Bauwelt

Güter für den Massenbedarf

Marianne Brandt und ihre Arbeit bei den Gothaer Ruppelwerken

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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Der Tischbesen mit Schaufel entstand, als Brandt die Entwurfs­abteilung „Metall- und Massengüter aus lackiertem Stahlblech“ der Ruppelwerke leitete.
Foto: Daniela Schleich

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Der Tischbesen mit Schaufel entstand, als Brandt die Entwurfs­abteilung „Metall- und Massengüter aus lackiertem Stahlblech“ der Ruppelwerke leitete.

Foto: Daniela Schleich


Güter für den Massenbedarf

Marianne Brandt und ihre Arbeit bei den Gothaer Ruppelwerken

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Marianne Brandt (1893–1983) gehört zu den bedeutendsten Metallgestalterinnen der Klassischen Moderne. Als Lehrling der Metallwerkstatt am Bauhaus schuf sie mit dem Tee-Extraktkännchen MT 49 bereits in ihrem ersten Studienjahr, 1924, eine Design-Ikone.
Die winzige Kanne gilt bis heute als konge­niale Verkörperung der Bauhaus-Maxime, sich beim Entwurf auf einige wenige Grundformen zu beschränken. Brandt liebte Kugeln und Kreise, man findet sie in ihrem gesamten Œuvre – auch bei der MT 49, einem halbkugelförmigen Gefäß mit halbkreisför­migem Griff und rundem Deckel.
Viele Teekännchen, Zuckerschalen, Sahnegießer und Aschenbecher, die während Brandts Ausbildung in Weimar und Dessau entstanden, sind Klassiker geworden, einige werden noch heute in Serie hergestellt. Eine kleine Ausstellung in der Villa Esche in Chemnitz widmet sich jetzt einer weniger bekannten Facette der aus Chemnitz stammenden Künstlerin: ihrer Tätigkeit als Leiterin der „Entwurfsabteilung Metall- und Massengüter in lackiertem Stahlblech“ der Ruppelwerke GmbH in Gotha von 1929 bis 1932. Die Firma produzierte damals vor allem Blechteile für die Autoindustrie, doch die Metall­warenfabrik wollte auch ihre Gebrauchsgüter-Sparte konkurrenzfähig machen. Für Brandt eine undankbare Aufgabe, wie sie später an Gropius schrieb: „das werk hatte eine ganze reihe kunden in england meist für ziemlich geschmacklose sachen.“ Doch es gelang ihr, die veraltete Produktpalette gestalterisch zu revolutionieren, indem sie die „scherzartikel“ nach und nach durch zweckmäßige Produkte für Büro und Esstisch sowie verschiedene Lampenmodelle ersetzte. Oft standen ihre früheren Ideen oder Entwürfe anderer Bauhaus-Künstler Pate.
Marianne Brandt war nicht nur die einzige Frau, die in der Metallwerkstatt ihr Bauhaus-Diplom machte – die anderen wurden meist in die „Frauenklasse“ genannte Weberei gedrängt –, sie gehörte dort auch zu den dominierenden Gestaltern. Viele der bekannten, in großer Stückzahl produzierten Bauhaus-Lampen hat sie entweder alleine oder mit Kollegen wie Hans Przyrembel (Deckenleuchte mit Zugvorrichtung) oder Hin Bredendieck („Kandem“-Leuchten) entworfen. Ab 1927 war sie auch für die Zusammenarbeit und Vertragsverhandlungen mit der Industrie zuständig. So konnte die Metallklasse regelmäßig stattliche Summen zur Finanzierung der Schule beisteuern.
Gut Gestaltetes für den kleinen Geldbeutel
Diese Erfahrung half Brandt, die Produkte der Ruppelwerke auf eine zeitgemäße Linie zu bringen. Bei einigen veränderte sie lediglich die Oberflächengestaltung, sie reduzierte die Farbpalette der Spritzlackierung auf fünf Farbtöne und kombinierte häufig schwarze mit vernickelten Elementen; florale Dekore wichen geometrischen Motiven. Für Griffe und Füßchen verwendete sie meist runde Formen: dicken, gebogenen „draht“ oder lackierte Holzkugeln. Zusätzlich entwarf sie eine Reihe neuer Produkte, überwiegend Schreibgarnituren und Tischgeräte.
In Chemnitz werden vor allem kleine Exponate gezeigt: Tischbesen-Schaufel-Sets, Kerzen- und Ser­viettenständer, Tee- und Zigarettendosen. Die historischen Stücke sind in der Ausstellung ergänzt mit aktuellen Alessi-Reproduktionen von Brandts Bauhaus-Modellen sowie mit Entwurfsskizzen, Zeichnungen, Fotografien und Schriftstücken aus dem Bestand des Sächsischen Industriemuseums. Im Gegensatz zu den meist aus edlen Materialien gefertigten Einzelstücken der Bauhaus-Jahre sind die von Anfang an auf Gebrauchstüchtigkeit und einen niedrigen Preis ausgelegten Serienprodukte der Ruppelwerke gänzlich unspektakulär. Doch Brandt erreichte mit ihnen eine deutlich größere Zielgruppe – auch Menschen mit kleinem Geldbeutel. Einige ihrer Gestaltungsprinzipien wurden selbst nach Brandts Ausscheiden aus der Firma bei späteren Entwicklungen – wie den bekannten Ruppel’schen „Tastlicht“-Tischleuchten – weitergeführt. 

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