Bauwelt

Wachstum = Chance?

Am 22. März hat der Bundesrat das Wachstumschancen­gesetz verabschiedet. Was bedeutet dies für die Wohnungsbaukrise und die Baukonjunktur, was für Architektur und Städtebau?

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

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Auszug aus dem „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investi­tio­­-nen und Innovation sowie
Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachs­tums­chancengesetz)“

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Auszug aus dem „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investi­tio­­-nen und Innovation sowie
Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachs­tums­chancengesetz)“


Wachstum = Chance?

Am 22. März hat der Bundesrat das Wachstumschancen­gesetz verabschiedet. Was bedeutet dies für die Wohnungsbaukrise und die Baukonjunktur, was für Architektur und Städtebau?

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

Es gibt nicht vieles, woran eine Gesellschaft auseinanderbrechen kann. Vielleicht daran, ob man sich Bildung für seine Kinder leisten kann oder nicht, ob man Arbeit hat oder nicht oder ob man im Alter arm sein wird, trotz jahrzehntelanger Arbeit, oder eben nicht. Vielleicht noch an einem Gesundheitssystem, in dem manche benachteiligt sind und andere nicht. All das betrifft aber immer nur Teile der Gesellschaft. Für Menschen mit Kindern ist das Bildungsthema relevant, und Erkrankte benötigen eine bezahlbare Gesundheitsversorgung. Aber was wirklich alle in unserer Gesellschaft brauchen, ist auf jeden Fall: angemessener Wohnraum. Angemessen heißt dabei nicht nur bezahlbar. Das gewählte Domizil sollte auch am richtigen Ort stehen. Was hilft es denn dem Pfleger oder der Polizistin, wenn sie 30 Kilometer entfernt von ihrer Arbeitsstätte wohnen und tagein, tagaus pendeln müssen? Homeoffice ist schließlich für solche Berufe keine Option.
Folgerichtig ist es also, dass auf den Wohnungsbau ein besonderes politisches Augenmerk über die parteipolitischen Grenzen hinweg gelegt wird. Wobei die Abstimmung über das Wachstumschancengesetz im Bundestag im Februar zuvor diese Einigkeit nicht wirklich erkennen ließ, denn 376 Abgeordnete stimmten für das Gesetz, 267 allerdings dagegen. Was wurde beschlossen? Und wie wirken sich die Maßnahmen unmittelbar auf die Wohnungsbaukrise und mittelbar auf Architektur und Städtebau aus?
Einen besonderen Impuls wird die neue degressive AfA, Absetzung für Abnutzung, vulgo Abschreibung, geben. Für nicht selbstgenutzte Wohngebäude, deren Baubeginn zwischen dem 30. September 2023 und dem 1. Oktober 2029 liegt, beträgt diese AfA nun fünf Prozent. Was bedeutet das für eine Investition, beispielsweise in Höhe von 400.000 Euro? Im ersten Jahr werden von den 400.000 Euro mit der degressiven AfA 20.000 Euro, also fünf Prozent, steuerlich abgeschrieben. Im zweiten Jahr sind dann 19.000 Euro abschreibungsfähig, fünf Prozent von nun noch 380.000 Euro Restwert. Und so geht es noch fünf Jahre weiter. Innerhalb von sechs Jahren nach Fertigstellung oder Erwerb der Immobilie könnten so rund 106.000 Euro steuerlich geltend gemacht werden, so dass auf diesen Betrag keine Steuern zu entrichten sind. Das funktioniert selbstverständlich nur, wenn Investoren auch bereit sind, Kapital für den Wohnungsbau aufzubringen. Noch sind diese zurückhaltend, es besteht nach wie vor Un­sicherheit bezüglich der Zinsentwicklung und Unsicherheit über die geplanten politischen Rahmenbedingungen.
Zu lange schon und an viel zu vielen Stellen werden immer wieder dieselben Maßnahmen diskutiert, sei es die Vereinfachung des Regelwerks, sei es der Gebäudetyp E, sei es das „einfache Bauen“. Grundtenor dieser politischen Absichtserklärungen ist stets, dass das Bauen zu teuer sei und wir Standards, die nicht die Sicherheit betreffen, reduzieren müssen. Beispielsweise die Schallschutzmaßnahmen oder die energetischen Anforderungen. Dabei dürfen wir gerade bei den energetischen Anforderungen nicht hinter unsere bereits erreichten Ziele zurückfallen. Ganz im Gegenteil: Wir müssen bei der Errichtung und erst recht im Betrieb alles tun, um CO2-Emissionen zu reduzieren. Häuser, die wir heute bauen, werden mit ihrem Lebenszyklus weit in eine Zeit hineinreichen, in der fossile Energieträger nicht mehr zur Versorgung genutzt werden. Deswegen müssen wir uns heute fragen, wie wir dafür bauen müssen. Zusätzlich müssen wir uns fragen, wer in diesen Wohnungen wohnen wird und wo diese Menschen wohnen wollen. In großen Städten sind es vermutlich noch mehr Singlehaushalte, aber ist das effizient genug? Brauchen wir nicht vielmehr neue Angebote, die unterschiedlichen Bedürfnissen in unterschiedlichen Lebensphasen gerecht werden?
Das alles macht den Bau von Wohnungen nicht billiger, aber preiswerter. Denn unser Wissen über Bauphysik, Bautechnik und Baumaterial auf der einen Seite und Demografie, Architektur und Städtebau auf der anderen Seite ist heute so groß, dass wir in der Lage sind, einen wirklich dauerhaften Gebäudebestand zu erzeugen, der künftigen Generationen nicht auf die Füße fallen wird. Anders als in den 1950er-, 60er- oder den 90er- Jahren haben wir die Möglichkeit, alles, was wir bauen, für einen im Prinzip unendlichen Lebenszyklus zu errichten – so wie dies bei praktisch jedem Bauwerk war, das vor der Industrialisierung gebaut wurde. Kein Baumeister oder Zimmermann aus jener Zeit konnte sich auch nur vorstellen, dass sein Werk außer durch Krieg oder eine andere Katastrophe zunichte gemacht werden würde. Gebaut wurde damals für die Ewigkeit. Das muss unser Anspruch für die Zukunft sein.

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