Erdarbeiten
Ins Münchner Haus der Kunst ist Land Art eingezogen
Text: Meister-Klaiber, Dagmar, Ulm
-
Keith Arnatt: "Liverpool Beach Burial" (1968)
Silbergelatinedruck, 26 x 18 cm, Courtesy of the Keith Arnatt Estate and Maureen Paley, London
Keith Arnatt: "Liverpool Beach Burial" (1968)
Silbergelatinedruck, 26 x 18 cm, Courtesy of the Keith Arnatt Estate and Maureen Paley, London
-
Nancy Holt: "Mono Lake" (1968-2004). Im Sommer 1968 kämpfen sich die New Yorker Künstler Michael Heizer, Robert Smithson und Nancy Holt durch den Schotter am Ufer eines Salzsees in Kalifornien.
Super-8mm Film und Instamatische Dias, übertragen auf Video, Farbe, Ton, 20 min., Courtesy of Electronic Arts Intermix (EAI), New York
Nancy Holt: "Mono Lake" (1968-2004). Im Sommer 1968 kämpfen sich die New Yorker Künstler Michael Heizer, Robert Smithson und Nancy Holt durch den Schotter am Ufer eines Salzsees in Kalifornien.
Super-8mm Film und Instamatische Dias, übertragen auf Video, Farbe, Ton, 20 min., Courtesy of Electronic Arts Intermix (EAI), New York
-
Heinz Mack bei den Dreharbeiten zu "Tele-Mack" (1968) in der tunesischen Wüste, wo er u.a. mit Lichtstelen experimentierte.
16-mm Film, übertragen auf DVD, Farbe, Ton, 24.35 min, Produktion des Saarländischen Rundfunks, Courtesy Kunst und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
Heinz Mack bei den Dreharbeiten zu "Tele-Mack" (1968) in der tunesischen Wüste, wo er u.a. mit Lichtstelen experimentierte.
16-mm Film, übertragen auf DVD, Farbe, Ton, 24.35 min, Produktion des Saarländischen Rundfunks, Courtesy Kunst und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
-
Patricia Johanson: "Stephen Long" (1968), eine Installation der New Yorker Künstlerin entlang der stillgelegten Bahnlinie zwischen Boston und Maine
16mm film transferred to DVD (1968), Edited by Joanna Alexander, WNET-TV, New York (2011), 5 min., Museum of Modern Art Film Archive © Patricia Johanson
Patricia Johanson: "Stephen Long" (1968), eine Installation der New Yorker Künstlerin entlang der stillgelegten Bahnlinie zwischen Boston und Maine
16mm film transferred to DVD (1968), Edited by Joanna Alexander, WNET-TV, New York (2011), 5 min., Museum of Modern Art Film Archive © Patricia Johanson
-
Kristjan Gudmundsson: "Painting of the specific gravity of the planet Earth" (1972-73)
Acrylic on metal, 41 x 41.7 x 7 cm, 507.33 gr/91.760 mm3, Sólveig Magnúsdóttir, Reykjavik
Kristjan Gudmundsson: "Painting of the specific gravity of the planet Earth" (1972-73)
Acrylic on metal, 41 x 41.7 x 7 cm, 507.33 gr/91.760 mm3, Sólveig Magnúsdóttir, Reykjavik
-
Michael Snow: "La Région Centrale" (1971). Der kanadische Experimentalfilmer drehte fünf Tage in den Bergen im Norden Quebecs, die Kamera auf einer Art Drehroboter montiert.
16 mm film transferred to DVD (blackbox projection), 191 min.
Michael Snow: "La Région Centrale" (1971). Der kanadische Experimentalfilmer drehte fünf Tage in den Bergen im Norden Quebecs, die Kamera auf einer Art Drehroboter montiert.
16 mm film transferred to DVD (blackbox projection), 191 min.
-
Robert Kinmont: "8 Natural Handstands" (1969/2009)
9 silver gelatin prints, 21.5 x 21.5 cm, Image courtesy Alexander and Bonin, New York
Robert Kinmont: "8 Natural Handstands" (1969/2009)
9 silver gelatin prints, 21.5 x 21.5 cm, Image courtesy Alexander and Bonin, New York
-
Hrein Fridfinsson: "House Project" (1974), ein Haus auf einem unbewohnbaren Lavafeld in der Nähe von Reykjavik, innen aus Wellblech, außen tapeziert.
16 color photographs and two texts, Moderna Museet, Stockholm
Hrein Fridfinsson: "House Project" (1974), ein Haus auf einem unbewohnbaren Lavafeld in der Nähe von Reykjavik, innen aus Wellblech, außen tapeziert.
16 color photographs and two texts, Moderna Museet, Stockholm
-
Manche Werke existierten nur für den kurzen Moment der Performance und werden in Fotos und Filmen gezeigt, wie Charles Simonds: "Landscape <->Body<-> Dwelling" (1973) ...
