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26 Mal 18 Minuten

TEDxBerlin verhandelte die „Stadt 2.0“

Text: Schultz, Brigitte, Berlin

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Der Künstler David Fernández
Foto: Sebastian Gabsch

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TEDxBerlin verhandelte die „Stadt 2.0“

Text: Schultz, Brigitte, Berlin

Das Berliner ICC ist der perfekte Ort, um über die Stadt der Zukunft nachzudenken. Von der schieren Größe bis zur Lage an der achtspurigen Stadtautobahn – alles an dem 70er-Jahre-Kongresskoloss von Ursulina Schüler-Witte und Ralf Schüler erinnert an einstige Vorstellungen der idealen Stadt.
Und an den Wandel, dem solche Vorstellungen im Laufe der Zeit unterzogen sind. Die TEDx-Berlin-Konferenz, die sich in ihrem fünften Jahr der „Stadt 2.0“ widmete, war also gut aufgehoben im immer noch überwältigend futuristisch wirkenden Innern des ICC.
TEDx funktioniert wie das amerikanische Original TED, das seit den 80er Jahren führende Denker aus den Feldern „Technology“, „Entertainment“ und „Design“ dazu einlädt, ihre Ideen in 18-Minuten-Vorträgen zu präsentieren – unterhaltsam und allgemeinverständlich. Weltweit legendär wurde „die TED“, als die Veranstalter 2006 begannen, die besten Vorträge als Videos im Internet zu veröffentlichen. Über eine Milliarde Mal sind die sogenannten TED-Talks seither abgerufen und verbreitet worden. Das Geheimnis des Erfolgs liegt neben den hochkarätigen, frei gehaltenen Vorträgen (die Redner werden im Vorfeld mehrere Wochen bis Monate geschult) in dem anregenden Potpourri zu einem Oberthema.
Die „Stadt 2.0“ also. Präsentiert wurde eine ausgewogene Mischung aus Beobachtungen, Analysen und lösungsorientierten Ansätzen, von sozial engagiert bis technikorientiert. So berichtete der Architekt Mitchell Joachim über seine Versuche, das Stadtwachstum mit E.coli-Bakterien zu simulieren, von seinem Traum einer perfekten Planerpersönlichkeit (die für ihn aus unverhütetem Sex zwischen Bottom-Up-Ikone Jane Jakobs und Top-Down-„Diktator“ Robert Moses hervorgegangen wäre) und von seinem Projekt, Suburbs durch Häuser aus lebenden Bäumen ökologisch verträglich zu machen. Für solch gut gemeinte Ideen hatte der Schriftsteller David Owen wenig übrig. Und wer wollte seiner Feststellung widersprechen, dass die Menschheit bisher durch Zufälle erfolgreicher war als durch gezielte Aktionen. Dementsprechend rühmte er den Verkehrsinfarkt als umweltfreundliche Lösung und den Trabbi als „grünstes“ Auto der Welt – denn nur was nicht funktioniere, provoziere die Suche nach echten Alternativen.
Ob eine solche Alternative in der vertikalen Stadt liegt, die der Erfinder Zhang Yue derzeit in China baut, ist fragwürdig. Sein enthusiastisches Plädoyer für das auch im eigenen Land schwer umstrittene Bauwerk, das in einem Jahr das höchste der Welt sein soll, faszinierte dennoch durch dessen eigene Logik: Nutzungsmischung, Fußgängerfreundlichkeit und Energieeffizienz im China-Style. Ein­blicke in vertikale Städte der anderen Art lieferte die Schriftstellerin und Filmemacherin Line Hadsbjerg. Die in Südafrika aufgewachsene Dänin berichtete von weit über 1000 Bürogebäuden im Zentrum von Johannesburg, die sich nach der Stadtflucht vieler Firmen in düstere Indoor-Slums entwickelt haben, in denen rund 250.000 Menschen leben.
Angesichts solcher Missstände wirkten die Lösungen, die manch ein Vortragender über seine zutreffende Beobachtung hinaus anbot, wie der hilflose Griff nach dem nächstliegenden Strohhalm – sei es der Ruf nach einer „starken Führung“, um gute Projekte durchzusetzen (Architekt Kai-Uwe Bergmann), sei es der Aufruf zum nachbarschaftlichen Teilen von Ressourcen als Mittel gegen die Blasiertheit des Städters (Ghostwriterin Ariane Conrad), sei es die Hoffnung, das Erfolgsmodell Auto durch markanteres Design auf Fahrräder zu übertragen („Designphilosoph“ Jens Martin Skibsted). Von Gewinn war das interdisziplinäre Format trotzdem, bot es doch genau jene Inspiration, die schon lange niemand mehr von den üblichen Werk- oder Worthülsenvorträgen erwartet, die auf brancheninternen Kongressen allzu oft abgenickt werden. So war es wohl kein Zufall, dass der Musiker und Performer Reggie Watts Standing Ovations erhielt für seine von Ausbrüchen musikalischen Anarchismus unterbrochene Parodie eines Architekten-Vortrags. Ihm gebührte auch das Schlusswort des ersten Tages, das perfekt zum Tagungsort passte: „This is a very convincing simulation we are in, thanks to all the programmers.“

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