Bauwelt

Friche la Belle de Mai


Terrain der Freiheit


Text: Redecke, Sebastian, Berlin


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    Luftfoto: Pascal Martinez

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    Foto: Olivier Amsellem

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In Marseille wurde ein Projekt der offenen Kunstszene in die Reihe der Standorte der Kulturhauptstadt 2013 aufgenommen. Die Architekten Matthieu Poitevin und Pascal Reynaud bauten schon vor einiger Zeit den Gebäudekomplex einer ehemaligen Tabakfabrik zu „Friche la Belle de Mai“, einem Kulturquartier mit vielfältigen Möglichkeiten, um.
Im September soll das fünftägige Festival „Cuisines en Friche“ stattfinden. Köche, Künstler und Soziologen aus ganz Europa werden in verschiedenen Foren über die kreative Küche und ihre künstlerische Bedeutung diskutieren – und natürlich auch miteinander kochen. Im Mittelpunkt wird das Künstlerkollektiv Joep Van Lieshout stehen.
Diese Veranstaltung ist charakteristisch für die Friche la Belle de Mai. Das Kulturzentrum dehnt sich auf einem Areal von 40 Hektar Größe nordöstlich vom Hauptbahnhof Saint-Charles aus. Bis Mitte der achtziger Jahren befand sich hier die Seita, eine staatliche Fabrik für Zigaretten, u.a. auch für die berühmte Gauloise, und für Streichhölzer. Doch dann war Schluss damit, und die Gebäude standen leer. Die Konkurrenz aus dem Ausland und die Kampagne gegen das Rauchen hatten zu einem deutlichen Produktionsrückgang geführt. Ende der achtziger Jahre wurde in Vitrolles eine neue Fabrik errichtet, in der weitgehend vollautomatisch produziert wird. Gleichzeitig begannen in Marseille die Diskussionen darüber, ob das alte Fabrikgelände abgerissen oder umgenutzt werden sollte. Die ersten Gebäude stammen aus dem Jahr 1858. Sie wurden in den dreißiger und fünfziger Jahren erweitert. Ihre zentrale Lage weckte Begehrlichkeiten unterschiedlichster Art. Die Stadt entschied sich schließlich, die Gebäude für die Kultur zu retten. Jean Nouvel zeigte Interesse und leitete das Projerkt von 1995 bis 2002. Nach seinem Rückzug wurde das Marseiller Büro ARM, Matthieu Poitevin und Pascal Reynaud, mit den Um- und Neubauten zum Kulturzentrum beauftragt. Dies war lange nur in kleinen Schritten möglich. Schließlich wurde es zu einem der Standorte im Rahmen der Kulturhauptstadt Marseille und erhielt dadurch einen entscheidenden Schub.
Die Friche la Belle de Mai ist ein großer, flexibel nutzbarer Ort der Kultur, der, soweit es geht, als frei zugänglicher städtischer Raum offen steht. Er setzt sich weiterhin aus mehreren Gebäuden zusammen und beherbergt heute, trotz seiner teilweise brut wirkenden Architektur, Räume von großem Charme und voller Lebendigkeit. Um die kleinteilige Nutzung überhaupt zu ermöglichen, entschieden die Architekten, die Gesamtanlage mit mehreren, nebeneinander liegenden, offenen Gängen und Höfen vertikal zu „zerteilen“. So ließen sich besonders in der früher dunklen und abgeschlossenen Lagerhalle für Zigaretten offene Durchgänge und Durchblicke schaffen, und es gelang auch, das Areal funktional überzeugend zu gliedern.
Das Belvedere
Höhepunkt des Rundgangs ist das Belvedere mit einer Fläche von 7000 Quadratmetern auf dem Dach des ehemaligen Lagergebäudes. Die Architekten wollten eine offene, in den städtischen Raum eingegliederte „Terrasse aérienne“ für Veranstaltungen, die sich hier mit einem weiten Blick über die Stadt sehr gut anbot. Eine geschwungene Rampe überbrückt einen der neuen Einschnitte der Lagerhalle. Über der Terrasse „schwebt“ ein kubischer Bau, „Le Panorama“ genannt. Diese neu hinzugefügte Halle mit einer lichten Höhe von 12 Metern bietet Raum für Ausstellungen großformatiger Werke. Ein ebenfalls aufgesattelter Theatersaal, der von Anfang an geplant war, wurde bisher nicht gebaut. So fehlt leider ein wichtiger Bestandteil des Gesamtkonzepts. Zu einem besonderen Anziehungspunkt im Stadtquartier ist das Großrestaurant „Les Grandes Tables“ auf einer Fläche von 500 Quadratmetern geworden. Der Street Park entlang der Bahngleise wird von den Jugendlichen im Quartier genutzt. Die gewünschte Einbindung des Kunstareals scheint besonders hier gut gelungen.
SCIC
Bei der inhaltlichen Planung arbeiten die Betreiber des Kulturzentrums wird mit Patrick Bouchain zusammen. Der Architekt hat sich seit der Umnutzung der Keksfabrik Lu zum „Lieu Unique“ in Nantes (Bauwelt 39.00) mit mehreren interdiziplinären, meist temporären Projekten auch international einen Namen gemacht. Dazu gehört u.a. auch das Centre Pompidou Mobile, das mit großem Erfolg von einer französichen Kleinstadt zur nächsten zieht und in Zelten 14 Gemälde ausstellt (Bauwelt 47.11). Bouchain ist vor allem an konzeptioneller Arbeit interessiert. In Marseille gelang es, unter Mitwirkung al-ler Beteiligten, von der Stadt bis zum einzelnen Künstler, die Kooperative SCIC (Société coopérative d’intérêt collectif) zu gründen. Voraussetzung war, dass die Stadt das Terrain und die Gebäude auf Dauer kostenfrei zur Verfügung stellt. Dann wurde im Team ein Gesamtkonzept einschließlich eines Kulturprogramms erarbeitet, das ganz bewusst viele Freiheiten lässt und dennoch Potenziale aufweist, die auch auf längere Sicht einen kostendeckenden Betrieb ermöglichen.



Fakten
Architekten Poitevin, Matthieu, Marseille; Reynaud, Pascal, Marseille
Adresse 41 Rue Jobin, 13003 Marseille, Frankreich


aus Bauwelt 15.2013
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