Bauwelt

Alles auf Anfang?

Zentral- und Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld in Berlin

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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Alles auf Anfang?

Zentral- und Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld in Berlin

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Die Berliner werden am Tag der Europawahl Ende Mai auch per Volksentscheid über die Randbebauung des ehemaligen Flugfelds in Tempelhof abstimmen. Was bedeutet dies für die dort vorgesehene Zentral- und Landesbibliothek (ZLB)? Zwei Entwürfe erhielten den ersten Preis und sollen überarbeitet werden.
Seit dem 28. Januar steht fest, dass das Volksbegehren gegen die Bebauung des Flugfelds mit über 185.000 Stimmen erfolgreich war. Die Initiatoren von „100 Prozent Tempelhofer Feld“ fordern, das grüne Areal mit den zwei alten Landebahnen als offenes Freizeitgebiet so zu belassen, wie es ist und die vom Berliner Senat geplante Randbebauung – vor allem Wohnblocks in einem fragwürdigen städtebaulichen Konzept – nicht weiterzuverfolgen. Mit dem Volksentscheid verbindet sich die große Hoffnung, den Standort eines Berliner Großprojekts am ehemaligen Flughafen grundlegend neu diskutieren zu können. Wie man es auch dreht und wendet, das Projekt des Senats für den Bibliotheks-Neubau als Teil dieser geplanten Bebauung am westlichen Rand des Flugfelds bleibt unverständlich. Warum? Die Lage des Neubaus erklärt sich nur mit der zugegebenermaßen guten Anbindung an den S- und U-Bahnhof Tempelhof und die Stadtautobahn sowie als eine Art En­tree zur großen Freifläche vom Tempelhofer Damm her.
Sechs Wochen vor dem Volksbegehren wurde Mitte Dezember der zweistufige Wettbewerb für den Neubau der ZLB (fast) entschieden. Anfang letzten Jahres wurde die erste Phase als offener Ideenwettbewerb abgeschlossen. Acht Büros hatten sich damals qualifiziert (Bauwelt 19.2013). Dazu hatte der Aus­lober 32 weitere Büros nach einem EU-weiten Bewerbungsverfahren zur Teilnahme eingeladen. Jetzt vergab die Jury (Vorsitz wie in der ersten Phase Jórunn Ragnarsdóttir, Stuttgart) zwei erste Preise mit ganz unterschiedlichen Architektursprachen. Bei der Arbeit von MOA Architekten (Zürich) ist die Bi­bliothek eine feingliedrige Glaskiste, die an diesem Ort kaum eine Wirkung entfalten wird. Man könnte auch einen Bürobau vermuten. Der andere Entwurf von Kohlmayer Oberst Architekten (Stuttgart) ist architektonisch deutlich spannungsvoller. Sie schlagen eine 260 m langgespannte Betonkonstruktion vor, die in ihrer Handschrift an den brasilianischen Pritzker-Preisträger Paulo Mendes da Rocha erinnert. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher spricht bei dieser Arbeit von einem „großen Schiff“. Der Architektur kann man eine gewisse Eleganz nicht absprechen, doch wirkt ein solcher Bau ohne adäquate städtebauliche Einbindung verloren. Mehr noch, die mutige, kraftvolle, weit auskragende Konstruktion bestärkt eher meine Phantasie, was man mit einem kleinen Teil des alten Flughafengebäudes alles machen könnte! Auf der über 300 ha großen Freifläche des Flugfelds kommt man nicht umhin, den Blick wieder und wieder auf den gewaltigen Bau des Flughafengebäudes zu werfen, dessen westlicher Gebäudearm mit dem großen, 40 m weit auskragenden Dach fast bis zum Areal der geplanten Randbebauung am Tempelhofer Damm reicht. Ich kann immer noch nicht verstehen, warum es nicht möglich sein soll, in den riesigen Gebäudekomplex des Flughafens, der in Teilen vermietet ist, der Jahr für Jahr temporäre Nutzungen wie die Modemesse „Bread & Butter“ und deren gewaltige Installationen aufnimmt, der aber auch jede Menge Leerstand aufweist, diese Bibliothek zu integrieren. Damit würde es nicht nur gelingen, einen Teil des Altbaus, der für mich untrennbar zum Flugfeld gehört, mit Leben zu füllen (man rechnet mit ca. 5000 Besuchern täglich), zugleich würde auch die jetzige Abschottung zur Stadt an seiner Nordseite mit dem Platz der Luftbrücke oder zumindest zur U-Bahnhof Papestraße aufgelockert.
Was könnte diesem zu Berlin gehörenden, die Geschichte der Stadt im Dritten Reich und während der Luftbrücke unmittelbar dokumentierenden Baudenkmal Besseres passieren, als ihm auf 51.000 m² Nutzfläche die öffentliche Berliner Großbibliothek einzufügen? Sicher, bei diesem Koloss von Ernst Sagebiel ist es – angeblich auch wirtschaftlich – äußerst schwierig, neue Nutzungen zu planen. Doch gerade darin liegt der Reiz. Die Bauaufgabe birgt das Potenzial, mit einem intelligenten, erfinderischen Konzept in diesem Gehäuse etwas architektonisch und funktional Einzigartiges zu schaffen. Ich sehe mit einer entschiedenen Aktivierung des Flughafenge­bäudes durch eine öffentliche Nutzung den Beginn eines wichtigen Entwicklungsprozesses für das Weiterleben des Ganzen. Sicherlich würde die Denkmalpflege einen deutlichen Eingriff kritisch sehen, doch sie muss sich offen zeigen und kooperieren. Der Bau ist in seiner absolut einmaligen Gestalt dafür prädestiniert, zumindest in einem Teilbereich durch eine Einfügung neu erfahrbar zu werden.
Mit dem Erfolg beim Volksbegehren und der nun folgenden Abstimmung zur Randbebauung wird sich die Entscheidung, welcher der beiden Bibliotheks-Entwürfe nach einer Überarbeitungsphase ausgewählt werden wird, weiter verzögern. Alles scheint bei dem 270-Mio.-Euro-Projekt wieder offen zu sein. Die Ausstellung der Wettbewerbsentwürfe ZLB ist noch bis zum 28. Februar im Flughafengebäude, Transitgang A1 (Eingang über GAT-Bereich), Tempelhofer Damm 1–7, zu sehen.
Nicht offener Realisierungswettbewerb

1. Preis MOA – Miebach Oberholzer Architekten, Zürich
1. Preis Kohlmayer Oberst Architekten, Stuttgart

3. Preis Max Dudler, Berlin
4. Preis Wulf Architekten, Stuttgart
5. Preis Cruz y Ortiz Arquitectos, Sevilla

6 Anerkennungen
MARS Architekten + Uberbau, Berlin | Studio Motta-Stapenhorst, Bergamo | Thomas Kröger Architekt, Berlin | gmp International, Berlin | Bär Stadelmann Stöcker Architekten, Nürnberg | Ortner & Ortner Baukunst, Berlin
Fakten
Architekten MOA – Miebach Oberholzer Architekten, Zürich; Kohlmayer Oberst Architekten, Stuttgart; Max Dudler, Berlin; Wulf Architekten, Stuttgart; Cruz y Ortiz Arquitectos, Sevilla
aus Bauwelt 7.2014
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