Bauwelt

Die modern-romantische Bauhausfamilie

Eine Ausstellung widmet sich den Feiningers, einer Familie voller eigensinniger Künstler

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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Andreas Feininger tanzt mit einer Frau (Gret Palucca?) auf dem Dach des Meisterhauses Feininger.
Foto: T. Lux Feininger, 1927/ 1928 © Stiftung Bauhaus Dessau (I 46054/1-2)

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Andreas Feininger tanzt mit einer Frau (Gret Palucca?) auf dem Dach des Meisterhauses Feininger.

Foto: T. Lux Feininger, 1927/ 1928 © Stiftung Bauhaus Dessau (I 46054/1-2)


Die modern-romantische Bauhausfamilie

Eine Ausstellung widmet sich den Feiningers, einer Familie voller eigensinniger Künstler

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Feininger: Natürlich denkt man bei dem Namen an Lyonel Feininger (1871–1956), US-Amerikaner mit deutschen Wurzeln, Bauhauslehrer der ersten Stunde, und wenn man so will, der letzte, der im Sommer 1933 aus dem Dienst schied, indem er das von ihm und seiner Familie bis dahin bewohnte Meisterhaus in Dessau aufgab. Der als kompliziert und zurückhaltend geltende, auf die künstlerische Individualität und Autonomie pochende Hausherr war aber auch das Oberhaupt einer kreativen Familie, wie eine kleine Ausstellung in eben jenem Meisterhaus derzeit vor Augen führt. Feininger war Vater von fünf Kindern: Er hatte zwei Töchter aus der ersten Ehe mit der Pianistin Clara Fürst und drei Söhne aus der zweiten Ehe mit der Künstlerin Julia Berg, geborene Lilienfeld.
Die drei Söhne wuchsen im wahrsten Sinne des Wortes im Bauhaus auf, erst in Weimar, dann in Dessau. Der älteste, Andreas Feininger (1906–1999) absolvierte bis 1925 eine Tischlerlehre mit Gesellenbrief am Weimarer Bauhaus, gefolgt von einem Architekturstudium an zwei lokalen Baugewerkeschulen, da am Bauhaus erst 1927 unter Hannes Meyer ein Architekturstudiengang eingerichtet wurde. Er entwarf 1925 die Küchen- und Esszimmermöbel für das neue Dessauer Fami­liendomizil, unterstrich mit handwerklicher Wärme und dezenter Farbigkeit die bürgerlich konventionelle Ausrichtung des Feininger’schen Haushalts. Seine Berufung fand Andreas Feininger in der Fotografie, nach der Emigration 1939 in die USA verfasste er unzählige maßstabsetzende Fotoreportagen für amerikanische Magazine und mehrere Fachbücher. Mutter Julia Feininger (1880–1970) stellte nach anfänglichen Erfolgen ihre eigene künstlerische Tätigkeit zugunsten der Familie zurück, blieb aber der Bauhausbühne Dessau mit Marionetten und Figuren verbunden.
Der Zweitgeborene Laurence Feininger (1909–1976) schwankte lange Zeit zwischen den bildenden Künsten, der Architektur und der Musik. Er konvertierte 1934 zum Katholizismus, erforschte in Italien dessen liturgische Musik, komponierte eigene Werke und transkribierte die Fugenkompositionen seines Vaters. Der jüngste, Theodore Lux Feininger (1910–2011), kurz T. Lux, steht im Mittelpunkt der Dessauer Ausstellung, denn dieses künstlerische Multitalent wurde zwischen 1926 und 1933 der Chronist seiner Familie wie auch des Bauhausgeschehens. Als 16-Jähriger belegte er den Vorkurs, ging anschließend in die Bühnenwerkstatt unter Oskar Schlemmer, entwarf Szenenbilder und schuf abstrahierte Masken, inspiriert durch die Tradition des japanischen Nô-Theaters. Er lernte Banjo und Klarinette für die Bauhauskapelle, deren rhythmisch „orgiastisches Delir“ ihn faszinierte, eine „Maschinenpoesie in Humanform“. Er fotografierte (und skizzierte) rund um die Uhr, interpretierte die klare Bauhausarchitektur als Bühne für das „tägliche Schauspiel des Daseins“. Ikonen sind seine Fotografien der Weberinnen um Gunta Stölzl auf der Bauhaustreppe oder die extreme Untersicht eines Balkons mit Figuren der Bühne, die 1938 den Katalog der Bauhaus-Retrospektive im New Yorker MoMA zierte. Er emigrierte 1936 in die USA, die Eltern folgten 1937.
Mit seinem Vater verband T. Lux die Leidenschaft für das Meer und die Faszination für Segelschiffe und andere ältere Technik. Sie schlug sich im gemeinsamen Bau von seetüchtigen Modellschiffen nieder, aber auch in Holzfiguren, Eisenbahnen und pittoresken Häuschen, die sich zu einem ganzen Spielzeugkosmos, der „Stadt am Ende der Welt“, zusammenfügten. Solch etwas rückwärtsgewandte, den Fantasien Raum eröffnende Sicht auf die Welt bildete den Gegenpol zur alltäglichen Dominanz des Rationalen, suchte eine mystische Dimension, das ganzheitliche Verständnis und überzeitlich Gültige. Sie verleiht dem Schaffend der Feiningers eine sehnsuchtsvolle Aura der „Verlorengegangenheit“, die T. Lux, nach 1930 nun vorrangig in der Malerei tätig, konsequent weiterverfolgte. Seine farbenfrohen, teils abenteuerlich anmutenden Bilder von Schiffen, Häfen, exotischer Vegetation und vielen Menschen sind nie realen Szenerien nachempfunden, sind keine Marinebilder sondern gemäß Künstler, „Seelenzustände“. Sukzessive emanzipieren sie sich von den menschenleeren kristallinen Farb-, Linien- und Perspektivexperimenten, in die Lyonel Feininger entsprechende Motive überführte. Mit dem Namen Theodore Lux, den er später mitunter wählte, trat er aus dem Schatten des Vaters. Die Ausstellung in Dessau ist der Auftakt einer größeren Würdigung des komplexen Werks T. Lux Feiningers, die auch seine Inspirationen durch die Literatur, etwa von Joseph Conrad oder Naturphilosophen wie Ralph Waldo Emerson im Sinne einer modernen Romantik reflektieren wird.

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