Bauwelt

150 Jahre Architekturfotografie aus Berliner Sammlungen

„Ein neuer Blick“-Ausstellung im Museum für Fotografie

Text: Hell, Oliver, Berlin

150 Jahre Architekturfotografie aus Berliner Sammlungen

„Ein neuer Blick“-Ausstellung im Museum für Fotografie

Text: Hell, Oliver, Berlin

Festungsgleich erhebt sich die Sultan Hassan Moschee über Kairo. Der sorgfältig gewählte, erhöhteStandpunkt des Fotografen monumentalisiert die Großarchitektur aus dem 14. Jahrhundert durch den Blick auf die umgebende niedrige und seltsam ruinenhafte Stadtlandschaft. Nach und nach entdeckt der Betrachter Details wie das neben dem Sakralbau geradezu winzig wirkende klassizistische Gebäude oder die Seitenfassade der Moschee, deren strenges Fensterraster wie ein Werk des frühen 20. Jahrhunderts anmutet. Das Foto stammt aus dem Jahr 1858.Rund 300 Architekturfotos aus den Sammlun­gen der Staatlichen Museen zu Berlin sind zurzeit im Museum für Fotografie zu sehen. Die Schau ist ein Gang durch die Architekturgeschichte und durch die Entwicklung der Bildgattung Fotografie gleichermaßen – Bauwerke zählten wegen der anfänglich sehr langen Belichtungszeiten zu den ersten Motiven. Im 19. Jahrhundert haben die in Europa entstandenen Aufnahmen vor allem dokumentarischen Charakter, galt es doch, den schon damals vielfach durch Verfall oder Abriss bedrohten Denkmalbestand zu erfassen. Den Fotografien außereuropäischer Architektur ist die Faszination für das Exotische immanent; man eignete sich die Welt durch das Bild an – von den Tempeln von Angkor bis zu Bauten der präkolumbianischen Hochkulturen Mittelamerikas.
Eine Panoramaaufnahme der Pariser Weltausstellung von 1900 zeigt die versammelte Weltarchitektur: Neben Barockpalais und Nürnberger Patrizierhäusern stehen indische Mogulpaläste, Moscheen, Pagoden und japanische Schreine. Fotos wie dieses, die Temporäres oder wieder Verworfenes zeigen, sorgen für ausgesprochen vergnügliche Momente in der Ausstellung. Neben der lärmenden Jahrmarkt-Architektur unter dem Eiffelturm fällt ein stilles Bild vom Pantheon in Rom auf. Aufgenommen um 1870, ist das antike Bauwerk noch durch die „Eselsohren“ entstellt. Die im Eifer der Gegenreformation von
Ber­nini errichteten seitlichen Glockentürmchen wurden Ende des 19. Jahrhunderts wieder demontiert.Ein dem Medium adäquater künstlerischer Ansatz gelingt erst im 20. Jahrhundert; frühere Versu­c­he sind meist Übertragungen erprobter Mittel aus Malerei und Grafik. Die verbesserte Technik erlaubtden Fotografen nun, mit gezielten Licht- und Schatten­wirkungen zu arbeiten. Atemberaubend: die Nachtaufnahmen von Leuchtreklamen und von Bauten der 20er Jahre, deren Materialität sich im Licht, das aus den großen Fensterflächen in die Nacht hinauszufließen scheint, auflöst. Die Bildreihen von Bernd und Hilla Becher von Denkmalen der Industrialisierung schließlich betonen noch einmal den Archivcharakter von Fotografie.

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