Bauwelt

Fortbewegung, Statement, Therapie

Alles übers Rad im Wiener MAK

Text: Kasiske, Michael, Berlin

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Foto: Bernhard Angerer/© Embacher-Collection

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Fortbewegung, Statement, Therapie

Alles übers Rad im Wiener MAK

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Natürlich sei Fahrradfahren ein politisches Statement, stellt der Musiker David Byrne klar: „Es ist ein ‚Ihr könnt mich mal‘ an die großen Ölfirmen, die Kriege und die damit einhergehende Plünderung unseres Planeten.“
So global wie der Schotte, dessen Bicycle Diaries das Radeln in Städten reflektieren, versteht sich nicht jeder, der in die Pedale tritt – die meisten wollen wohl einfach ein Ziel erreichen. Auf welchen Zweirädern das möglich ist und wie das Umfeld passend gestaltet werden könnte, zeigt das Museum für angewandte Kunst (MAK) in Wien.
Im Mittelpunkt der Schau steht die Sammlung des Wiener Architekten Michael Embacher. Von den über zweihundert Fahrrädern, die er nach eigener Auskunft regelmäßig ausfährt, sind fünfzig im MAK zu sehen. Mit den in großen Kreisen von der Decke der Ausstellungshalle abgehängten Exponaten nimmt die Designgeschichte der letzten hundert Jahre Fahrt auf: vom Vialle Vélastic von 1925, dessen auskragende Sattelstange aus einer elastischen Blattfeder besteht, über das seit 1971 erhältliche Aluminium-leichte Bickerton Portable bis hin zum vollgefederten und klappbaren BMW Super-Tech von 1997.
Der Doyen der Maschinenästhetik in der Architektur, Reyner Banham, war vom Standard M1 des unlängst verstorbenen englischen Ingenieurs Alex Moulton entzückt: „Es ist so einfach, wie es radikal ist“, schrieb er 1960, „eben weil es etwas bietet, was konventionelle Fahrräder nie konnten: federn. Der Fahrer nimmt die klassische aufrechte Haltung ein, die sich für eine bessere Übersicht und einen effizienteren Einsatz der Beinmuskeln eignet.“ Mit ähnlichen konstruktiven Unzulänglichkeiten wie die Metastadt Ende der 70er Jahre versagte hingegen das zeitgleich konzipierte schwedische Itera: Vollständig aus Kunststoff, verwand es sich oder brach (je nach Temperatur), war schwer und wirkte so plump, dass es kaum nachgefragt wurde. Auch vom Zoombike von Richard Sapper gibt es nicht mehr als 60 Proto-typen, obwohl dieses Faltrad frappierend elegant detailliert ist. Man möchte es abhängen und sich da-mit auf die übrigens sehr fahrradfreundlich ausgebaute Ringstraße schwingen, die am Museum vorbeiführt.
Die Ausstellung „Tour du Monde. Fahrradgeschichten“ wird nicht von ungefähr in der österreichi- schen Hauptstadt ausgerichtet. 2013 ist das „RadJahr“, in dem die Stadt ihren Bürgern mit Informationen und Workshops die „Vorteile des Fahrrads als Fortbewegungsmittel näherbringen“ will. Auch richtete Wien in seinem Rathaus die internationale Velo-City-Konferenz „The Sound of Cycling – Urban Cycling Cultures“ aus. Darüber hinaus hatte die stadteigene Kreativagentur departure den Ideenwettbewerb „Cycling Affairs, Smarte Ideen für Rad & Stadt“ ausgeschrieben, mit Schwerpunkten wie Raum & Stadt, Stil & Kultur oder Offen & frei. Den ersten Preis erhielt das Konzept Wiener Rad WG, das die Nutzung temporär leerstehender Räume zum Abstellen oder für Radservice auf der Grundlage datenbasierter Kom- munikation vorschlägt. An einen mobilen Fahrradständer, der sich an Orten aufstellen lässt, an denen Stellplätze knapp sind, ging der zweite Preis. Wie der Komfort für Radfahrer ausgebaut werden kann, eint alle Ideen, seien es schützende Fahrradboxen, durch den Fahrtwind betriebene Beleuchtung oder eigens in U-Bahnwaggons eingerichtete Fahrradstellplätze.
Es gibt viel zu tun, die Lust am Radfahren umfassend zu kultivieren. In der einzigartigen Verbindung von Vorankommen und der unmittelbaren Verbundenheit mit der Umwelt liegt wohl auch die therapeutische Wirkung, die der Schöpfer von Sherlock Holmes, Sir Arthur Conan Doyle, dem Fahrrad zuschrieb: „Wenn du bedrückt bist und es scheinbar sinnlos ist, auf irgendetwas zu hoffen, dann steig aufs Rad und mach eine Tour, einfach die Straße runter, ohne an irgendetwas anderes zu denken als ans Fahren.“ Auf gehts!

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