Minestrone aus Musik
Ein Braunschweiger Warenhaus steht leer, Musikschule und städtisches Orchester brauchen Platz; warum nicht einfach die Streicher in die Strumpfabteilung schicken? Unsere Autorin zweifelt.
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
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1. Preis Adept setzen statt auf Abriss „auf Prinzipien der adaptiven Wiederverwendung.“ Näher betrachtet sind die Eingriffe nicht unerheblich. Die alten Erschließungskerne werden entfernt, der zwei Geschosse übergreifende Saal der Musikschule ab EG erfordert zusätzliche Lastenabtragung. Der Konzertsaal wird als vorgefertigte Stahl-Holz-Konstruktion auf einer statisch und akustisch erforderlichen neuen Trennebene ab dem 3. OG errichtet, mit einem zweiseitig umlaufenden, knappen Foyer und schmaler Dachterrasse.
Abb.: Verfassende
1. Preis Adept setzen statt auf Abriss „auf Prinzipien der adaptiven Wiederverwendung.“ Näher betrachtet sind die Eingriffe nicht unerheblich. Die alten Erschließungskerne werden entfernt, der zwei Geschosse übergreifende Saal der Musikschule ab EG erfordert zusätzliche Lastenabtragung. Der Konzertsaal wird als vorgefertigte Stahl-Holz-Konstruktion auf einer statisch und akustisch erforderlichen neuen Trennebene ab dem 3. OG errichtet, mit einem zweiseitig umlaufenden, knappen Foyer und schmaler Dachterrasse.
Abb.: Verfassende
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Musikschule und Konzertbereich sind separat erschlossen, die Zugänge verbinden sich. „Wie ein leichtes Kleid legt sich die Schieferfassade um das Gebäude, mal eng anliegend, mal wie durch einen Lufthauch bewegt, sanft gebogen und geöffnet“, kommentiert die Jury. Über die Entwässerung allerdings herrscht Schweigen.
Abb.: Verfassende
Musikschule und Konzertbereich sind separat erschlossen, die Zugänge verbinden sich. „Wie ein leichtes Kleid legt sich die Schieferfassade um das Gebäude, mal eng anliegend, mal wie durch einen Lufthauch bewegt, sanft gebogen und geöffnet“, kommentiert die Jury. Über die Entwässerung allerdings herrscht Schweigen.
Abb.: Verfassende
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Die Jury würdigt die Außenhaut des Gebäudes als „eine Reminiszenz an die Fassade Böhms“, allerdings weiterentwickelt.
Abb.: Verfassende
Die Jury würdigt die Außenhaut des Gebäudes als „eine Reminiszenz an die Fassade Böhms“, allerdings weiterentwickelt.
Abb.: Verfassende
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2. Preis Gustav Düsing setzt in seinem Konzept die Rolltreppen als Kaufhausrelikte im EG in Szene, sie sind der Expresszugang zum Konzertsaal. Zusätzliche Angebote wie eine Musik-Kita oder eine „Street-Stage“ in der auffaltbaren Glasfassade erhöhen die BGF, was das Preisgericht moniert. Der durch ein Sheddach natürlich belichtete Konzertsaal in doppelschaliger Konstruktion liegt im 3. OG.
Abb.: Verfassende
2. Preis Gustav Düsing setzt in seinem Konzept die Rolltreppen als Kaufhausrelikte im EG in Szene, sie sind der Expresszugang zum Konzertsaal. Zusätzliche Angebote wie eine Musik-Kita oder eine „Street-Stage“ in der auffaltbaren Glasfassade erhöhen die BGF, was das Preisgericht moniert. Der durch ein Sheddach natürlich belichtete Konzertsaal in doppelschaliger Konstruktion liegt im 3. OG.
Abb.: Verfassende
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Seine Zugangsfoyers scheinen etwas knapp, selbst inklusive der Gastronomie im neu entstandenen 4. OG. In der Fassadengestaltung sieht das Preisgericht eine „schöne Weiterentwicklung“ der Ideen Böhms und lobt, wie darüber „die Gastronomieebene ganz leicht und zart als eine Art Pavillon mit umlaufender Terrasse zu schweben“ scheint.
Abb.: Verfassende
Seine Zugangsfoyers scheinen etwas knapp, selbst inklusive der Gastronomie im neu entstandenen 4. OG. In der Fassadengestaltung sieht das Preisgericht eine „schöne Weiterentwicklung“ der Ideen Böhms und lobt, wie darüber „die Gastronomieebene ganz leicht und zart als eine Art Pavillon mit umlaufender Terrasse zu schweben“ scheint.
Abb.: Verfassende
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Vom Erdgeschoss bis ins 2. Obergeschoss entsteht durch Entnahme der inneren Tragkonstruktion ein öffentliches Atrium mit terrassierten Einbauten. „Interior Urbanism“ genannt, kompensiert dieser öffentliche Ort das Fehlen eines städtischen Vorplatzes, wie er für ein Konzerthaus dieses Kalibers eigentlich nötig wäre.
