Bauwelt

Die Chance des Einzelnen

Helmut Striffler ist gestorben

Text: Klauser, Wilhelm, Berlin

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    Altarwand der Trinitatiskirche in Mannheim (1959)
    Foto: Trinitatis-Gemeinde

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    Altarwand der Trinitatiskirche in Mannheim (1959)

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Die Chance des Einzelnen

Helmut Striffler ist gestorben

Text: Klauser, Wilhelm, Berlin

Das Verwaltungsgebäude für die ÖVA-Versicherung in Mannheim zeigt überzeugend, wie Helmut Striffler arbeitete. Als in den 70er Jahren die Computer in die Bürowelt einzogen, stellten sich ihm Fragen nach dem Alltag im Büro, der sich mit den neuen Werkzeugen verändern musste. Ein Haus schwebte ihm vor, das sich nicht ausschließlich der Produktivität beugte, sondern in seiner Organisation bei grundsätzlichen Fragen der Kommunikation und Orientierung für die Menschen ansetzte, die hier ihren Tag verbringen würden und sich dem geheimnisvollen, neuen Bildschirm gegenüber sahen. In solch einer Umgebung war ihm „die Chance des Einzelnen“ wichtig, so jedenfalls hat er 1977 einen Bauweltartikel überschrieben. Es entstand ein Haus, das sich von Einzelraum oder Großraum löste, das stattdessen überschaubare Arbeitsgruppen vorschlug und daraus eine Form abgeleitet hat, die bis ins Detail durchgehalten wurde.
Strifflers Arbeiten wuchsen von innen nach außen, waren stets geprägt durch eine überzeugte Zeitgenossenschaft und Aktualität, die jenseits aller Moden aufmerksam auf Veränderungen in Technik oder Gesellschaft reagierte. Technik allein war ihm aber uninteressant, wenn ihr nicht jene Spur von Poesie beigefügt war, die daraus Architektur machte: Raum für Menschen. Schon 1967 hat er ihn überzeugend umgesetzt, in der Versöhnungskapelle in Dachau. Die Form folgt der Funktion, gewiss. Keinen Schritt wäre Helmut Striffler von dieser Prämisse der Moderne abgerückt. Aber Funktion musste an die Bedürfnisse des Menschen zurückgebunden werden, denn die Maschine hatte Unorte geschaffen, wie eben das Konzentrationslager.
Skeptisch wurde er bei der Betrachtung der tatsächlichen Entwicklung. 1981 stellt er beim Blick auf die Stadt fest, dass die Grenzen zwischen Verschmutzung, Schrottreife und Altehrwürdigkeit schwer auszumachen waren. „Die Frage nach Kurz- oder Langlebigkeit ist damit verknüpft. Die Antwort darauf hat etwas mit Kultur zu tun. Den Blick dafür zu schärfen bedeutet zukünftig auch eine Version von Überlebenstraining unserer Gesellschaft, wenn man an die Begrenztheit unserer Ressourcen denkt.“ Das Desaster der industriellen Konfektion hat er früh beim Namen genannt.
Die Ahnung, dass der Einfluss des Baumeisters gering ist, wird ihn oft umgetrieben haben. So hat er sich unermüdlich engagiert: als Hochschullehrer, in Hannover und Darmstadt, im Rhein-Kolleg, in der öffentlichen Debatte. Am 2. Februar, einen Tag nach seinem 88. Geburtstag, ist Helmut Striffler in Mannheim gestorben. Am 14. März findet um 13.30 Uhr ein Trauergottesdienst in der dortigen Trinitatiskirche statt. 1959 hat er sie gebaut. Sein erster Kirchenbau: eigenwillig, beispielhaft und konsequent.

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