Projektreportage

Wohnhäuser Ahad Ha’am 140,
Tel Aviv

Das Sanierungsprojekt in der Achad Ha’am-Straße liegt in der „Weißen Stadt“, die von der UNESCO unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Ohne Parknot: Parkautomat schafft Platz

  • Autor: Ulrich J. Becker
  • Fotos: Noya Zeltzer, Quabbe + Tessmann

Tel Aviv boomt, und das schon seit Jahren. Ununterbrochen schießen neue Wohn- und Bürotürme aus dem Boden. Nur die Nachfrage wächst noch schneller. Wohnraum wird immer teurer und Autofahrer verzweifeln schon lange bei der Suche nach einem Parkplatz. Zur gleichen Zeit versucht die Stadtverwaltung, eine ehrgeizige Restaurierung der von der UNESCO unter Denkmalschutz gestellten „Weißen Stadt“ voranzubringen. Jetzt wurde bei einem kleinen „Bauhaus“-Sanierungsprojekt im Tel Aviver Zentrum aus der Not eine Tugend gemacht: Eine junge Architektin, ein einfallsreicher Bauherr und ein deutscher Parksystem-Hersteller schaffen es, alles unter einen Hut zu bringen: zentrales, erstklassig restauriertes Wohnen ohne Parknot.

Ein eigener Parkplatz in der Mittelmeermetropole ist Gold wert, oder genauer 100–200 Euro im Monat. Der tägliche Tel Aviver Kampf um den Abstellplatz (80.000 Parkplätze für 330.000 Autos) ist in Israel längst legendär.
Tel Aviver reagieren reflexartig auf das Klappern von Autoschlüsseln oder auf Passanten mit schweren Tüten: Zeichen bald frei werdender Parkplätze. Aber so suchte man gestern. Mittlerweile haben die Tel Aviver längst das Smartphone zur besten Waffe im Kampf um den Parkplatz gemacht. Eine ganze Reihe von Applikationen hilft bei der Parkplatzjagd. Das Ziel: zeitnah einen Parkplatz aufspüren, am besten noch, bevor er frei wird. Eins ist klar: Parken in Tel Aviv ist mehr als ein weiteres Detail des Alltags.

Das Gebäude im Bauhaus-Stil wurde nach strengen Denkmalvorschriften saniert und um zwei Geschosse erweitert.

Das Gebäude im Bauhaus-Stil wurde nach strengen Denkmalvorschriften saniert und um zwei Geschosse erweitert.

Das hat auch die Stadtverwaltung verstanden und versucht, an allen Enden das Parkchaos einzudämmen. So ist seit 2011 ein großer, kostenloser Parkplatz inklusive Shuttleservice vor den Toren der Stadt in Hochbetrieb. Dazu baut die Stadt neue Parkhäuser, plant Straßenbahnen, bevorzugt Anwohner beim Parken und vieles mehr. Aber auch das Ausschöpfen der bestehenden Möglichkeiten stößt an seine Grenzen, und die Parknot verbessert sich nicht wirklich.
Dabei ist Tel Aviv eine dünn besiedelte Stadt, ursprünglich als anti-urbane Gartenstadt geplant, mit eher kleinen, alleinstehenden Häusern inmitten von Grün, keine Blöcke, keine Straßenfassaden, kaum Mischnutzung. Tel Aviv wurde bald eine zerstreute Stadt, die das Auto zum Muss machte, aber im schnellen Wachstum keinen Platz dafür ließ.
Als sich zu Beginn der 90er Jahre die Innenstadt in die Randbezirke leerte, erarbeitete die Stadt eine Reihe von Plänen, die im Zentrum Renovierungs- und Erweiterungsarbeiten ankurbeln sollten, um das teilweise marode Stadtbild zu verbessern, die Weiße Stadt zu erhalten und qualitativen Wohnraum zu schaffen.
Häuser im Zentrum, die im frühen Internationalen Stil erbaut wurden und von Israelis als „Bauhaus“ betitelt werden, konnten ihre meist drei Stockwerke auf fünf erweitern, wenn sie bestimmte Auflagen erfüllten. Eine davon war, jeder neuen Wohnung einen Parkplatz auf dem Grundstück zur Verfügung zu stellen.

„Parken in Tel Aviv ist mehr als ein weiteres Detail des Alltags.”