Filmstill, 16 mm film transferred to DVD color and sound, 7 min., Collection of the artist © VG Bild-Kunst, Bonn 2012
Manche Werke existierten nur für den kurzen Moment der Performance und werden in Fotos und Filmen gezeigt, wie Charles Simonds: "Landscape <->Body<-> Dwelling" (1973) ...
Filmstill, 16 mm film transferred to DVD color and sound, 7 min., Collection of the artist © VG Bild-Kunst, Bonn 2012
-
... und Judy Chicagos "Immolation IV" aus der Serie "Women and Smoke" (1972).
© Judy Chicago, Flares, Performed with Faith Wilding in the California desert, Photo: courtesy of Through the Flower housed at the Penn State University Archives
... und Judy Chicagos "Immolation IV" aus der Serie "Women and Smoke" (1972).
© Judy Chicago, Flares, Performed with Faith Wilding in the California desert, Photo: courtesy of Through the Flower housed at the Penn State University Archives
-
Zorka Ságlová: "Hommage to Gustav Obermann" (1970). Mit Gasfeuern erinnnerte die tschechische Künstlerin an einen Schuster aus Humpolec, der gegen die deutsche Besatzung im zweiten Weltkrieg protestierte.
Sechs Silbergelatinedrucke, 40 × 60 cm, Sammlung Jan Sagl
Zorka Ságlová: "Hommage to Gustav Obermann" (1970). Mit Gasfeuern erinnnerte die tschechische Künstlerin an einen Schuster aus Humpolec, der gegen die deutsche Besatzung im zweiten Weltkrieg protestierte.
Sechs Silbergelatinedrucke, 40 × 60 cm, Sammlung Jan Sagl
-
Andere Arbeiten wurden eigens neu angelegt, wie Hans Haackes "Grass Grows" (1969/2012) und ...
Erde (Außenraumwiederherstellung), Sammlung des Künstlers, Courtesy Paula Cooper Gallery, New York
Andere Arbeiten wurden eigens neu angelegt, wie Hans Haackes "Grass Grows" (1969/2012) und ...
Erde (Außenraumwiederherstellung), Sammlung des Künstlers, Courtesy Paula Cooper Gallery, New York
-
... Joshua Neusteins "Road Piece" (1970/2012)
Zwei Reihen Dachpappe, 14 Heuballen, Ton; Größe: 600 x 600 cm, Courtesy of the artist
... Joshua Neusteins "Road Piece" (1970/2012)
Zwei Reihen Dachpappe, 14 Heuballen, Ton; Größe: 600 x 600 cm, Courtesy of the artist
-
Auch diese Arbeiten wurden für die Ausstellung (re-)produziert: Alice Aycocks "Clay #2" (1971/2012), ein mit Lehm befülltes Raster, dessen Erde dem kalifornischen Death Valley von Tag zu Tag mehr ähnelt, ....
121.92 x 121.92 x 15.24 cm, Installationsansicht, Foto: Maximilian Geuter
Auch diese Arbeiten wurden für die Ausstellung (re-)produziert: Alice Aycocks "Clay #2" (1971/2012), ein mit Lehm befülltes Raster, dessen Erde dem kalifornischen Death Valley von Tag zu Tag mehr ähnelt, ....
121.92 x 121.92 x 15.24 cm, Installationsansicht, Foto: Maximilian Geuter
-
... und Helen Mayer Harrison & Newton Harrison: "Hog Pasture: Survival Piece #1" (1970-71)
Maximilian Geuter
... und Helen Mayer Harrison & Newton Harrison: "Hog Pasture: Survival Piece #1" (1970-71)
Maximilian Geuter
-
Schwein Karlchen weidet im Haus der Kunst in einem hölzernen Container voller Erde.
Installationsansicht Haus der Kunst, Größe: 121,9 x 243,8 x 365,7 cm, Foto: Maximilian Geuter
Schwein Karlchen weidet im Haus der Kunst in einem hölzernen Container voller Erde.
Installationsansicht Haus der Kunst, Größe: 121,9 x 243,8 x 365,7 cm, Foto: Maximilian Geuter
-
Alice Aycock, Clay #2, 1971/2012
Foto: Dagmar Meister-Klaiber
Alice Aycock, Clay #2, 1971/2012
Foto: Dagmar Meister-Klaiber
Erdarbeiten
Ins Münchner Haus der Kunst ist Land Art eingezogen
Text: Meister-Klaiber, Dagmar, Ulm
Ein Erdhügel neben dem Eingang, mit spärlichem Grün durchsetzt, darüber ein Schild das Auskunft gibt, was sich hier tut: „Grass Grows“. Die Arbeit von Hans Haacke ist noch im Entstehen – und das einzige Werk der Ausstellung im Außenraum, dem angestammten Ort der Kunstgattung, um die es geht.
