Bauwelt

IL wird ILEK

Frei Otto gründete 1964 in Stuttgart das Institut für Leichte Flächentragwerke, dessen Gebäude als Versuchsbau für den Deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Montreal 1967 diente. Heute trägt das Institut einen neuen Namen, es wird aber weiterhin zum Leichtbau geforscht. Sein Nachfolger Werner Sobek zeichnet Frei Ottos Werdegang nach, zieht Bilanz – und stellt die aktuelle Forschung und Lehre vor

Text: Sobek, Werner, Stuttgart

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    Die Stuttgarter Schale spannt 8,5 m weit – ohne metallische Tragstruktur. Die 10 mm starken Glasscheiben sind nur durch schmale Klebefugen miteinander verbunden. Seit 12 Jahren trotzt sie Wind und Wetter.
    Foto: Gabriela Metzger, ILEK, Stuttgart

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    Die Stuttgarter Schale spannt 8,5 m weit – ohne metallische Tragstruktur. Die 10 mm starken Glasscheiben sind nur durch schmale Klebefugen miteinander verbunden. Seit 12 Jahren trotzt sie Wind und Wetter.

    Foto: Gabriela Metzger, ILEK, Stuttgart

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    Beispiele aktueller Entwurfsarbeiten: hauchdünne Schalenkonstruktionen aus UHPC, ...

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    Beispiele aktueller Entwurfsarbeiten: hauchdünne Schalenkonstruktionen aus UHPC, ...

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    ... komplexe 3D-Strukturen, ...
    Foto: Gabriela Metzger, ILEK, Stuttgart

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    ... Glasskulpturen...
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    ... und textile Faltstudien
    Foto: Gabriela Metzger, ILEK, Stuttgart

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    ... und textile Faltstudien

    Foto: Gabriela Metzger, ILEK, Stuttgart

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    Das Bauen mit Blasen und Schäumen ist ein wichtiger Forschungsbereich des ILEK – sei es für die Entwicklung des Gradientenbetons ...
    Foto: Gabriela Metzger, ILEK, Stuttgart

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    Das Bauen mit Blasen und Schäumen ist ein wichtiger Forschungsbereich des ILEK – sei es für die Entwicklung des Gradientenbetons ...

    Foto: Gabriela Metzger, ILEK, Stuttgart

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    ... oder des Messestands „3D2Real“

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    ... oder des Messestands „3D2Real“

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    Die SmartShell ist weltweit das erste adaptive Schalentragwerk. Die Holzkonstruktion spannt 10 m weit, ist aber nur 4 cm dick. Die Verschiebung einzelner Auflagerpunkte erlaubt den Abbau von Verformungen und Schwingungen.
    Foto: Bosch Rexroth, Stuttgart

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    Die SmartShell ist weltweit das erste adaptive Schalentragwerk. Die Holzkonstruktion spannt 10 m weit, ist aber nur 4 cm dick. Die Verschiebung einzelner Auflagerpunkte erlaubt den Abbau von Verformungen und Schwingungen.

    Foto: Bosch Rexroth, Stuttgart

IL wird ILEK

Frei Otto gründete 1964 in Stuttgart das Institut für Leichte Flächentragwerke, dessen Gebäude als Versuchsbau für den Deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Montreal 1967 diente. Heute trägt das Institut einen neuen Namen, es wird aber weiterhin zum Leichtbau geforscht. Sein Nachfolger Werner Sobek zeichnet Frei Ottos Werdegang nach, zieht Bilanz – und stellt die aktuelle Forschung und Lehre vor

