Bauwelt

Afghanisches Nationalmuseum in Kabul

Paul Schröder und Rona Khpalwak über den Wettbewerb

Text: Meyer, Friederike, Berlin; Khpalwak, Rona, Darmstadt; Schröder, Pau, Darmstadt

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3. Preis: fs-architekten

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3. Preis: fs-architekten


Afghanisches Nationalmuseum in Kabul

Paul Schröder und Rona Khpalwak über den Wettbewerb

Text: Meyer, Friederike, Berlin; Khpalwak, Rona, Darmstadt; Schröder, Pau, Darmstadt

Die Einladung nach Kabul erreichte uns kurzfristig. Es ging um eine Pressekonferenz anlässlich der Entscheidung im Wettbewerb für das Afghanische Nationalmuseum und um eine Reise zu den Kulturschätzen des Landes, finanziert von der US-Botschaft. Diese, so wurde betont, werde selbstverständlich für unsere Sicherheit sorgen. Doch dann gab es Schwierigkeiten mit dem Termin. Wir haben stattdessen mit Paul Schröder, dem Inhaber von fs-architekten aus Darmstadt, und seiner Mitarbeiterin Rona Khpalwak gesprochen. Ihr Entwurf erhielt den 3. Preis.
Waren Sie zur Preisverleihung in Kabul?
Rona Khpalwak | Leider nicht. Obwohl ich sehr gern zu diesem Anlass nach Afghanistan gefahren wäre.
Warum haben Sie am Wettbewerb teilgenommen?
Paul Schröder | Ich war 1971 im Rahmen einer Weltreise mit einem Freund vier Wochen in Afghanistan und davon zwei Wochen in Kabul. Wir sind mit einem VW-Bus von Herat bis Kabul und über Bamyan bis nach Mazar-i-Sharif und Balch gereist. Dabei habe ich das Land, die Landschaft und die Afghanen kennen und lieben gelernt. Für mich war der Wettbewerb eine tolle Gelegenheit, nach über vierzig Jahren mit diesem wunderschönen Land wieder in Kontakt zu kommen. Außerdem arbeitet Rona bei mir, ein weiterer guter Grund.
Rona Khpalwak | Für mich war die Teilnahme am Wettbewerb eine Herzensangelegenheit. Ich bin in Ka­bul geboren und habe dort eine tolle Kindheit gehabt. Ich empfand es als wunderbare Gelegenheit, für meine nun ziemlich zerstörte Heimat etwas Sinnvolles zu planen. Das war schon immer mein Wunsch.
Kennen Sie das Grundstück? Auf dem Luftbild ist ja nicht viel zu sehen. 
PS | Das Grundstück liegt ca. 8 km vom Zentrum Kabuls entfernt. König Amanullah Khan wollte in diesem Gebiet ein neues Zentrum für Kabul entstehen lassen. Gegenüber vom Grundstück steht die Ruine des Dar-ul-Aman Palasts, der einst die Residenz des Königs war. Auf dem Wettbewerbsgrundstück befinden sich ein ehemaliges Verwaltungsgebäude des Palastes, das derzeit als Museum genutzt wird, und eine Gartenanlage.
Was wird dort ausgestellt?
PS | Die Sammlung umfasst wertvolle Stücke, die trotz zahlreicher Zerstörungen erhalten geblieben sind. Viele sind über zweitausend Jahre alt. Das heutige Gebiet von Afghanistan war Schauplatz unzähliger Auseinandersetzungen und Eroberungen. Balch im Norden Afghanistans, nahe Mazar-i Sharif, war eine Wiege der iranischen Zivilisation. Es wurde unter anderem von Alexander dem Großen erobert und in der Zeit 329/28 vor Christus von ihm als Hauptquartier genutzt. Außerdem verlief hier die „Seidenstraße“. So sind unter anderem persische, griechi­sche und buddhistische Kunstwerke erhalten.
RK | Vor kurzem ist ein weiteres Objekt in die Sammlung gekommen, und zwar der Stift, mit dem König Amanullah Khan 1919 die Unabhängigkeitserklärung von Großbritannien unterschrieben hat.
Welche Rolle spielt das Museum für Afghanistan?
PS | Es zeigt die reiche Kultur des Landes und steht für das Bewusstsein, eine Nation zu sein. Afghanis­-tan, das sind ja viele Völker, die erst vor gut hundert Jahren vereint wurden. Deshalb heißt das Motto
des Wettbewerbes auch „A nation stays alive, when it’s culture stays alive“.
