen, München

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Guggenheim-Areal, Bilbao
Foto: Archiv Manuel Cuadra

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Transformationsprozesse

Kunst und Kultur – Motoren der Stadt?

Text: Paul, Jochen, München

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Architektur­club“ ging es Ende Februar in Nürnberg um die Frage, was Kunst und Kultur zur Stadtentwicklung beitragen können.
Auf dem Podium im Neuen Museum Nürnberg: der Architekt Rainer Hascher, Nürnbergs Kulturreferentin Julia Lehner, Museumskurator Thomas Heyden und die bildende Künstlerin Meide Büdel.
Moderator Manuel Cuadra unterschied in seinem Eingangsstatement „Stadt“ in gewachsene Kulturstädte und in durch Industrialisierung, Krieg oder Wiederaufbau zerstörte Städte und relativierte den Anspruch, immer gleich „Motor“ sein zu wollen, wie es der Veranstaltungstitel nahelegt: Ein Auto bestehe ja noch aus weiteren Bauteilen. Dabei könnten Kunst und Kultur durchaus Motoren der Stadtentwicklung sein. Dafür aber bedürfe es einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Problemen des jeweiligen Ortes: Dann könnten Kunst und Kultur, wie so unterschiedliche Projekte wie die IBA Emscher Park als auch das Guggenheim Museum Bilbao belegten, entsprechende Transformationsprozesse anstoßen. Als reine „Brosche“ dagegen sei Bilbao nicht reproduzierbar.
Rainer Hascher stellte anschließend sein Stuttgarter Kunstmuseum vor: Der 1968 durch die Überdeckelung eines Verkehrsknotenpunktes im Zentrum der Stuttgarter Innenstadt entstandene „Kleine Schlossplatz“ war, nachdem sich die Verkehrsplanung als überholt erwiesen hatte, Gegenstand mehrerer städtebaulicher Wettbewerbe. Hascher Jehle nutzten die schwierige Ausgangslage, indem sie 80 Prozent der Ausstellungsflächen in den nicht mehr gebrauchten Tunnelröhren unterbrachten und den oberirdischen Glaskubus in das Ensemble altes Schloss, neues Schloss und Königsbau einfügten (Bauwelt 46.04).
Stadtreparatur muss also, um erfolgreich zu sein, eine dem jeweiligen Ort angemessene Sprache finden. Dafür, so Rainer Hascher, brauche es aber nicht nur gute Architekten, sondern auch mit kompetenten Fachleuten besetzte Bau- und Planungsämter, sonst werden behauptete Wirtschaftlichkeitskriterien im Zweifel über die Stadtverträglichkeit gestellt: In Stuttgart, so berichtete er, durfte die ECE die Glastonne ihrer „Königsbau Passagen“ gegen den Willen des Architekten nachträglich um zwei Geschosse aufstocken.
Für das Neue Museum Nürnberg nahm Thomas Heyden in Anspruch, dass es zur Umfeldverbesserung beigetragen habe – laut einer Umfrage finden 40 Prozent der Besucher die Architektur „das Beste am Haus“ –, und plädierte dafür, den Prozess fortzuschreiben: In Nürnbergs südlicher Altstadt gebe es noch viel Nachholbedarf. Dabei leiste gerade die häufig nur „soziokulturell“ wahrgenommene partizipative Kunst einen wichtigen Beitrag für die Identifikation der Bewohner mit ihrem Quartier – und damit für die Stadtentwicklung, so Meide Büdel.
Bevor sich die Diskussion dann (etwas zu) ausführlich den Problemen der Nürnberger Altstadt und ihrer fehlenden Vernetzung zu benachbarten Stadtvierteln widmete, brachte Rainer Hascher noch einen wichtigen Aspekt zur Sprache: Entscheidend für die Attraktivität einer Stadt bleibe ihre Durchmischung. In ihrem Fehlen sieht er einen der Hauptgründe für die Proteste gegen Stuttgart 21: Auf den freigeräumten Bahnflächen entstünden eben nicht die versprochenen lebenswerten Stadtquartiere; die Parzellen würden meistbietend an internationale Immobilienfonds verkauft, die darauf ausschließlich Büro-, Geschäfts- und Kaufhäuser errichten – eine erneute Zerstörung der Stadt. Dabei würde sich die Lebensqualität intakter Städte am Ende auch positiv auf die Interessen des Kapitals auswirken.
Offen blieb, warum die „Motoren“ Kunst und Kultur meist erst dann gefragt sind, wenn es darum geht, „umgekippte“ Stadtquartiere aufzuwerten – dabei wäre der Aufwand im Vorfeld dazu viel geringer. Immerhin brachte Julia Lehner am Ende der Diskussion die Sprache dann doch auf die riesigen Industriebrachen Nürnbergs – AEG, das Grundig- und das Quelle-Areal. Für ihre Entwicklung braucht die Stadt eine Idee, Durchsetzungsvermögen und einen langen Atem – mit Kunst und Kultur alleine wird sich ein „Bilbao-Effekt“ nicht einstellen.

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