Text: Sobek, Werner, Stuttgart

Mit Frei Otto haben wir einen der wenigen großen Vordenker der Architektur verloren, einen Vordenker, dem es nie darum ging, auf der Basis intellektuell wenig tragfähiger Fundamente verblüffende, in ihrer Begründung zumeist schwer oder gar nicht nachvollziehbare architektonische Erscheinungen wie Postmodernismus, Dekonstruktivismus, Blob-, Bio- oder irgendeinen anderen neuen Morphismus zu präsentieren; ihm ging es um das Dahinter, um das Warum. Er wollte verstehen, wie die Dinge in der gebauten Welt sein müssten, um Sinn zu machen. Auf der Suche danach beschritt er ungewöhnliche Wege und verließ von Anfang an die Kategorie des Architekt-Seins. Er begann wie ein Konstrukteur zu denken und zu argumentieren, die Welt wie ein Biologe zu sehen oder wie ein Sozialwissenschaft-ler die Grundlagen der Selbstorganisation lebender Systeme zu erforschen.
In seiner Berliner Zeit, die man von der Eröffnung des eigenen Büros im Jahr 1952 bis zum Umzug nach Stuttgart 1964 datieren kann, verfasste er zunächst seine Promotionsschrift Das hängende Dach und brachte dann, 1962, das Grundlagenwerk Zugbeanspruchte Konstruktionen. Gestalt, Struktur und Berechnung von Bauten aus Seilen, Netzen und Membranen heraus. Dem ersten Band, der vor allem den pneumatischen Konstruktionen gewidmet war, folgte 1966 ein zweiter Band über die Grundbegriffe der zugbeanspruchten Konstruktionen. Die Berliner Zeit und die zugbeanspruchten Konstruktionen stellen die wohl wichtigste Periode im wissenschaftlichen Schaffen von Frei Otto dar. Hier entstanden die wesentlichen Forschungen zum Prinzip des Minimalen, zu den experimentellen Formfindungsmethoden sowie die ersten grundlegenden Überlegungen zu der durch Otto vereinigten Betrachtungsweise von natürlichen und technischen Strukturen.
1964 nahm Otto eine Honorarprofessur – mit einer lebenslang geltenden Befreiung von der akademischen Lehrverpflichtung – am eigens für ihn gegründeten IL Institut für Leichte Flächentragwerke an. Die damit beginnende Stuttgarter Zeit lässt sich in zwei Phasen teilen. Die erste war vom Aufblühen des Instituts und von der Einbindung in große Bauprojekte wie dem Deutschen Pavillon auf der Expo 1967 in Montreal, den Bauten für die Olympischen Spiele in München und der Multihalle in Mannheim gekennzeichnet. Die insbesondere während der Planungsarbeiten zu den Dächern der olympischen Bauten entstandenen Dissonanzen beendeten die Zusammenarbeit Ottos mit den führenden deutschen Ingenieuren und bedeuteten, in nahezu logischer Konsequenz, 1984 das Aus für den dato überaus erfolgreichen Sonderforschungsbereich SFB 64 „Weitgespannte Flächentragwerke“. Die erste Stuttgarter Phase ist durch die Vertiefung der in Berlin gemachten Arbeiten und durch deren Hinführung zu einer baupraktischen Umsetzung gekennzeichnet.
Unmittelbar mit der Beendigung des SFB 64 erfolgte die Bewilligung des SFB 230 „Natürliche Konstruktionen“. Otto befasste sich nun vertiefend mit den Konstruktionen der lebenden und nichtlebenden Natur. Dies führte zu einer gewissen Abwendung von den in der ersten Stuttgarter Phase erforschten baulichen Konstruktionen. Die damit eingeläutete zweite Stuttgarter Phase währte bis zur Emeritierung Frei Ottos. Sie war mehr und mehr vom Versuch der Ein- und Zuordnung der Gesamtheit der bis dato gemachten Arbeiten gekennzeichnet. Im Vordergrund standen Gesamtzusammenhänge und nicht die baupraktische Umsetzung.
In den Fächern Architektur und Bauingenieurwesen ist der Leichtbau heute, trotz seiner – gerade angesichts der Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte – immensen Bedeutung, weltweit nur in untergeordneter Weise Gegenstand der Forschung und Lehre. Im Bauingenieurwesen ist dies sicherlich auch auf das Beharrungsvermögen der akademischen Lehrkörper zurückzuführen: Die eigenen Disziplinengrenzen sollen möglichst nicht – und wenn doch, dann nicht in Richtung des Entwerfens oder gar der Architektur – überschritten werden. Wenn es im Bauingenieurwesen eine Hinwendung zum Leichtbau gab, geschah dies immer unter dem Vorzeichen der Gewichtsoptimierung mittels mathematisch-numerischer Methoden, also des Materialleichtbaus. Das von Otto stets als wichtig betrachtete gesamtheitliche Momentum, also die Einbeziehung von Entwurf und Konstruktion, blieben dabei fast ausnahmslos unbeachtet. Die Architekturlehre hat sich in den vergangenen Jahrzehnten weltweit leider allzu häufig an die jeweiligen rein formalen Trends angelehnt. Die von Otto geforderte große Zusammenführung aller Teilaspekte entfiel damit immer häufiger. Diese Entwicklung wurde sicherlich auch dadurch beflügelt, das die von Otto gesehene Konstruktionsweise – seien es nun Netzstrukturen, Gitterschalen oder, in größerem Maßstab betrachtet, Klimahüllen – immer weniger eine bauliche Realisierung fanden. Die Veröffentlichungen derartiger Bauprojekte versiegte nahezu vollständig. Damit verschwanden die Anregungen und die möglichen Vorbilder für die heutigen Studierenden.
