Ohne Parknot: Parkautomat schafft Platz
- Autor: Ulrich J. Becker
- Fotos: Noya Zeltzer, Quabbe + Tessmann
Tel Aviv boomt, und das schon seit Jahren. Ununterbrochen schießen neue Wohn- und Bürotürme aus dem Boden. Nur die Nachfrage wächst noch schneller. Wohnraum wird immer teurer und Autofahrer verzweifeln schon lange bei der Suche nach einem Parkplatz. Zur gleichen Zeit versucht die Stadtverwaltung, eine ehrgeizige Restaurierung der von der UNESCO unter Denkmalschutz gestellten „Weißen Stadt“ voranzubringen. Jetzt wurde bei einem kleinen „Bauhaus“-Sanierungsprojekt im Tel Aviver Zentrum aus der Not eine Tugend gemacht: Eine junge Architektin, ein einfallsreicher Bauherr und ein deutscher Parksystem-Hersteller schaffen es, alles unter einen Hut zu bringen: zentrales, erstklassig restauriertes Wohnen ohne Parknot.
Ein eigener Parkplatz in der Mittelmeermetropole ist Gold
wert, oder genauer 100–200 Euro im Monat. Der tägliche Tel
Aviver Kampf um den Abstellplatz (80.000 Parkplätze für
330.000 Autos) ist in Israel längst legendär.
Tel Aviver reagieren reflexartig auf das Klappern von Autoschlüsseln
oder auf Passanten mit schweren Tüten: Zeichen
bald frei werdender Parkplätze. Aber so suchte man gestern.
Mittlerweile haben die Tel Aviver längst das Smartphone zur
besten Waffe im Kampf um den Parkplatz gemacht. Eine
ganze Reihe von Applikationen hilft bei der Parkplatzjagd.
Das Ziel: zeitnah einen Parkplatz aufspüren, am besten noch,
bevor er frei wird. Eins ist klar: Parken in Tel Aviv ist mehr als
ein weiteres Detail des Alltags.
Das Gebäude im Bauhaus-Stil wurde nach strengen Denkmalvorschriften saniert und um zwei Geschosse erweitert.
Das hat auch die Stadtverwaltung verstanden und versucht,
an allen Enden das Parkchaos einzudämmen. So ist seit 2011
ein großer, kostenloser Parkplatz inklusive Shuttleservice
vor den Toren der Stadt in Hochbetrieb. Dazu baut die Stadt
neue Parkhäuser, plant Straßenbahnen, bevorzugt Anwohner
beim Parken und vieles mehr. Aber auch das Ausschöpfen der
bestehenden Möglichkeiten stößt an seine Grenzen, und die
Parknot verbessert sich nicht wirklich.
Dabei ist Tel Aviv eine dünn besiedelte Stadt, ursprünglich
als anti-urbane Gartenstadt geplant, mit eher kleinen, alleinstehenden
Häusern inmitten von Grün, keine Blöcke, keine
Straßenfassaden, kaum Mischnutzung. Tel Aviv wurde bald
eine zerstreute Stadt, die das Auto zum Muss machte, aber im
schnellen Wachstum keinen Platz dafür ließ.
Als sich zu Beginn der 90er Jahre die Innenstadt in die Randbezirke
leerte, erarbeitete die Stadt eine Reihe von Plänen,
die im Zentrum Renovierungs- und Erweiterungsarbeiten
ankurbeln sollten, um das teilweise marode Stadtbild zu
verbessern, die Weiße Stadt zu erhalten und qualitativen
Wohnraum zu schaffen.
Häuser im Zentrum, die im frühen Internationalen Stil erbaut
wurden und von Israelis als „Bauhaus“ betitelt werden,
konnten ihre meist drei Stockwerke auf fünf erweitern, wenn
sie bestimmte Auflagen erfüllten. Eine davon war, jeder neuen
Wohnung einen Parkplatz auf dem Grundstück zur Verfügung
zu stellen.
„Parken in Tel Aviv ist mehr als ein weiteres Detail des Alltags.”
Das Projekt in der Achad Ha’am-Straße liegt im Zentrum der Weißen Stadt. Die Geschichte des Hauses steht stellvertretend für die dortige Bebauung: In den 30er Jahren im „Bauhaus“-Stil errichtet, erfuhr die Architektur eine kurze Blüte, dann den zunehmenden Verfall der Bausubstanz, hinzu kamen diverse Anbauten sowie immer mehr Parkplätze vor der Eingangsfassade. 1994 wurde das Haus in den Renovierungsplan der Stadt integriert und wuchs um zwei Stockwerke, die jahrelang als unfertiger Rohbau stehen blieben. 2007 übernahm die junge Architektin Tami Elinav das Projekt. Sie hatte Erfahrung in denkmalgerechter Restauration alter Tel Aviver „Bauhäuser“, rekonstruierte nach halb verblichenen Photos, verwendete Details der Architekten aus den 30er Jahren und fügte der Architektur angemessene neue Fassaden und Stockwerke hinzu. 2008 war die Restauration des Hauses nach strengen Denkmalvorschriften fertiggestellt. Beide Treppenhäuser wurden mit einem modernen Aufzug versehen. Der Bauherr und Eigentümer hatte es zunächst vorgezogen, die gesetzliche Strafe für das Nichthinzufügen von Parkplätzen zu zahlen. Er unterschätzte die Dominanz des Parkplatzes in Tel Aviv: Ohne Stellplätze konnten die neuen Wohnungen in bester Lage nicht verkauft werden.