Abb.: Verfassende
Vom Erdgeschoss bis ins 2. Obergeschoss entsteht durch Entnahme der inneren Tragkonstruktion ein öffentliches Atrium mit terrassierten Einbauten. „Interior Urbanism“ genannt, kompensiert dieser öffentliche Ort das Fehlen eines städtischen Vorplatzes, wie er für ein Konzerthaus dieses Kalibers eigentlich nötig wäre.
Abb.: Verfassende
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Eine Anerkennung Graft tragen den vorhandenen Baubestand in weiten Teilen ab. Der Konzertsaal im mittleren Segment senkt sich bis ins Kellergeschoss hinab, der Saal der Musikschule ist im 4. OG aufgesetzt. Die Baukörpergestalt nimmt in plastischen Elementen aus Kalkstein das Material des benachbarten, denkmalgeschützten Gewandhauses auf.
Abb.: Verfassende
Eine Anerkennung Graft tragen den vorhandenen Baubestand in weiten Teilen ab. Der Konzertsaal im mittleren Segment senkt sich bis ins Kellergeschoss hinab, der Saal der Musikschule ist im 4. OG aufgesetzt. Die Baukörpergestalt nimmt in plastischen Elementen aus Kalkstein das Material des benachbarten, denkmalgeschützten Gewandhauses auf.
Abb.: Verfassende
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Die Jury lobt „eine gute organisatorische Zuordnung, Verantwortlichkeit und tolle Maßstäblichkeit mit sehr guten Raumbezügen.“
Abb.: Verfassende
Die Jury lobt „eine gute organisatorische Zuordnung, Verantwortlichkeit und tolle Maßstäblichkeit mit sehr guten Raumbezügen.“
Abb.: Verfassende
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Laut Preisgericht ist der Zugang für rund 1200 Gäste von der Poststraße aus nicht klar formuliert. Außerdem fehle der geforderte, niedrigschwellige „Dritte Ort“ gänzlich.
Abb.: Verfassende
Laut Preisgericht ist der Zugang für rund 1200 Gäste von der Poststraße aus nicht klar formuliert. Außerdem fehle der geforderte, niedrigschwellige „Dritte Ort“ gänzlich.
Abb.: Verfassende
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Eine Anerkennung Das Büro von Dorte Mandrup dreht das Prinzip der beiden Preisträger um und ordnet den Konzertsaal im Erdgeschoss an. Der Saal der Musikschule sitzt im 4. OG auf. Treppenkaskaden mit Aufenthaltsplattformen verbinden die Foyers.
Abb.: Verfassende
Eine Anerkennung Das Büro von Dorte Mandrup dreht das Prinzip der beiden Preisträger um und ordnet den Konzertsaal im Erdgeschoss an. Der Saal der Musikschule sitzt im 4. OG auf. Treppenkaskaden mit Aufenthaltsplattformen verbinden die Foyers.
Abb.: Verfassende
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„Die Eingriffe in den Bestand sind angemessen im Umfang“, so die Jury. Die Fassade orientiert sich am Bestand und schlägt statt geschlossener Zonen sandgestrahlte Glaselemente vor, um den Wandel von Kommerz zu Kultur zu unterstreichen.
Abb.: Verfassende
„Die Eingriffe in den Bestand sind angemessen im Umfang“, so die Jury. Die Fassade orientiert sich am Bestand und schlägt statt geschlossener Zonen sandgestrahlte Glaselemente vor, um den Wandel von Kommerz zu Kultur zu unterstreichen.
Abb.: Verfassende
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Minestrone aus Musik
Ein Braunschweiger Warenhaus steht leer, Musikschule und städtisches Orchester brauchen Platz; warum nicht einfach die Streicher in die Strumpfabteilung schicken? Unsere Autorin zweifelt.
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Zeitweise lassen sie sich ganz charmant „bespielen“ oder „zwischennutzen“, die vielerorts leerstehenden 70er-Jahre-Kaufhausriesen; etwa das „Jupiter“ im ehemaligen Karstadt-Sport-Kaufhaus am Hamburger Hauptbahnhof. Es bot von 2021–25 den Jungkreativen eine stadtbetriebe-ne Spielwiese und wurde zur beliebten Party-Location.Was aber, wenn ein Kaufhaus für eine neue Funktion final umgebaut werden soll? Welche Möglichkeiten, aber auch Beschränkungen bieten dann die städtebaulichen, räumlichen und konstruktiven Vorgaben dieses Bestands?
