Bauwelt

Neustart am Bauhaus

Was in Dessau unter der neuen Stiftungsdirektorin Claudia Perren zu erwarten ist

Text: Kowa, Günter, Berlin

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    Claudia Perren ist seit August Direktorin in Dessau


    Foto: Sven Hertel, Stadtarchiv Dessau-Roßlau, 2014

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    Foto: Sven Hertel, Stadtarchiv Dessau-Roßlau, 2014

Neustart am Bauhaus

Was in Dessau unter der neuen Stiftungsdirektorin Claudia Perren zu erwarten ist

Text: Kowa, Günter, Berlin

Kühl, sachlich, schnörkellos, dabei verbindlich lächelnd: So sah man jüngst die neue Direktorin am Bauhaus Dessau, Claudia Perren, bei ihrer ersten Pressekonferenz seit dem Amtsantritt. Trotz des Mottos „100 Tage +“ – exakt waren es 125 Tage – hielt sie sich nicht bei einem Rückblick auf die abgelaufene Schonfrist auf, während der sie zu keiner öffentlichen Äußerung zu bewegen gewesen war. Die Ergebnisse ihrer Klausur trug sie nun Punkt für Punkt vor, da war kein Wort zu viel. Dringlichkeit ist angesagt, das Ziel liegt unerbittlich vor Augen: Zum Jubiläumsjahr 2019 muss in Dessau das Bauhaus-Museum fertig sein, genauso wie in Weimar und in Berlin.
Zukunftspläne sind medial weit weniger aufregend als Skandale. Mit dem umstrittenen Abgang ihres Vorgängers Philipp Oswalt (Bauwelt 27.2014) ist der Medien­tross weitergezogen, in der Bauhaus-Aula übertrifft die Zahl der Mitarbeiter die der Pressevertreter bei weitem. Doch die vor­malige Professorin an der Architekturfakultät der Universität von Sydney gibt sich betont profes­sionell, mediengewandt genauso wie führungsstark: Über das Museum werde nicht nur geredet, es werde energisch am Ausstellungs- und Raumkonzept gearbeitet. Zur umstrittenen Stand­ortfrage gibt sie nur noch die durchaus originelle Auskunft: Geld hätte es nur für den Bau am Stadtpark und für keinen anderen Bauplatz gegeben. Im Übrigen befinde man sich am Stadtpark in der Mitte der Bauhaus-Stadt mit ihren überall verstreuten Bauhaus-Bauten.
Der späte Beginn der Planungen schreckt sie nicht: „Die Bauzeit ist eng, aber wir schaffen es.“ Im Januar wird der international offene, zweizügige Architekturwettbewerb ausgelobt, im Oktober soll die Beauftragung erfolgen. Im Winter 2016/2017 könne Baubeginn sein, erklärt sie. „Wir wollen ein zeitgenössisches Statement zum Bauhaus“, sagt Perren etwas floskelhaft zu den inhaltlichen Anforderungen, konkretere Aussagen zum „Dialog über die Bedeutung Dessaus im Netzwerk der Moderne“ sind für Anfang 2015 angekündigt.
Keine Rede ist mehr von der Aufregung um drohende Baukostensteigerungen. Im Sommer waren vom Magdeburger Landesrechnungshof Unkenrufe zu hören, der Finanzierungsrahmen werde voraussichtlich um 4,78 Millionen Euro überzogen, außerdem sei die Höhe der Bewirtschaftungskosten ungewiss. Doch das Kultusministerium wiegelte ab: Es bleibe beim Kostendeckel von 25 Millionen Euro, erkauft freilich mit einer Reduzierung der Ausstellungsfläche um 400 Quadratmeter. Die in Weimar und Berlin geplanten Neubauten liegen nahezu gleichauf: In Dessau wären es nach der Kürzung 1500 Qua­dratmeter Dauer- und 600 Quadratmeter Sonderausstellungsfläche, „flexibel kombinierbar“, in Weimar sollen es 1870 Quadratmeter für die Ausstellungen sein plus 450 für ein „Schaulager“, Berlin strebt 2300 Quadratmeter an.
Die Dessauer selbst streiten nach wie vor über den Standort, neuerdings angeheizt durch eine Petition der frisch in den Stadtrat gewählten Fraktion der AfD. Es gibt offensichtlich eine verbreitete Meinung, der Stadtpark in seiner Nachkriegsausdehnung dürfe nicht angetastet werden, obwohl am vorgesehenen Bauplatz einst das Palais Reina stand, das ursprüngliche Domizil der Anhaltischen Gemäldegalerie, de-ren Direktor Ludwig Grothe eine Sammlung von
Bauhausmeistern aufbaute. Die Lage ist zudem vergleichbar mit Weimar, wo der Neubau als Bindeglied zwischen Stadt und Park der architektonischen Aufgabe einen besonderen Reiz verleiht.
Unerschrocken gibt sich die Direktorin an­gesichts des Bauprojekts auch noch in anderer Hinsicht: Sie wird die Bauherrin sein. Die Stiftung Bauhaus Dessau hat den Posten des Bauabteilungsleiters nach dem frühen Tod von
Rainer Weisbach mit dem Berliner Architekten Frank Assmann neu besetzt. Er hat als Hochschullehrer in Bremen, aber in keiner öffentlichen Verwaltung gearbeitet, habe aber, nach eigener Aussage, als Architekt genügend Erfahrung mit öffentlichen Bauträgern gesammelt. Beim Kultusministerium verweist man auf die Stiftung Luthergedenkstätten, die seit Jahren Bauprojekte in eigener Regie durchführt. Intern allerdings hört man durchaus von der hohen
Belastung, die das für die inhaltliche Arbeit der Museen bedeutet.
Am Bauhaus soll es an Inhalt aber nicht mangeln. Ganz ähnlich wie bei der „Lutherdekade“ kündigt Claudia Perren thematische Jahresschwerpunkte an. 2015 soll der Schwerpunkt „Kollektiv“, 2016 „Bewegung“ heißen, ersterer ausgehend vom genossenschaftlichen Bauen bei Hannes Meyer, letzterer von László Moholy-Nagys und Oskar Schlemmers Bild- und Bühnenkonzepten. Daraus erwachsen auch Vorgaben für die Nutzung der Meisterhäuser: Im Haus Muche/Schlemmer sollen 2015 junge Designer und Architekten Fragen des zeitgenössischen Wohnens erörtern, ab 2016 Künstler zu „Residenzen“ eingeladen werden und Werke schaffen, mit denen das Bauhaus eine neue Sammlung aufbauen will. 2017 schließlich geht es um „Sub-stanz“ und um den Umgang mit neuen Mate-
rialien.
Wiedererstanden ist nach dem geschlossenen Rücktritt des Vorgängergremiums auch der zehnköpfige Wissenschaftliche Beirat. Auf dem Podium war er durch die Theaterwissenschaftlerin Thea Brejzek, ebenfalls von der Uni Sydney, und den Architekten Jürgen Meyer H. vertreten. Claudia Perrens Aussage, dass künftig Kooperationen weltweit mit Architekturschulen und Universitäten für Kurse am Dessauer Bauhaus aufgebaut werden sollen, will zumindest Thea Brejzek aktiv mit ihren Studenten unterstützen.

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