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Fügsam

Studierendenhaus auf dem Campus Westend in Frankfurt am Main

Text: Kohler, Philipp, Frankfurt am Main

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1.Preis: hjp architekten
Rendering: Architekten

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Fügsam

Studierendenhaus auf dem Campus Westend in Frankfurt am Main

Text: Kohler, Philipp, Frankfurt am Main

Auf dem neuen Frankfurter Campus herrscht ein Gestaltungscodex. Ein Haus für die Studierenden hätte etwas anders werden dürfen. Wird es jetzt aber nicht.
Die Goethe-Universität in Frankfurt ist mächtig stolz auf ihren neuen Campus, den sie immer wieder den schönsten Europas nennt und der so weitläufig ist, dass man am besten ein Fahrrad nutzt, um das Gebäude zu wechseln. Nachdem die Europazentrale der amerikanischen Streitkräfte Poelzigs I.G.-Farben-Bau Anfang der 90er Jahre zur Nutzung freigab, bot sich der Universität die Chance, ihren zu klein gewordenen Gründungsstandort in Bockenheim zu verlassen und im Westend Platz für die heute 45.000 Studierenden zu schaffen. Der Kontrast zum alten Campus, in dem nur die Medizin, die Natur- und die Sportwissenschaften bleiben, ist deutlich. In Bockenheim die unansehnlich gewordenen, funktionalistischen Gebäude Ferdinand Kramers, im Westend an Achsen aufgereihte Neubauten mit Steinfassaden (Bauwelt 27–28.2009), die an aktuelle Verwaltungsgebäude in Berlin erinnern. Nun kommt noch ein Haus hinzu, das sich in der Nutzung von den bisherigen unterscheidet und formal von der Universität unabhängig ist: das Studierendenhaus, selbstverwalteter Sitz der Studierendenschaft und des Studierendenparlaments, des Cafés KOZ, des Kinos Pupille und ausgestattet mit frei nutzbaren Seminarräumen. Kurz: das politische, soziale und kulturelle Zentrum der Studierenden, das für „das Glück des unabhängigen Denkens und das Bedürfnis nach Freiheit steht“, wie es Max Horkheimer 1953 zur Eröffnung des alten Hauses formulierte. Eine Seite des Uni-Alltags, die von der Hochschulleitung zwar oft gepriesen wird, die sie in der Praxis aber auch vor Probleme stellt. Immer wieder kommt es zum Streit zwischen der Universität und den „frei denkenden“ Studierenden, wie 2012, als die Hochschule dem AStA die Mittel kürzte, weil der Ausschuss Rücklagen gebildet hatte, um beim neuen Studierendenhaus eine angemessene Ausstattung bezahlen zu können. Zwei der kalkulierten 15 Millionen Euro Baukosten tragen die Studierenden durch eine kleine Abgabe von ihren Semesterbeiträgen. Der Rest stammt vom Land Hessen.
Anpassung auch ohne strenge Vorgaben
Das Studierendenhaus soll am Ende einer Achse des Uni-Geländes, hinter einem Einfamilienhausgebiet, errichtet werden. Ursprünglich sah der städtebauliche Plan von Ferdinand Heide das Haus in der Mitte des Campus’ vor. Doch dort haben inzwischen die Kirchen Wohnheime errichtet. Der neue Standort liegt abseits des Geschehens, Konflikte mit den Anwohnern wegen der Lärmbelästigungen sind abzusehen. Die Entwürfe für das Haus ähneln sich derart, dass der Verdacht aufkommt, die Architekten seien durch Vorgaben zur Gleichförmigkeit gezwungen gewesen. In der Auslobung ist aber nur abstrakt von einem harmonischen „Sich-Einfügen“ in den Campus die Rede. Vielmehr sollte das Studierendenhaus sogar eine Eigenständigkeit aufweisen, die seiner besonderen Funktion „ein Gesicht“ verleihe. Anscheinend hat sich auf dem Campus jedoch eine Dynamik entwickelt, die auch ohne strenge Vorgaben zur Ein­heitlichkeit der Neubauten führt: Der Siegerentwurf von hjp architekten sieht unten aus wie der Bau für die Psychologie-, Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften (PEG), oben wie das Gebäude der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften (beide Müller Reimann Architekten) und in der Mitte wie das Hörsaalzentrum (Ferdinand Heide). Auf Seiten der Studierendenvertreter machte sich angesichts der Entwürfe Ernüchterung breit, auch weil der eher eigenständige Beitrag des Büros Stein Hemmes Wirtz in der Jurysitzung früh ausschied.
Giorgio Nasseh, ein Studierendenvertreter, formulierte nun Änderungswünsche an den Siegerentwurf: einen gut nutzbaren Hintereingang, um die Lärm­belästigung für die Anwohner zu reduzieren und im Erdgeschoss Oberflächen, die es vertragen, wenn sich auf ihnen mal jemand mit Edding oder Sprühdose verewigt. Auch wenn die Gestalt enttäuscht, kann mit dem Entwurf von hjp architekten ein funk­tional durchdachtes Gebäude entstehen, dass den Wünschen der Studierenden gerecht wird, und ihre Finanzen dank seines Energiekonzepts schont. Zu hoffen bleibt, dass die Anziehungskraft des Hauses groß genug ist, und es sich trotz der abgeschiedenen Lage bald mit Leben füllt.
Nichtoffener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren
1. Preis hjp architekten, Gießen
2. Preis Bez + Kock Architekten, Stuttgart
3. Preis bogevischs buero, München
4. Preis wulf architekten, Stuttgart
5. Preis pbr Planungsbüro Rohling, Braunschweig
Anerkennung Turkali Architekten, Frankfurt am Main
Sonderpreis des AStA hjp architekten, Gießen und Stein Hemmes Wirtz, Frankfurt am Main
Fakten
Architekten hjp architekten, Gießen; Bez + Kock Architekten, Stuttgart; bogevischs buero, München; wulf architekten, Stuttgart; pbr Planungsbüro Rohling, Braunschweig
aus Bauwelt 10.2014
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