Bauwelt

Mehr Romantik wagen?

Zum Umgang mit der Nachkriegsmoderne

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

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So sieht es im gut erhaltenen Innern des „Reiterstandbilds der Pop Art“ aus: Ludwig Leos Umlauftank 2 im Berliner Tiergarten mit geöffnetem Umlaufrohr
Foto: Philip Lohöfener © Wüstenrot-Stiftung

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So sieht es im gut erhaltenen Innern des „Reiterstandbilds der Pop Art“ aus: Ludwig Leos Umlauftank 2 im Berliner Tiergarten mit geöffnetem Umlaufrohr

Foto: Philip Lohöfener © Wüstenrot-Stiftung


Mehr Romantik wagen?

Zum Umgang mit der Nachkriegsmoderne

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

Können Erscheinungsbild und Ästhetik Kriterien sein für die Denkmalpflege? Ebenbürtig gar dem ehernen Prinzip des Substanzerhalts? Können wir eine Flicken-Ästhetik, wie sie viele immer wieder ausgebesserte Denkmäler aus alter Zeit inzwischen prägt, auch bei einem Baudenkmal der Nachkriegsmoderne ertragen?
Gilt für ein solches das Gesetz der Makellosigkeit genauso wie für die Gebäude der Klassischen Moderne? Oder wäre es auch möglich, sagen wir, einen Umlauftank mit den Augen der Romantiker zu betrachten? 
Fragen wie diese waren Gegenstand einer so kurzweiligen wie lehrreichen Veranstaltung auf dem Berliner Pfefferberg. Die Wüstenrot-Stiftung, bekannt für ihre beispielhaften Sanierungen historischer, moderner und inzwischen auch spätmoderner Architekturen – die Bandbreite reicht vom Biblischen Haus in Görlitz (Bauwelt 42.2004) bis zum jüngst verkündeten Engagement für Ludwig Leos Umlauftank 2 im Berliner Tiergarten, dem „Reiterstandbild der Pop Art“, wie Philip Kurz, Geschäftsführer der Stiftung, das Bauwerk treffend nennt –, die Wüstenrot-Stiftung also hatte in die Räume des Aedes-Netzwerk-Campus eingeladen, um anlässlich ihrer Publikation zur Instandsetzung der Geschwister-Scholl-Schule in Lünen von Hans Scharoun (Bauwelt 25.2013) den Umgang mit Bauten der Nachkriegsmoderne zu diskutieren. Ein Thema, das in einer Stadt wie Berlin, die, abgesehen von ein paar Blöcken gründerzeitlicher Mietskasernen rings um den Veranstaltungsort, zum größten Teil aus Bauten der Nachkriegsmoderne besteht, vielen unter den Nägeln brennt: So überbucht war die Veranstaltung, dass sich der nicht angemeldete und von der eisernen Türsteherin abgewiesene Bauwelt-Redakteur nur über das auch von der benachbarten Bar zu betretende Herren-WC Zugang zum Ort der Debatte verschaffen konnte. Ein solch großes Interesse ist eine beglückende Erfahrung, wenn man in den 90er Jahren in Dortmund ­erleben musste, wie außer ein paar versprengten Profes­soren niemand Alarm schlug, als erst die denkmalgeschützte Stadt- und Landesbibliothek (1958) gesprengt und ein Jahr später die Ladenpassage am Hauptbahnhof (1959) ausgelöscht wurde; für die Architekten und Denkmalpfleger in der Stadt damals eine furchtbare Niederlage.
Die Wüstenrot-Stiftung hatte allerdings auch ein verlockendes Programm auf die Beine gestellt. Architekt Oskar Spital-Frenking gewährte einen Einblick in die Aufgabe, vor die er sich mit seinem Büropartner Michael Schwarz bei Scharouns Schule in Lünen gestellt sah, Stefan Motz vom Büro HG Merz präsentierte die Zustandsanalye des Umlauftanks, Steffen Obermann vom Büro adb sprach über seine Zweifel (und Verzweiflung) angesichts der Aufgabe, die Betonwaben von Egon Eiermanns Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sanieren zu müssen; zudem waren mit Werner Durth, Adrian von Buttlar, Alexander Schwarz und Georg Vrachliotis auch ausgewiesene Experten zusammengetrommelt worden, um die drei Sanierungsfälle und die grundsätzlichen Fragen, die sie aufwerfen, zu diskutieren.
Bis der letzte Quadratzentimeter verloren ist
Und Diskussionsbedarf besteht, bei aller Vorbildlichkeit, mit der die Stiftung und die Architekten die Scharoun-Schule renoviert haben. Die Beton-Waben der Eiermann-Kirche etwa sind in ihrer kurzen Geschichte bereits so oft ausgebessert worden, dass vom originalen Material kaum mehr etwas übrig ist – mit einer Betonüberdeckung von nur 13 mm sind die Elemente sozusagen auf Selbstzerstörung hin konstruiert. „Reißt das Ding doch einfach ab und rekonstruiert den Schwechten-Bau, dann habt ihr Ruhe“, mochte dem einen oder anderen Zuhörer angesichts von Obermanns Präsentation durch den Kopf gefahren sein. Das kommt natürlich nicht in Frage. Damit aber stellt sich hier wie auch gegenüber an­deren Gebäuden der Zeit die Frage, was zu tun ist. Weiter wie bisher? Bis auch der letzte Quadratzentimeter Originaloberfläche verloren ist? Auf dass das Gebäude sich, einem lebenden Organismus gleich, Zelle für Zelle bzw. Wabe für Wabe wieder und wieder erneuert?
Im Fall der Gedächtniskirche ist immerhin die Nutzung gesichert – nicht auszudenken, was zum Beispiel dem Umlauftank bevorstünde, hätte sich nicht die Berliner TU bereit erklärt, das Objekt weiterhin im ursprünglichen Sinn zu gebrauchen, und ganz zu schweigen vom ungewissen Schicksal des ICC, auf dessen Zerstörung schon die Nostalgiker in der Berliner Filiale des Deutschen Werkbunds hinfiebern, wie Adrian von Buttlar zu schildern wusste. Wenn dieser Bau fällt, so viel dürfte klar sein, hat sich das Thema Denkmalschutz für Bauten der 70er Jahre erledigt. Bevor es soweit ist, wird Bauwelt 46 das Sanierungskonzept für den Bau von Ludwig Leo vorstellen und den oben angeführten Fragen weiter nachgehen.

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