Natürlich ist eine neuerliche Belebung der Innenstadt erstrebenswerter als Leerstand. Aber stützt das Umfeld diese Intervention? Und: Hält die vorgefundene, in der Regel simpel-rigid strukturierte Bausubstanz des Kommerzbunkers ausreichend statische Reserven vor, um großvolumig einzugreifen und aufzustocken?
In Braunschweig will man nun die Probe aufs Exempel statuieren – mit nichts Geringerem als der ehemaligen Karstadt-Filiale aus dem Jahr 1978. Der Fünfgeschosser mit rund 10.000 Quadratmetern Verkaufsfläche besetzt mehrere mittelalterliche Parzellen in der Altstadt. Den zugehörigen Wettbewerb gewannen einst Elisabeth und Gottfried Böhm. Ihr Fassadenrelief bietet ein kleinteiliges Wechselspiel aus Fensteröffnungen und dunkelgrau eingedeckten Schleppgauben. Zusätzlich dazu besteht in Braunschweig seit geraumer Zeit Bedarf an Orten für Musikveranstaltungen und für Musikvermittlung. Da wäre zum einen die Städtische Musikschule mit breitem Angebot bis hin zur Vorbereitung auf die Hochschulausbildung. Ihre fast 900 Unterrichtsstunden finden an verschiedenen Standorten statt – unter anderem in historischen Gebäuden mit zumindest latentem Sanierungsstau. Keine glückliche Situation, vor allem für das Jugend-sinfonieorchester. Zum anderen benötigt das als „A-Orchester“ klassifizierte Staatsorchester Braunschweig neue Räume für seine jährlich 40.000 Gäste. Das Große Haus des Staatstheaters, wo es vorwiegend auftritt, ist zu klein und die Akustik unzureichend. Die Stadthalle steht nach ihrer denkmalgerechten Umrüstung zum Konferenzzentrum künftig nicht mehr zur Verfügung. Ihre 2300 Plätze waren zwar nie ausverkauft, Raumkonzept und Charakter des Multifunktionsaales waren aber auch nicht ideal für Konzerte. Was liegt da also näher, als diesen De-fiziten mit einer neuen Bauaufgabe zu begegnen, einem „Haus der Musik“? Wenn dann noch ein potenter lokaler Investor einen Bestandsbau einbringt und – in einem noch zu klärenden Stiftungskonstrukt – mehr als die Hälfte der auf 120 Millionen Euro veranschlagten Baukosten trägt: umso besser!
Ende 2024 startete der vom inzwischen verstorbenen Braunschweiger Unternehmer Frie-drich Knapp ausgelobte Realisierungswettbewerb. Zehn geladene Architekturbüros hatten die Planung eines Konzertsaals mit 1200 Plätzen sowie eines kleinen Saals mit 400 Quadratmetern Fläche für die Musikschule, eines Kammermusiksaals von 80 Quadratmetern und weiterer Funktionsräume im Bestand zur Aufgabe. Ein Abriss wäre laut Auslobung infrage gekommen. Das Raumprogramm summiert sich auf rund 7200 Quadratmeter Nutzfläche – umzusetzen aber bitte nicht in strenger Funktionstrennung, sondern gemischt nach dem Prinzip „Minestrone“: ein „Dritter Ort“ des sozialen Austauschs, der mehr ist als die Summe seiner Einzelteile.
Die Reaktionen von Presse, Öffentlichkeit und Politik sind durchwachsen. „Ganz Europa schaut auf dieses Projekt“ zitierte die Hannoversche Allgemeine Tatjana Sabljo, Fachpreisrichterin im Verfahren und Vorsitzende des BDA in Niedersachsen. Die Braunschweiger CDU-Fraktion rückt mittlerweile vom Vorhaben ab und schlägt einen kostengünstigen Neubau nur für die Städtische Musikschule vor. Die „Fraktion“ (Linke, Volt und Die Partei) warnt gar davor, dass eine derzeitige „Schrottimmobilie“ nach gemeinsam finanziertem Umbau weiter in der Verfügungsgewalt des Investors verbleibt. Ist das Wahlkampfgetöse oder der Beginn qualifizierter Auseinandersetzung mit der Aufgabe? Es wird sich zeigen.
Einladungswettbewerb
1.Preis (35.000 Euro) Adept, Kopenhagen
2.Preis (20.000 Euro) Gustav Düsing, Berlin
Anerkennung (12.500 Euro) GRAFT, Berlin
Anerkennung (12.500 Euro) Dorte Mandrup, Kopenhagen
Auslober
Friedrich Georg Knapp mit Unterstützung der Stadt Braun- schweig, vertreten durch Dez. VIII Umwelt-, Stadtgrün-, Sport- und Hochbaudezernat, Braunschweig
Fachpreisjury
Hannes Beinhoff, Volker Droste (Vorsitz), Roland Duda, Dirk Franke, Alke Malzahn
Koordinierung
carsten meier architekten stadtplaner, Braunschweig
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