Zwei Korrekturen
Auf den ersten Blick ist die soeben gezogene Bilanz ernüchternd. Sie bedarf aber zweier wesentlicher Korrekturen: Die erste bezieht sich auf die von Frei Otto insbesondere in seiner zweiten Stuttgarter Phase geschaffene Metaebene, in der er die generellen Zusammenhänge zwischen den Dingen und ihren Funktionsweisen in der lebenden und der nichtlebenden Natur wie in den vom Menschen selbst geschaffenen Dingen – teilweise auch in historischem Kontext – erfasste, sie ein- und zuordnete. Diese, nur auf der Basis einer interdisziplinären Ausbildung vollständig erfass- und damit schätzbare Gesamtsicht ist von fundamentaler Bedeutung. Die im heutigen Bauschaffen langsam reifende Erkenntnis, dass zum einen Nachhaltiges Bauen mehr als Energieeinsparen ist und dass zum anderen neue Anforderungen an Architekten und Ingenieure mehr bedeutet, als lediglich das Planen nachhaltiger Gebäude, wurde von Otto schon vor Jahrzehnten – wenn nicht inhaltlich vollständig und explizit, so doch in ihren wesentlichen Grundzügen – formuliert. Auf Forschung und Lehre bezogen heißt das, dass hier ein intellektueller Schatz von höchster Aktualität brach liegt, der, einmal gehoben, zur Bereicherung wie zur Beschleunigung der vor uns liegenden Forschungs- und Lehrarbeiten führen könnte.
Der zweite Korrekturhinweis zu der gezogenen Bilanz bezieht sich auf die Ausnahmen von der beschriebenen Situation in Forschung und Lehre. Da Frei Otto nie in die akademische Lehre im Sinn von regelmäßigen Vorlesungen, Übungen oder Seminaren eingebunden war, hinterließ er weder ein Lehrkonzept noch Lehrunterlagen, mittels derer eine Lehre in seinem Sinne an unterschiedlichen Orten dieser Welt fortsetzbar gewesen wäre. Am ILEK Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (hervorgegangen aus der Verschmelzung des IL Institut für leichte Flächentragwerke, Lehrstuhl Frei Otto, und des KE Institut für Konstruktion und Entwurf, Lehrstuhl Jörg Schlaich) wurde im Verlauf der Jahre eine akademische Lehre aufgebaut, welche die Ergebnisse von Ottos Berliner Phase wie auch die seiner ersten Stuttgarter Phase aufnimmt und diese mit den großartigen Gedanken und Arbeiten von Jörg Schlaich, Klaus Linkwitz und Jürgen Joedicke (die zeitgleich mit Otto an der Universität Stuttgart lehrten und forschten) vereint und weiterführt. In dieser Lehre geht es inhaltlich um den Leichtbau in der architektonisch-gestalterischen, der ingenieurmäßigen und der streng wissenschaftlichen Sicht. Der Leichtbau wird dabei nicht nur als Materialleichtbau, sondern – unter Einbeziehung der Recyclingkomponente – als wesentlicher Teil des ressourcensparenden Bauens und, in einer wichtigen Erweiterung, als energieminimale Bauweise behandelt. Die Betrachtungsweise spannt von den Strukturen des Flugzeug- und Maschinenbaus über das Bauwesen bis hin zur Medizintechnik und ähnlichen Gebieten.
Eine wichtige Neuerung in der Lehre des ILEK ist nicht zuletzt die Einbindung einer bewusst vorgenommenen Gestaltung, die jenseits der Prozesse des Sich-selbst-Ergebenden liegt. Methodisch in Form mehrerer aufeinander aufbauender Vorlesungsreihen vermittelt, erfolgt insbeson-dere in ergänzenden Seminaren und der erfolgreichen Reihe „ILEK Studio“ ein Herantasten an neue Gebiete. Die Herangehensweise ist stets durch
interdisziplinäre Ansätze geprägt. Dies zeigt sich bereits an der Zusammensetzung der wissenschaftlichen Mitarbeiter am Institut – einem Team aus Architekten und Ingenieuren – und der Studierenden, die aus der Architektur, dem Bauingenieurwesen, aus der Luft- und Raumfahrt oder dem Textil- und Produktdesign kommen. Dass bei den hier entstehenden Arbeiten die tradierte Architekten-Autorenschaft in einer Team-Autorenschaft aufgeht und damit eine häufig gestellte Forderung Frei Ottos in selbstverständlicher Weise lebt, ist evident. Erfreulicherweise ist in den vergangenen Jahren auch an anderen Hochschulen eine akademische Lehre aufgekeimt, die der am ILEK in Ansätzen ähnelt. Besonders wichtige Impulse kommen von Ulrich Knaack, der heute in Darmstadt lehrt, sowie, zunehmend, von Philippe Block in Zürich und Oliver Englhardt in Graz.
Fakten
Architekten Frei Otto (1925-2015)
Adresse Pfaffenwaldring 14, 70569 Stuttgart


aus Bauwelt 20.2015
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