RK | Afghanische Schätze haben einen enormen kulturhistorischen Wert. Viele gelten als vermisst, andere wurden glücklicherweise durch ehemalige Mitarbeiter des Museums in Sicherheit gebracht. Bei dem Museumsneubau geht es zum einen um eine würdige und sichere Aufbewahrung der Schätze und zum ande­-ren um das nationale Bewusstsein der Afghanen. Das Verwaltungsgebäude kann keineswegs dauerhaft
als Museum genutzt werden – schon wegen der mangelnden Sicherheit und aus klimatischen Gründen.
Sicherheit und Klima, waren das auch die Herausforderungen beim Entwurf?
PS | Beide Aspekte waren selbstverständliche Grundlage des Konzepts, aber uns ging es in erster Linie um eine Architektur, die sich aus dem Ort entwickelt. Zuerst dachten wir an ein kompaktes Gebäude in Form einer Rose, zu ihr haben die Afghanen einen starken Bezug. Aber dann haben wir das Thema der Berge aufgenommen. Kabul ist umringt von Bergen. Unseren Entwurf verstehen wir auch als hinterein­ander liegende Gebirgszüge mit Freiräumen dazwischen, die an Gassen oder an einen Basar erinnern. Es geht nicht nur darum, die Kunstschätze auszustellen und zu schützen. Die Afghanen sollen sich mit dem Gebäude identifizieren.
In Kabul herrscht ein ähnliches Klima wie in Deutschland, kalte Winter, etwas wärmere Sommer. Die Auslobung hat Nachhaltigkeitsprinzipien und die Verwendung von erneuerbaren Energien gefordert. Ist das überhaupt möglich in Afghanistan?
PS | Die Energieanforderungen, wie sie in Europa angewendet werden, kann man dort nur teilweise
umsetzen. Wir können Heizanlagen planen, die mit einheimischen Brennstoffen arbeiten, oder auf eine gute Dämmung der Wände achten. Mit unserem
Entwurf wollen wir dem ökologischen Aspekt durch ortsübliche Materialien und Handwerkstechniken Rechnung tragen; bei den verwendeten Tonsteinen und Ziegeln ebenso, wie bei den islamischen Or­namenten an den verglasten Außenflächen.
Wie hätte die Arbeit logistisch funktioniert? Nach Afghanistan steigt man nicht mal eben so ins Flugzeug.
PS | Für den Wettbewerb mussten wir die gesamte Organisation bis zur Fertigstellung beschreiben. Vor­aussetzung war die Zusammenarbeit mit einem Partnerbüro in Kabul. Wir hatten sechs Besuche vor Ort geplant.
Können Sie einschätzen, welche Rolle Wettbewerbe und Architekten im Land spielen?
RK | Es gibt viele Architekten, die gerne in Afghanis­tan und für Afghanistan planen würden, die auch das dazugehörige Afghanistanwissen haben. Internationale Wettbewerbe, wie der für das Nationalmuseum, ermöglichen ihnen, sich mit dem Land auseinandersetzen, und das verspricht gute Ergebnisse. Afghanistan braucht dringend Bildungsstätten, Kulturbauten und Krankenhäuser – und dafür braucht
es gute Architekten und Planer, die sich für den Aufbau des Landes interessieren.
Die US-Botschaft hat den Wettbewerb finanziert. Wie wahrscheinlich ist Ihrer Meinung nach die Umsetzung des Siegerentwurfs?
PS | Wir vermuten, dass der Bau von der US-Botschaft und damit von der amerikanischen Regierung unterstützt wird – was tendenziell eine gute Vor­aussetzung für die Realisierung ist.
RK | Freunde berichteten mir, dass im gesamten Dar-ul-Aman Gebiet innerhalb des letztes Jahres positive Veränderungen stattgefunden haben. Der Weg zum heutigen Museumsbau und dem umgebenden Areal ist begrünt, die Straßen sind gebaut, kompetentes Personal ermöglicht Führungen. All das lässt darauf hoffen, dass die Planung und die Realisierung eines neuen Nationalmuseums für Afghanistan ernst genommen werden.
Internationaler Wettbewerb
1. Preis AV62 Arquitectos, Barcelona | 2. Preis Mansilla+Tuñón Arquitectos, Madrid | 3. Preis fs-architekten, Darmstadt | Anerkennungen IAN+ architecture&engineering, Rom | Lawrence and Long Archi­tects, Dublin | Luisa Ferro, Architektin, Italien
Fakten
Architekten AV62 Arquitectos, Barcelona; Mansilla+Tuñón Arquitectos, Madrid; fs-architekten, Darmstadt
aus Bauwelt 43.2012
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