Das Projekt in der Achad Ha’am-Straße liegt im Zentrum der Weißen Stadt. Die Geschichte des Hauses steht stellvertretend für die dortige Bebauung: In den 30er Jahren im „Bauhaus“-Stil errichtet, erfuhr die Architektur eine kurze Blüte, dann den zunehmenden Verfall der Bausubstanz, hinzu kamen diverse Anbauten sowie immer mehr Parkplätze vor der Eingangsfassade. 1994 wurde das Haus in den Renovierungsplan der Stadt integriert und wuchs um zwei Stockwerke, die jahrelang als unfertiger Rohbau stehen blieben. 2007 übernahm die junge Architektin Tami Elinav das Projekt. Sie hatte Erfahrung in denkmalgerechter Restauration alter Tel Aviver „Bauhäuser“, rekonstruierte nach halb verblichenen Photos, verwendete Details der Architekten aus den 30er Jahren und fügte der Architektur angemessene neue Fassaden und Stockwerke hinzu. 2008 war die Restauration des Hauses nach strengen Denkmalvorschriften fertiggestellt. Beide Treppenhäuser wurden mit einem modernen Aufzug versehen. Der Bauherr und Eigentümer hatte es zunächst vorgezogen, die gesetzliche Strafe für das Nichthinzufügen von Parkplätzen zu zahlen. Er unterschätzte die Dominanz des Parkplatzes in Tel Aviv: Ohne Stellplätze konnten die neuen Wohnungen in bester Lage nicht verkauft werden.

Lagelan

Lagelan

Es begann die Suche nach möglichen Parklösungen. Das Grundstück hat an den Seiten einen drei Meter breiten Streifen zwischen Gebäude und Grundstücksgrenze. Die größte freie Fläche, ein fünf Meter breiter Streifen hinter dem Haus, hätte maximal drei Parkplätze zu gelassen und auch das nur über eine zu eng dimensionierte Zufahrt. Das Team kannte Parksysteme von Wöhr, kam aber mit den bestehenden Systemen nicht zum gewünschten Ergebnis. So entstand mit diesem Projekt das neue Parksystem „Slimparker 557“. Der von der Straßenseite abgewandte Seitenstreifen zwischen dem Gebäude und der Grundstücksgrenze zu den Nachbarhäusern durfte nicht überbaut, aber unterkellert werden. Das neue Parksystem mit einer im Boden versenkbaren Ein-/Ausparkstation ist im ungenutzten Zustand nicht sichtbar. Zum Einparken wird diese Station aus dem Boden angehoben. Das Auto wird eingeparkt. Der Nutzer steigt aus und lässt sein Auto per Knopfdruck im Boden verschwinden. Darunter wird die Parkpalette mit dem geparkten Auto vom Vertikallift aufgenommen und in Längsrichtung in eine der 4 übereinander angeordneten Regalebenen geparkt. Zum Ausparken wird der richtige Stellplatz mit Hilfe eines Transponder- Chips ausgeparkt. So konnten 15 Stellplätze unterhalb des schmalen Seitenstreifens des Gebäudes geschaffen werden. Weil die enge Zufahrt zurück zur Straße nur in Vorwärtsrichtung zugelassen wurde, lassen sich die Autos mit einer in der Grundstücksecke angeordneten Drehplatte auf kleiner Fläche in die gewünschte Richtung drehen.

Tami Elinav

Tami Elinav

Eine der Herausforderungen beim Planen von Bauerweiterungen ist es, ein angemessenes architektonisches Statement abzugeben, ohne das Bestehende zu entwerten. Im Idealfall sollte ein Anbau bereichern, aber mit einem gewissen Twist. Bei dieser Renovierung mussten wir zum einen das ganze Haus studieren, zum anderen versuchen, den halbfertigen, massiven Aufbau aus den 90ern abzuschwächen, der viele Jahre leer stand und heruntergekommen war. Wir entschieden uns gegen die Fortsetzung des postmodernen Rohbaus und für eine andere Entwurfslösung, nachdem wir historisches Material über den ursprünglichen Architekten Rappaport gesammelt und Möglichkeiten der Rekonstruktion von Originaldetails entdeckt hatten. Stattdessen reduzierten wir die Fensterfronten und versahen die großen Vitrinen mit originalgetreuen Profilen. Großes Gewicht legten wir auf ein sorgfältig geplantes Erdgeschoss und das Gartendesign einschließlich der Reproduktion von Originalmaterialien und einer Pflanzenpalette aus den 30er Jahren. Ohne das Parksystem wären diese hochwertigen Lösungen nicht möglich gewesen. Tami Elinav , Tel Aviv

