Bauwelt

Fritz Eller zum 90. Geburtstag

Text: Voigt, Wolfgang, Frankfurt am Main

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    Landtagsgebäude NRW in Düsseldorf von EMW, 1988 fertiggestellt
    Foto: Thomas Neumer/­Fotolia

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    Landtagsgebäude NRW in Düsseldorf von EMW, 1988 fertiggestellt
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Fritz Eller zum 90. Geburtstag

Text: Voigt, Wolfgang, Frankfurt am Main

In den vergangenen hundert Jahren haben österreichische Architekten in Deutschland immer wieder Impulse gesetzt. In den 20er Jahren erfand Margarete Schütte-Lihotzky für Ernst Mays Neues Frankfurt die moderne Küche. Ein halbes Jahrhundert später schuf Hans Hollein das als postmodernes Ensemble konzipierte Kunstmuseum in Mönchengladbach. Schließlich bauten Coop Himmel(bl)au die gläserne Skulptur der Europäischen Zentralbank in Frankfurt.
Im großen Nachbarland sich niederlassen mochte indessen kaum einer. Anders der 1927 in Tirol geborene Fritz Eller und seine Freunde Robert Walter und Erich Moser, mit denen er in Graz Architektur studiert hatte. Gleich nach dem Di­plom im Sommer 1953 hatte man die drei als österreichische Jungdelegierte zur internationalen Konferenz der Architekturmoderne „CIAM 9“ nach Südfrankreich entsandt. Dort begegneten sie nicht nur Le Corbusier, sondern begeisterten sich auch für dessen „Unité d’habitation“.

Hochhausgeschichte

Während in Österreich die Bautätigkeit lahmte, lief nördlich der Alpen der Wiederaufbau auf Hochtouren. Eller und Walter traten im August 1953 in das Büro Hentrich & Heuser in Düsseldorf ein und bekamen nach kurzer Zeit ihre große Chance mit einer Wettbewerbsarbeit für die BASF, die in Ludwigshafen ein Verwaltungshochhaus bauen wollte. Die Eindrücke aus Marseille waren noch frisch, und so stellten die jungen Architekten ihr in Stahlbeton konstruiertes Hochhaus, das aus einem streifenförmigen Kernbau mit den Aufzügen zwischen zwei vertikalen Scheiben für die Büros bestand, auf wuchtige „Piloti“-Stützen und setzten ihm ein beschwingtes Flugdach auf.
Mit diesem Entwurf gewann das inzwischen als Hentrich & Petschnigg firmierende Büro die Ausschreibung und baute 1954–57 das Hochhaus, das zum Wahrzeichen der Stadt Ludwigshafen und zum Markenzeichen des Chemie-Riesen wurde. Es war nicht nur weit und breit das erste seiner Art mit vollständiger Klimatisierung, sondern auch das erste in der Bundesrepublik mit mehr als 100 Metern Höhe.
Hochhausgeschichte schrieben Eller und seine Freunde auch mit dem nächsten Turm, den sie als freie Mitarbeiter bei Hentrich & Petschnigg für Phoenix-Rheinrohr in Düsseldorf entwarfen; inzwischen war auch Erich Moser wieder dabei. Die bei der BASF parallele Konstellation zweier Scheiben wurde gegeneinander verschoben, der Kern zu einer dritten Scheibe verlängert. Damit war das Verhältnis von Erschließung und Nutzfläche optimiert und eine dynamische Komposition entstanden, die sich aus scharfkantigen kubischen Volumen mit spiegelglatten Vorhangfassaden zusammensetzte. Henry-Russell Hitchcock nannte das 1958 fertiggestellte „Dreischeibenhaus“ eines der schönsten Hochhäuser der Welt und stellte es ausdrücklich auf eine Stufe mit dem zur gleichen Zeit in New York entstandenen Seagram Building von Mies.
Noch einmal sorgte das inzwischen zu Partnern aufgestiegene Dreierteam für einen spektakulären Erfolg des nunmehr HPP genannten Büros, als man 1962 den Wettbewerb für die Ruhr-Universität Bochum gewann. Es wurde die erste ins Grüne versetzte Campus-Universität in Deutschland. Ab 1964 gingen die drei Österreicher eigene Wege: Sie gründeten in Düsseldorf ihr eigenes Büro EMW (Eller Moser Walter), das sich fortan mit HPP die Ausführung der Ruhr-Uni teilte, so dass u. a. die naturwissenschaftlichen Institute und das Hörsaalzentrum Ost von ihnen errichtet wurden. Unter den vielen Bauten des Büros kennt das Publikum vor allem das populäre Schokoladenmuseum, mit dem in den frühen 90er Jahren die Umgestaltung des Kölner Rhein­ufers begann.

Architekturgeschichte

In der geschriebenen Architekturgeschichte, Sektion A-Klasse, wird man die Namen von Eller und den Kollegen bisher kaum finden, einige der unter anderem Namen entworfenen Bauten aber sehr wohl – und zwar in der vorderen Reihe. Von Beginn an ist Fritz Eller innerhalb des Trios der Wortführer und intellektuelle Kopf gewesen. Nicht zuletzt deshalb wurde er 1962, 35 Jahre alt, auf einen Lehrstuhl für Hoch- und Industriebauten an der RWTH Aachen berufen. Dort lehrte ­er 30 Jahre lang neben anderen bedeutenden Kollegen wie Gottfried Böhm, Wolfgang Döring und Volkwin Marg. Unter den Schülern seines Entwurfsunterrichts gibt es zahlreiche bekannte Namen, die in unseren Tagen eine Rolle spielen, wie Stefan Behling, Rainer Hascher, Christoph Ingenhoven, Klaus Kada, Karl-Heinz Petzinka, Elmar Schossig oder Ansgar Schulz.
Fragt man die Architekten nach ihrem Hauptwerk, nennen sie das von Robert Walter und Fritz Eller gemeinsam konzipierte Landtagsgebäude in Düsseldorf, das sie über einen 1980 gewonnenen Wettbewerb übertragen bekamen. Der Anspruch ihres Entwurfs war hoch gesteckt, galt es doch, den Sinn der Parlamentsarbeit, die sich nicht nur im Plenum, sondern ebenso in Ausschüssen, Abgeordnetenbüros und der Verwaltung vollzieht, mit zeitgemäßen Formen und Raumbezügen auszudrücken. Diese fanden sie, vom runden Plenarsaal ausgehend, in einem Ensemble verschieden großer Zylinderscheiben und Ringsegmente. Einen besonderen Akzent legten sie auf ein jedermann zugängliches Bürgerforum; die gewünschte Offenheit sollte nicht auf transparente Fassaden beschränkt sein.
Fritz Eller ist am 28. Februar 90 Jahre alt geworden.

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