Bauwelt

Abrisspläne, Urheberrechte, Bürger­initiativen

Potsdam streitet über ein Hafengebäude am Lustgarten

Text: Grünzug, Matthias, Berlin

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Abb.: Diez Joppien

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Abb.: Winkens Architekten

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Abrisspläne, Urheberrechte, Bürger­initiativen

Potsdam streitet über ein Hafengebäude am Lustgarten

Text: Grünzug, Matthias, Berlin

Man muss etwas ausholen, will man über das Gezerre um einen Neubau für das Schifffahrtsunternehmen „Weiße Flotte“ am Potsdamer Lustgarten sprechen: Seit Jahren wird in der brandenburgischen Landeshauptstadt ein heftiger Streit um die Entwicklung der Innenstadt ausgetragen. Divergierende Ansprüche an die Stadt prallen dabei aufeinander.
Auf der einen Seite steht eine Reihe von Initiativen wie der Verein Potsdamer Stadtschloss, die Initiative „Mitteschön“ und die Stiftung Garnisonkirche Potsdam. Deren Ziel ist es, aus Potsdam eine möglichst schöne Stadt zu machen – worunter vor allem der Vorkriegszustand verstanden wird. Man engagiert sich sowohl für den Wiederaufbau verlorener Bauten als auch für den Abriss von Gebäuden aus der Nachkriegszeit: Fachhochschule, Stadt- und Landesbibliothek, Wohnblock am Staudenhof, Hochhaus des Hotel Mercure.
Auf der anderen Seite stehen Potsdamer, die von ihrer Stadt praktische Dinge wie sichere Ar-beitsplätze oder günstige Wohnungen erwarten. Sie kämpfen für den Erhalt der Nachkriegsbauten, weniger aus ästhetischen als aus pragmatischen Gründen: Wohnhäuser aus der DDR-Zeit bieten bezahlbare Wohnungen (in Potsdam Mangelware), die FH in der Innenstadt ist besser erreichbar als der Ersatzstandort auf dem Bornstedter Feld, das Mercure zählt zu den am besten ausgelasteten Hotels der Stadt. Diese berechtigten Argumente werden von einflussreichen Unterstützern der Gegenseite mit Geringschätzung kommentiert. So bezeichnete der Moderator Günther Jauch Wohnhäuser aus der Nachkriegszeit als „Notdurftarchitektur“, und der Modemacher Wolfgang Joop erklärte, gerne würde er zur Hochhäuser-Beseitigung Al Kaida engagieren. Und die „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ nennen die Abrissgegner „Kaputtlaberer“ und „Betonköpfe“. Diese Form der Debatte erschwert die Konsensfindung enorm.
So auch bei dem Projekt der Weißen Flotte, die sich seit 2005 um den Neubau eines Hafengebäudes mit Serviceangeboten, Gastronomie und Büroräumen bemüht. Nach langen Verhandlungen beschloss die Stadtverordnetenversammlung im September 2010, den Neubau als Anbau an das Hotel Mercure zu errichten. 2011 folgte ein Wettbewerb, den der Berliner Architekt Karl-Heinz Winkens gewann. Doch im April 2012 präsentierte die Stadtverwaltung einen recht abenteuerlichen Plan: Der in Potsdam ansässige IT-Unternehmer Hasso Plattner sollte das Hotelhochhaus kaufen, abreißen und an selber Stelle eine Kunsthalle errichten. Das geplante Hafengebäude stand diesen Plänen im Weg, sein Standort wurde kurzerhand an der Uferkante entlang ein Stück nach Süden verlagert – und damit direkt ans Neptunbecken im Lustgarten. Die Stadtverordnetenversammlung bestätigte diese Entscheidung im Januar. Auf Bürgerbeteiligung hat man bei dieser Hauruck-Aktion ebenso verzichtet wie auf die Konsultation des Büros Dietz Joppien, das den Lustgarten 2001 neu gestaltet hatte.
Alle Seiten fühlen sich verprellt. Plattner lehnte den Kauf des Hotels ab, weil er nicht in den baupolitischen Großkonflikt hineingezogen werden wollte. Die Weiße Flotte ist verärgert, weil sie keine Planungssicherheit hat. Das Büro Dietz Joppien betrachtet den Neubau im Lustgarten als Verstümmelung seiner Arbeit und droht mit einer Urheberrechtsklage. Weiterer Protest kommt von der im April gegründeten Bürgerinitiative „Rettet den Lustgarten“, die das Projekt als unzulässigen Eingriff in die historisch
gewachsene Stadtlandschaft ablehnt.
Aktuell gibt es Gespräche zwischen der Stadtverwaltung, den Architekten und der Weißen Flotte, um einen Ausweg zu finden. Und überraschenderweise könnte hier einmal die Versöhnung der verfeindeten Potsdamer Lager gelingen. Denn mittlerweile liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, dem im Grunde alle zustimmen können: die Rückkehr zum Beschluss von 2010, also zum Anbau an das Hotel. Sowohl die Weiße Flotte, die Architekten Dietz Joppien als auch die Bürgerinitiative „Rettet den Lustgarten“ wären damit einverstanden. Allerdings ziert sich die Stadtverwaltung. Sie hofft nach wie vor auf einen Abriss des Mercure und lehnt den Anbau an das Hotelhochhaus ab.
Fakten
Architekten Dietz Joppien, Frankfurt am Main; Winkens Architekten, Berlin
aus Bauwelt 31.2013
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