Je tiefer die Architektin in die Recherche eintauchte, desto deutlicher wurde, dass sie das „fehlende Puzzleteil“ gefunden hatte und somit das erste Projekt seiner Art in Israel realisieren konnte.
Auch die Stadt zeigte sich dem Projekt gegenüber sehr aufgeschlossen und erlaubte es, unterirdisch bis an die Grundstücksgrenzen zu bauen, zwei kleine Dachwohnungen hinzuzufügen und für die Zufahrt zum Hof einen Fahrstuhl zu verkleinern. Durch den Parklift konnte der Bauherr nicht nur die Wohnungen verkaufen, sich Strafzahlungen wegen fehlender Parkplätze ersparen und Bauerleichterungen erwirken, sondern auch dieses Tel Aviver Bauhaus als einen Prototyp in der Weißen Stadt realisieren, dessen Erdgeschoss frei von Asphalt und Autos ist. „Wir konnten den Vorgarten erhalten und damit auch ein Mikro-Klima und die Sickerflächen, die in Tel Aviv wegen der Parkplätze immer mehr verschwinden“, sagt Matanja Sack, deren Büro Sack and Reicher eine Dachwohnung mit moderner Formsprache und Details gestaltete. Zusammen mit dem Landschaftsarchitekt David Moria-Sekely plante sie den grünen Außenbereich.

Voll automatisch wird das Fahrzeug beim Slimparker vertikal in die schmale unterirdische Garage herabgelassen und eingeparkt.

Voll automatisch wird das Fahrzeug beim Slimparker vertikal in die schmale unterirdische Garage herabgelassen und eingeparkt.

Eine kleine technologische Parklösung ist es, die das Potenzial hat, ganz Tel Aviv zu verändern. Sie nimmt die Autos zwar nicht von der Straße, aber wenigstens vom Parkplatz, und ermöglicht so anspruchsvollen Denkmalschutz und ein einladendes Erdgeschoss. Und gerade im modern geplanten Tel Aviv, wo fast jedes Haus einen ungenutzten Seitenstreifen hat, der oft 40 Prozent des Grundstücks beansprucht, ist der Parklift das perfekt ergänzende Modul.
„Ich werde ständig danach gefragt“, sagt Tami Eilnav über die Auswirkungen der Premiere-Parklösung ihres Projekts. „Etliche Projekte sehen hier einen neuen Horizont.“

Um die schmale Kurve von nur drei Metern hinter dem Haus zu bewältigen, wird das Auto auf einer Drehscheibe um die Ecke geschwenkt.

Um die schmale Kurve von nur drei Metern hinter dem Haus zu bewältigen, wird das Auto auf einer Drehscheibe um die Ecke geschwenkt.

Das Parksystem Slimparker 557

Das Parksystem Slimparker 557

Das Parksystem Slimparker 557

Das Parksystem Slimparker 557

Das Parksystem Slimparker 557

Das Parksystem Slimparker 557

Architekten

Tami Elinav - Architecture and Urban Planning

Tami Elinav schloss ihr Architekturstudium 1995 mit Auszeichnung an der Technion-Universität in Haifa ab. Sie nahm sich Zeit und sammelte Erfahrung, bevor sie 2008 ihr eigenes Büro eröffnete, das sich vor allem auf die Umsetzung von schwierigen und festgefahrenen Tel Aviver Projekten spezialisiert hat. Dabei begleitet sie die Projekte in allen Planungsphasen und versteht sich besonders auf Restaurierungsarbeiten in der Weißen Stadt. Zur Zeit arbeitet die Architektin an 11 Projekten, die dem hier beschriebenen ähnlich sind. Darüber hinaus befasst sie sich mit Stadtplanung und ist in Planungskomitees der Stadt Tel Aviv vertreten.

Projekte (Auswahl)

2017 Sanierung und Umnutzung Nahlat Binyamin 8, Tel Aviv
2016 Sanierung und Erweiterung Shenkin 28, Tel Aviv
2015 Sanierung und Erweiterung Fierberg 13, Tel Aviv
2009 Sanierung und Innenraumgestaltung Gotleib 12, Tel Aviv

Produktinformationen

Wöhr Slimparker 557 für 15 Stellplätze, Drehscheibe 505
Informationen

BAUWELT.DE