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„Immer wieder Workshops: mit den Arbeitern, der Verwaltung, den Bürgern und der Presse“

Interview mit Carlos Arroyo

Text: Geipel, Kaye, Berlin

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Miguel de Guzmán

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Miguel de Guzmán


„Immer wieder Workshops: mit den Arbeitern, der Verwaltung, den Bürgern und der Presse“

Interview mit Carlos Arroyo

Text: Geipel, Kaye, Berlin

Carlos Arroyo, Architekt des Rathauses von Oostkamp, arbeitet seit 1997 im eigenen Büro in Madrid. In 2001 gewann er zusammen mit zwei Partnern den Europan 6 mit dem Beitrag für eine nachhaltige Wohnsiedlung in Toledo, die zurzeit realisiert wird. Als Gastprofessor lehrt er u.a. an der Universidad Europa de Madrid.
Wie konnten Sie, als weitgehend unbekannter Architekt aus Madrid, 2008 den Wettbe­werb für das Rathaus von Oostkamp gewinnen?

Es gibt in Belgien spezielle Wettbewerbe, mit denen die staatliche Verwaltung, in diesem Fall vertreten durch den sehr engagierten flämi­schen Reichsbaumeister, kleine kommunale Verwaltungen unterstützt. Ziel dieser Wettbe­werbe ist, mehr Qualität in den öffentlichen Planungsprozess zu bringen. Mein Recycling-Konzept hat die Jury dann wohl überzeugt.

Schon das Programm dieses Wettbewerbs für ein Rathaus und Bürgerzentrum war unge­wöhnlich. Die Wiedernutzung des ehemaligen, ar­chitektonisch schnöden Vertriebszentrums wurde gewünscht. Warum?

Die öffentliche Verwaltung der Gemeinde Oostkamp war von Anfang an sehr engagiert. Sie wollte Nachhaltigkeit, und sie wollte ein „open house concept“. Aber Sie wusste nicht, wie die dazu passende Architektur aussehen könnte.

Wie kam die Gemeinde zu der ehemaligen Vertriebshalle von Coca-Cola?


Coca-Cola hat die Logistik-Halle vor einigen Jahren verkauft, weil sie den Vertrieb direkt von der Fabrik weg organisieren wollte. Die Stadt hat zugegriffen – ein guter Deal, denn das Areal grenzt direkt an das Zentrum. Coca-Cola hat den Verkauf später bereut. Sie hatten nicht mit dem enormen Verkehr auf Belgiens Straßen gerechnet ...

Warum konnten Sie sich gegen die belgischen Konkurrenten durchsetzen?

Ich schlug im Grunde nur eine Methode vor, die ich zusammen mit den Leuten vor Ort weiterentwickeln wollte. Die existierende Halle sollte vollständig erhalten und doch etwas völlig Neues daraus entstehen. Die anderen Wettbewerber hatten alle fertige Vorstellungen, wie ein Rathaus auszusehen hat.

Die Erhaltung einer Logistikhalle wirkt doch auf den ersten Blick nicht besonders attraktiv?

Was ich von Anfang an vorgeschlagen hatte, war die Dachlandschaft aus riesigen weißen Halbkugeln, die den öffentlichen Bereich des Rathau­ses überspannen würde. Das hat die Leute neugierig gemacht.

Sie haben ein halbes Jahr mit den Beteiligten diskutiert um den Entwurf gemeinsam weiterzuentwickeln. Wie verlief dieser Prozess?

Zuerst mussten wir eine Firma finden, die in der Lage war, die Konstruktion der Bubbles um­zu­setzen. Unser Vorschlag war sehr billig, mehr als die Hälfte billiger als üblich. Aber die Ausführung war knifflig. Mit dem gesparten Geld ha­ben wir viele Extras des Programms umsetzen können, die sonst nicht drin gewesen wären. Der zweite Schritt war der gemeinsame Ent­wurfs­pro­zess. Über Monate hinweg haben wir jede Woche Workshops gemacht. Erst mit den Arbeitern, dann mit der Stadtverwaltung, dann mit den Bürgern. Nach jeder Runde haben wir „Topogramme“ gezeichnet – einfache Schemaskizzen, die auch für Laien gut lesbar sind. Diese wurden dann in der darauf folgenden Woche wieder infrage gestellt.

Wie tief ging dieser Prozess wirklich?

Wir haben wirklich alles auf den Prüfstand gestellt! Zuerst wollten wir von allen wissen, aus welchen Routinen ihre Arbeit besteht. Dann gingen wir in die Details. Wir haben zum Beispiel mit dem Reinigungspersonal diskutiert, wie es möglich wäre, den alten Betonboden zu erhalten und wie sie mit ihren Geräten in die Ecken der gläsernen Beratungsboxen kommen. Am Ende hatten wir sowohl von den Bürgern als auch von den politischen Parteien die Zustimmung.

Galt das auch für den transparenten Ratssaal?

Auch für ihn. Eines der Prinzipien des „open house concept“ war“, dass alle in diesem Haus durch die selben Türen gehen. Diese flache Hierarchie konnten wir umsetzen. Ich muss allerdings zugeben, dass in spanischen Kommunen die konservativen Parteien solche Prinzipien kaum unterstützen würden.
Fakten
Architekten Arroyo, Carlos, Madrid
aus Bauwelt 43.2012
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