Bauwelt

Stefan Wewerka

Nahaufnahme Stefan Wewerka

Text: Kasiske, Michael, Berlin

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Stefan Wewerka

Nahaufnahme Stefan Wewerka

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Tentakelhaft wirken die heruntergezogenen Dachrinnen, verspielt die verdrehten Fundamentblöcke, spil­lerig die Tragstruktur, und benannt ist dieser elegante Pavillon mit Verfremdungseffekten am Münsteraner Aasee nach seinem Schöpfer: Stefan Wewerka.
Auch hier hat der 82-jährige Architekt, Künstler, Designer seinen pragmatischen und eigensinnigen Kindskopf zu Hochformen auflaufen lassen. Stets nahm sich Wewerka die Freiheit, zu neuen Ufern aufzubrechen. Wo diese lagen und wo gestartet wurde, davon ist im vorliegenden Buch „Nahaufnahme“ die Rede.
Den roten Faden bilden fragmentarische Interviews, die Alexander Wewerka Anfang der 90er Jahre mit dem Vater geführt hat. Von der Kindheit bis in die Gegenwart werden aus Privatem und Beruflichem die Prägungen der künstlerischen Entwicklung extrahiert. Zum Beispiel Wewerkas Erinnerungen an seine Kindheit in Magdeburg, wie ihn Aufrichtigkeit und Stilempfinden seiner mit bescheidenen Mitteln ausgestatteten Eltern formten, das Berufsverbot des Vaters im Nationalsozialismus, der sinnentleerte Drill beim Reichsarbeitsdienst.
„Kindheit“, „Ausbildung und erste Projekte“, „Praxis“ und so weiter sind die Kapitel lakonisch betitelt. Spannung und überraschende Pointen erzeugt Wewerka durch seine Fähigkeit zu beobachten, zu analysieren, einzuordnen und dann in pointierter Nüchternheit wiederzugeben. „Eine meiner Hauptbeschäftigungen ist es, Menschen zu beobachten, ihre Mimik und Gestik. Das ist ein Grund, weshalb ich es liebe, im Café zu sitzen. Dabei habe ich enorm viel gelernt und glaube, dass es keine bessere Schule gibt, um Menschen und ihre Welt kennen zu lernen.“
Von derlei Müßiggang waren das Studium unmittelbar nach dem Krieg an der Hochschule der Künste Berlin und der parallele Einstieg ins Bauen weit entfernt. Mit lebendigen Schilderungen von Lehrern wie Max Taut, Eduard Ludwig oder Georg Leowald eröffnet sich eine vergangene Welt. Genauso wie die hier weiter ausgeführte Erzählung vom Umbau einer alten Schule in ein Studentenheim. Gleichzeitig drängt es Wewerka in die Ferne, 1949 nach London, im Jahr darauf nach Amsterdam.
Seine vornehmlich in den 50er bis 70er Jahren entstandenen Architekturentwürfe blieben realistisch, doch stets jenseits der Norm. Seine Sensibilität für das Gegebene – er selbst wählt den Imperativ „Nimm Realitäten“ – führt zu differenzierteren Konzepten als die der Zeitgenossen. Der Beitrag zum Ideenwettbewerb „Wohnviertel Ruhwald“ in Berlin 1965 etwa thematisiert Verkehrsraum auf damals ungewohnte Weise: Die im Wechsel mit überlangen Wohnzeilen liegenden Straßen waren den Fußgängern vorbehalten und gaben „dem Automobil seine ihm gemäße Rolle anstatt nur von der einen Voraussetzung, der idealsten Bedingung für das Automobil auszugehen.“ Auf den „Bedienungsstraßen“ war vorausschauend Tempo 30 vorgesehen.
Leider werden weder zu diesem Projekt, zum Vorläufer „Siedlung Frühauf“ noch zu den Häusern, die Wewerka im Kölner Büro Schilling realisierte, nicht mehr Pläne und Fotos gezeigt als bisher schon bekannt waren. Dieser Publikation, die den unmittelbaren Blick schon im Titel führt, hätte eine umfänglichere Darstellung gut gestanden. Ähnlich verhaftet auch die Präsentation der Arbeiten in den Bereichen Grafik, Produkt- und Modedesign sowie Skulptur
in dem, was bereits verstreut publiziert wurde. Man möchte den Herausgebern Wewerkas Vater in Erinnerung rufen, der im Museum zu manchen Arbeiten bemerkt hat, hier sei „nicht bis zur letzten Schicht gegangen“ worden.
Womöglich war es aber Wewerka selbst, von dem seine Kölner Kollegin Mary Bauermeister sagte: „Er hatte brillante Ideen, aber er war faul – wir dis­kutierten viel, aber er reiste lieber.“ Wewerka hat keine Vollendung angestrebt, er ist ein quer denkender An- und Erreger geblieben. Davon legt das
Buch Zeugnis ab.
Fakten
Autor / Herausgeber Wulf Herzogenrath, Alexander Wewerka (Hrsg.)
Verlag Alexander Verlag, Berlin 2010
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aus Bauwelt 19.2011
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