Lagelan
Es begann die Suche nach möglichen Parklösungen. Das Grundstück hat an den Seiten einen drei Meter breiten Streifen zwischen Gebäude und Grundstücksgrenze. Die größte freie Fläche, ein fünf Meter breiter Streifen hinter dem Haus, hätte maximal drei Parkplätze zu gelassen und auch das nur über eine zu eng dimensionierte Zufahrt. Das Team kannte Parksysteme von Wöhr, kam aber mit den bestehenden Systemen nicht zum gewünschten Ergebnis. So entstand mit diesem Projekt das neue Parksystem „Slimparker 557“. Der von der Straßenseite abgewandte Seitenstreifen zwischen dem Gebäude und der Grundstücksgrenze zu den Nachbarhäusern durfte nicht überbaut, aber unterkellert werden. Das neue Parksystem mit einer im Boden versenkbaren Ein-/Ausparkstation ist im ungenutzten Zustand nicht sichtbar. Zum Einparken wird diese Station aus dem Boden angehoben. Das Auto wird eingeparkt. Der Nutzer steigt aus und lässt sein Auto per Knopfdruck im Boden verschwinden. Darunter wird die Parkpalette mit dem geparkten Auto vom Vertikallift aufgenommen und in Längsrichtung in eine der 4 übereinander angeordneten Regalebenen geparkt. Zum Ausparken wird der richtige Stellplatz mit Hilfe eines Transponder- Chips ausgeparkt. So konnten 15 Stellplätze unterhalb des schmalen Seitenstreifens des Gebäudes geschaffen werden. Weil die enge Zufahrt zurück zur Straße nur in Vorwärtsrichtung zugelassen wurde, lassen sich die Autos mit einer in der Grundstücksecke angeordneten Drehplatte auf kleiner Fläche in die gewünschte Richtung drehen.
Tami Elinav
Eine der Herausforderungen beim Planen von Bauerweiterungen ist es, ein angemessenes architektonisches Statement abzugeben, ohne das Bestehende zu entwerten. Im Idealfall sollte ein Anbau bereichern, aber mit einem gewissen Twist. Bei dieser Renovierung mussten wir zum einen das ganze Haus studieren, zum anderen versuchen, den halbfertigen, massiven Aufbau aus den 90ern abzuschwächen, der viele Jahre leer stand und heruntergekommen war. Wir entschieden uns gegen die Fortsetzung des postmodernen Rohbaus und für eine andere Entwurfslösung, nachdem wir historisches Material über den ursprünglichen Architekten Rappaport gesammelt und Möglichkeiten der Rekonstruktion von Originaldetails entdeckt hatten. Stattdessen reduzierten wir die Fensterfronten und versahen die großen Vitrinen mit originalgetreuen Profilen. Großes Gewicht legten wir auf ein sorgfältig geplantes Erdgeschoss und das Gartendesign einschließlich der Reproduktion von Originalmaterialien und einer Pflanzenpalette aus den 30er Jahren. Ohne das Parksystem wären diese hochwertigen Lösungen nicht möglich gewesen. Tami Elinav , Tel Aviv
Je tiefer die Architektin in die Recherche eintauchte, desto
deutlicher wurde, dass sie das „fehlende Puzzleteil“ gefunden
hatte und somit das erste Projekt seiner Art in Israel realisieren
konnte.
Auch die Stadt zeigte sich dem Projekt gegenüber sehr aufgeschlossen
und erlaubte es, unterirdisch bis an die Grundstücksgrenzen
zu bauen, zwei kleine Dachwohnungen hinzuzufügen
und für die Zufahrt zum Hof einen Fahrstuhl zu
verkleinern. Durch den Parklift konnte der Bauherr nicht nur
die Wohnungen verkaufen, sich Strafzahlungen wegen fehlender
Parkplätze ersparen und Bauerleichterungen erwirken,
sondern auch dieses Tel Aviver Bauhaus als einen Prototyp in
der Weißen Stadt realisieren, dessen Erdgeschoss frei von
Asphalt und Autos ist. „Wir konnten den Vorgarten erhalten
und damit auch ein Mikro-Klima und die Sickerflächen, die
in Tel Aviv wegen der Parkplätze immer mehr verschwinden“,
sagt Matanja Sack, deren Büro Sack and Reicher eine Dachwohnung
mit moderner Formsprache und Details gestaltete.
Zusammen mit dem Landschaftsarchitekt David Moria-Sekely
plante sie den grünen Außenbereich.
Voll automatisch wird das Fahrzeug beim Slimparker vertikal in die schmale unterirdische Garage herabgelassen und eingeparkt.
Eine kleine technologische Parklösung ist es, die das Potenzial
hat, ganz Tel Aviv zu verändern. Sie nimmt die Autos zwar
nicht von der Straße, aber wenigstens vom Parkplatz, und
ermöglicht so anspruchsvollen Denkmalschutz und ein einladendes
Erdgeschoss. Und gerade im modern geplanten Tel
Aviv, wo fast jedes Haus einen ungenutzten Seitenstreifen
hat, der oft 40 Prozent des Grundstücks beansprucht, ist der
Parklift das perfekt ergänzende Modul.
„Ich werde ständig danach gefragt“, sagt Tami Eilnav über die
Auswirkungen der Premiere-Parklösung ihres Projekts. „Etliche
Projekte sehen hier einen neuen Horizont.“
Um die schmale Kurve von nur drei Metern hinter dem Haus zu bewältigen, wird das Auto auf einer Drehscheibe um die Ecke geschwenkt.
Das Parksystem Slimparker 557
Das Parksystem Slimparker 557
Das Parksystem Slimparker 557