Land Art im Museum ist im Grunde ein Paradox. Nach klassischem Verständnis ist Land Art ein Eingriff in und an der Natur, der sich meist an Schauplätzen weitab üblicher Kunsträume, in den Wüsten dieser Welt, in die Landschaft eingraviert. Bagger, Erdbohrer oder Sprengstoff sind die Künstlerwerkzeuge, um großmaßstäblich Erde abzutragen, aufzuschütten oder Fels zu spalten; Handarbeit und Fußabdrücke die Hilfsmittel für Minimaleingriffe, um Trampelpfade, Bezugslinien oder Grundrisse in die Erde einzuschreiben. Nicht all diese Zeichen sind wie ein Tattoo für immer eingebrannt. Manche Eingriffe ha-ben die Künstler als Teil der Aktion gleich wieder beseitigt, bei anderen half die Natur nach. Zurück bleiben Spuren und Bruchstücke und mehr oder weniger fragmentarische Dokumentationen der Performances.
Weder die Originalaktion noch der atmosphärische Kern der Arbeiten lassen sich ins Museum transportieren. Dort können eigentlich nur die Fotos, Filme und Entwurfsskizzen der Spektakel präsentiert werden – was begrenzt attraktiv ist. Nicht zuletzt deshalb dürften sich Philipp Kaiser und Miwon Kwon, die diese vom Los Angeles Museum of Contemporary Art übernommene Schau kuratierten, für eine Weitung des Terminus Land Art entschieden haben. Die Neujustierung der Gattungsgrenzen unter dem Ausstellungstitel „End of the Earth. Land Art bis 1974“ gab ihnen die Möglichkeit, ein größeres Feld zu beackern; die nach der herkömmlichen Begriffsdefinition überschaubaren Land-Art-Beispiele ließen sich anreichern mit einer überbordenden Fülle künstlerischer Statements zum Thema Erde, die in den 50ern und 60ern in verschiedenen Kunstgattungen und Erdteilen zeitgleich virulent waren. Die Kuratoren haben Strömungen im Kontext von Land Art – Konzeptkunst, Minimal Art, Fluxus, Happening, Zero und Arte Povera – auf die Beschäftigung mit Erde im wörtlichen wie politischen Sinne abgeklopft und ihre Postulate unter dem Begriff „Earthworks“ subsumiert. Dabei kommt Überraschendes zutage.
Lange bevor der Amerikaner Michael Heizer 1969 zwei gigantische Einschnitte in die Wüste von Nevada sprengte, machte der Franzose Yves Klein, den man nicht ohne weiteres bei der Land Art verorten würde, den radikalen Vorschlag, die Oberfläche der Erde abzurasieren und die Täler mit Beton zu füllen. Und bereits 1955, lange vor Robert Smithsons aufgeschütteter Spirale im Großen Salzsee von Utah, betrachtete der Bildhauer und Bauhauslehrer Herbert Bayer die Landschaft selbst als zu gestaltendes Material und häufelte in den Bergen von Colorado seinen „Earth Mound“, einen Erdhügel, auf. Die Vorläufer der Land Art sind die eigentliche Entdeckung dieser Schau. Das geschickte Ausstellungskonzept, das die spröden Projektdokumentationen mit typischen Objekten von Yves Klein, Günter Uecker, Heinz Mack oder Franz Erhard Walther begleitet, macht erst auf die Arbeiten der Vertreter paralleler Bewegungen aufmerksam, die man so noch nicht kannte.
Wüstenboden im Haus der Kunst
Eine weitere Überraschung: Die üblichen Land-Art-Matadore sind nicht vertreten; nachdem der radikale Charakter ihrer Großraumprojekte im Museum ohnehin nicht vermittelbar ist, sind stattdessen Künstler zu sehen, die erdbezogene Arbeiten im museumskompatiblen Format geschaffen haben. Wie Haackes Grashügel vor dem Haus wurden einige „Earthworks“ aus den 60er Jahren im Ausstellungsraum rekonstruiert. So der mit Schmierfett und Industriemüll vermischte Erdhaufen „Dirt“ von Robert Morris, der die Urbanisierungsprozesse dieser Zeit thematisiert; oder Joshua Neusteins „Road Piece“, das mit Dachpappe, Heuballen und alles überlagerndem Verkehrslärm auf das Stadtwachstum auf Kosten der Natur hinweist. Herausragend: Alice Aycock, die mit „Clay#2“ kalifornischen Wüstenboden ins Museum holt, dafür einen gerasterten Holzrahmen mit Lehm füllt, der im Lauf der Zeit trocknet und Risse bekommt, bis er dem Wüstenboden des Death Valley ähnelt. Echte Grundrisse.
Auch wenn diese Schau kunsthistorische Kategorien einfach überspielt, die Differenzierung zwischen Land Art, autonomer Skulptur im Außenraum, Innenraum-Installation aus Naturmaterial und Landschaftsarchitektur aufhebt – mit ihrem Fokus auf eher unbekannte Werke ist sie eine verdienstvolle Kompilation wunderbarer Arbeiten.
0 Kommentare