Bauwelt

Den Blick weiten

Text: Kleilein, Doris, Berlin; Meyer, Friederike, Berlin

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Den Blick weiten

Text: Kleilein, Doris, Berlin; Meyer, Friederike, Berlin

Ein Jahr ist vergangen, seit die Stadtbauwelt „Flucht nach vorn“ erschienen ist. Im Dezember 2015 haben wir die Flüchtlingsunterbringung in Deutschland dokumentiert und nach den Auswirkungen auf die Stadtplanung gefragt. Es war eine Bestandsaufnahme der Diskussion über menschenwürdige Notunterkünfte, Ankunftsquartiere und die Krise des Wohnungsbaus. Wir zeigten auch Ansätze, die wir für beispielhaft hielten – von der Leichtbauhalle über Holzmodulbauten bis zum integrativen Quartier. Die Resonanz auf die Ausgabe war groß, offenbar beschäftigt das Thema auch die Architektenschaft.
Im Jahr 2016 wurde viel diskutiert. Es gab wohl keine Standesorganisation, die nicht mindestens eine Veranstaltung zum Thema Flüchtlingsun­terbringung und Wohnungsfrage angeboten hat. Was können Planer und Architekten tun? Welche Rahmenbedingungen muss die Politik schaf­fen? Wie geht das alles möglichst schnell? Viele Wettbewerbe suchten nach Projekten für kostengünstigen Wohnungsbau und nach integrativen Ideen. Die Architekten entdeckten den Modulbau neu (Bauwelt 28–29). Das Bundesbauministerium legte Wohnungsbauprogramme auf und etablierte das „Urbane Gebiet“ als neue Kategorie im Baurecht, die Städte künftig nutzen können, um sich dichter und funktionsgemischter zu ent­wickeln. Die Ausstellung im deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig thematisierte Ankunftsstädte. Ist also alles auf einem guten Weg?
Ein Resümee all dieser Bemühungen läge nahe, doch für eine Beurteilung ist es zu früh. Stadtentwicklung ist ein Prozess, der Jahre braucht. Stattdessen weiten wir mit dieser Stadtbauwelt den Blick und beschäftigen uns mit den europäischen Nachbarländern. Wie reagieren sie auf die Ankunft von Flüchtlingen? Wie organisieren sie deren Unterbringung? Welche Integrationskonzepte verfolgen sie? Aber auch: Wie schottet sich Europa ab?
Journalisten und Wissenschaftler, Architekten und Fotografen, Künstler und Filmemacher berichten aus europäischen Städten und Grenzregionen. Sie haben das Geschehen in ganz verschiedene journalistische Formate gebracht. Da ist der Dokumentarfilm über Menschen, die versuchen, die militärisch gesicherte Grenze zur spanischen Exklave Melilla zu überwinden. Da sind die akribisch recherchierten Karten einer Gruppe von Wissenschaftlern, die das unübersichtliche Netzwerk aus NGOs, Freiwilligen und internationalen Hilfsorganisationen auf der griechischen Insel Lesbos zu fassen versuchen, wo noch immer täglich Boote mit Flüchtlingen von der türkischen Küste ankommen. Da sind die Tagebucheinträge einer freiwilligen Helferin, die den Sommer 2016 auf Lesbos verbracht hat. Da ist die fotografische Langzeitrecherche über die räumlichen Veränderungen rund um die nordfranzösische Stadt Calais, in der Tausende Flüchtlinge auf eine Gelegenheit warten, durch den Eurotunnel nach Großbritannien zu kommen. Da sind die Reportage über das süditalienische Riace, das als Vorzeigedorf der Integration gilt, der Vergleich zweier Bezirke der 17-Millionen-Metropole Istanbul, in der mittlerweile eine halbe Million Flüchtlinge leben, und der kritische journalistische Blick auf die Situationen in Malmö und in Paris. Schließlich haben wir mit zwei Architekten aus Syrien gesprochen, die in Berlin leben und von ihren Erfahrungen berichten.
Die Stadtbauwelt trägt den Titel „Exil Europa“. Gerade jetzt, da die Europäische Union über die Flüchtlingspolitik zerstritten ist wie nie, soll er dazu einladen, hin und wieder die Perspektive zu wechseln.

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