Bauwelt

Die koproduzierte Stadt

Bürgerbeteiligung, na klar. Aber die koproduzierte Stadt ist weit mehr. Eine Veranstaltung der IBA Heidelberg ging der Sache nach

Text: Bartels, Olaf, Hamburg

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    Gemeinsam Planen am Kartentisch von Interboro Partners

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Die koproduzierte Stadt

Bürgerbeteiligung, na klar. Aber die koproduzierte Stadt ist weit mehr. Eine Veranstaltung der IBA Heidelberg ging der Sache nach

Text: Bartels, Olaf, Hamburg

Die IBA Heidelberg lud Anfang Oktober gemeinsam mit der Hans Sauer Stiftung zu ihrem vierten IBA_LAB. „Die Koproduzierte Stadt“ war das Thema, in das Klaus Selle am Vorabend der Konferenz klug und differenziert einführte. Selle, der an der RWTH Aachen Planungstheorie und Stadtentwicklung lehrt, machte deutlich, dass die Stadt seit Jahrhunderten eine kollektive Leistung aller Bewohner ist. Diese hätten mal größere, mal weniger große Spielräume, um sich in die Entwicklung, die Planung und den Bau ihrer Stadt einzubringen. Aber sie sollten den Einfluss nicht unterschätzen, den sie auch ohne formelle „Beteiligung“ an der Stadtplanung hätten. Die Bewohner seien Akteure auf dem Boden- oder dem Mietmarkt und sie nähmen – wenn auch mitunter nur in kleinen Dosen – durch ihr Konsum-, ihr Mobilitäts- und selbst durch ihr Freizeitverhalten aktiv an der Stadtentwicklung teil. Die Stadt bestehe eben aus mehr als Häusern. Die Verwaltung könne letztlich nur den Rahmen für ihren Bau setzen.
Wie die Früchte einer couragierten Bürgerintervention zu einer am Gemeinwohl orientierten Stadtentwicklung beitragen können, berichtete Daniela Riedel vom Büro Zebralog, das den Bürgerbeteiligungsprozess für den Gleisdreieck-Park in Berlin begleitet hat. Kurt Hofstedter von der IBA Wien sprach darüber, wie die Konsulta­tion von Nachbarschaft und zukünftigen Bewohnern zu einem gezielten Planungsinstrument werden kann, mit der sich die Identifikation der Bewohner mit ihrer Stadt sichern lässt.
Wie eine buchstäbliche Koproduktion beim Bauen aussehen kann, zeigten die Architekten Hans Drexler und Alexander Hagner mit ihrem Projektverbund „Home not Shelter“ sowie Her­wig Spiegl mit seinem „Magdas Hotel“ in Wien. Sie führten vor, wie das Bauen für Flüchtlinge, Obdachlose oder Studenten unter tatkräftiger (und ästhetischer) Anleitung von Architekten, Interaktion und soziale Integration stärken und soziale Stigmatisierung verhindern kann.
Gesa Ziemer von der HafenCity Universität hat ein digitales Stadtmodell entwickelt, mit dem sich relevante Daten in kleinmaßstäblicher Präzision und im Überblick für die ganze Stadt darstellen lassen. Mit diesem Instrument, das auf die Kommunikation von Fakten ausgerichtet sei, hat sie versucht, die angeheizte Debatte um die Unterbringung von Flüchtlingen in Hamburg zu versachlichen. Bürgerschaftliche Entscheidungen sichtbar machen, das will auch Tobias Armborst von Interboro Partners. Das New Yorker Büro setzt mit seinem Tisch in Form einer Stadtkarte aber auf eine „greifbare“, eine analoge kooperative Entwurfspraxis.
Nach dieser Vorstellung von Ansätzen koproduktiver Stadtentwicklung fiel die abschließende Gesprächsrunde „Stadt und Ökonomie“ ernüchternd aus. Anouk Kuitenbrower (KCAP Zürich) sah auf der Ebene der Masterplanung die Rolle der gesellschaftlichen Interessenvertreter als eher marginal an. Sabine Steger vom Stadtplanungsamt München war allein über die koope­rative Einbindung des neuen BMW-Forschungscampus in die städtische Umgebung mit hoher Akzeptanz der Nachbarschaft schon froh. Peter Jorzick (Projektentwickler, Hamburg Team) maß der Ökonomie und den aus der Stadtentwicklung erwarteten finanziellen Erträgen eine so große Bedeutung zu, dass die zuvor behandelten Koproduktionsbezüge wie Dekoration erschienen. Der Markt, führte Jorzick aus, sei der Praxis-Check für jede Art von Theorie, sei sie nun sozialer, städtebaulicher oder architektonischer Art. Nur der Bauherr (vornehmlich der pri­vate) könne am Ende die geforderten Qualitäten, auch die der Koproduktion realisieren.
Durch diese Reduktion der Stadtentwicklung auf die städtische Ökonomie schloss sich der inhaltliche Kreis zum Eröffnungsvortrag von Klaus Selle mit der Frage, wie weit sich die diskutierten Ansätze der Koproduktion pekuniär messen und bewerten lassen. Welches Gewicht soll die „Koproduzierte Stadt“ also nun für die IBA Heidelberg haben? Am Ende war, um es mit Marcel Reich-Ranicki respektive Bert Brecht zu sagen, „Der Vorhang zu und alle Fragen blieben offen“.

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