Bauwelt

„Eine sehr freie Darstellung der Milchstraße.“

Restaurierte Glasdecke in der Villa Empain

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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Foto: Georges De Kinder

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„Eine sehr freie Darstellung der Milchstraße.“

Restaurierte Glasdecke in der Villa Empain

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Interview mit der Restauratorin Monika Neuner über ihre Restaurationsarbeit der Glasdecke von Max Ingrand in der Villa Empain.
Frau Neuner, wie kamen Sie zu dem Auftrag?
Ich wurde vom Musée des Arts Décoratifs in Paris empfohlen. Nach mehreren Aufträgen für das dortige Glaszentrum kannte der zuständige Kurator, Jean-Luc Olivié, meine Spezialisierung auf Glasdekore. In Belgien ist niemand auf diese Art von monumentalen Glasdekoren spe­zialisiert, in Europa nur sehr wenige Fachleute.
Die Glasdecke fällt gestalterisch aus der Architektursprache der Villa heraus. Man könnte vermuten, ein Surrealisten hätte sie entworfen. Trifft dies zu?
Die Decke stammt von Max Ingrand (1908–1969), einem bedeutenden französischen Glasdesigner und Dekorateur. Er war künstlerischer Direktor von Fontana Arte und wurde bekannt durch seine Art-déco-Entwürfe in graviertem Glas, zum Beispiel für die Ausstattung des Kreuzfahrt­schiffes „Normadie“. Er erstellte auch Vitrail-Fenster und andere monumentale Dekore her. Die Decke für die Villa wurde in Zusammenarbeit mit seiner Frau, Paule Ingrand, geborene Rouquié, ausgeführt. Meistens bleibt der Name von Paule unerwähnt, ihre bildnerisch herausragenden Einflüsse sind aber deutlich zu erkennen. Nach der Scheidung zu Kriegsende wirkte Paule als künstlerische Direktorin der belgischen Firma Art & Lumière.
Was wissen Sie über die Geschichte der Glasdecke?
Sie wurde zweifelos von Anfang an in die Ausstattung der Villa einbezogen. Ihre tragende Struktur und die elektrische Verkabelung konnten nicht zu einem späteren Zeitpunkt eingefügt werden. Die Hinterleuchtung war nicht mehr funktionsfähig. Die drei fehlenden Platten wurden wahrscheinlich erst in den späten 90er Jahren zerstört. Wir konnten nur wenige Scherben auffinden.
Können Sie die einzelnen, auf der Fläche verteilten Bilder der Glasdecke erklären?
Es handelt sich um eine sehr freie Darstellung der Milchstraße (Titel des Werks: „La voie lactée“). Sie verläuft, leicht gewunden, über die gesamte Fläche, einzelne Sternbilder wie der Adler, die Schildkröte Kassiopeia, Perseus, die Medusa tötend, die Krone, das Schild von Sobieski, die Schlange, die Krone, sowie einige Konstellationen des Zoodiaques, z. B. das Zwillingspaar und der Stier sind deutlich zu erkennen. Bildnerisch sind die einzelnen Elemente häufig von einem „Leuchten“ umgeben; technisch ist dieser Effekt mit dem sanften Verlauf der Sandstrahlung zu erklären.
Welche Schwierigkeiten gab es bei der Restaurierung? Welche Techniken wurden angewandt?
Wir stellten bei der Demontage der 18 erhaltenen Glasplatten Asbeststaub fest. Mehrere Bohrungen in der abgehängten Decke und Änderungen der elektrischen Verkabelung haben zu dieser Ablagerung auf der Rückseite der Glasplatten und unter den Malschichtablösungen geführt. Eine Schwierigkeit war die Festigung der sich lösenden Malschichtbereiche. Vor allem die auf das unbehandelte Glas aufgetragenen Farb- und Metallschichten zeigten massive Craquelébildung und Ablösungen. Wir konnten diese Schichten nach mehrmaliger Injektion von Festigungsmitteln wieder stabilisieren und dann ergänzen. Eine weitere Schwierigkeit waren die drei zerstörten Platten, darunter die zentrale Platte mit dem Adlermotiv. Es stellte sich die Frage, inwieweit diese drei Lücken in illusionistischer oder „sichtbarer“ Weise geschlossen werden sollten. Für die Lesbarkeit und ästhetische Erscheinung des Gesamtwerks kam nur die erste Möglichkeit in Frage. Ich fand in einem Glaslager bei Paris Glasplatten gleicher Färbung, allerdings in einer vom Original leicht abweichenden Stärke. Wir haben verschiedene Oberflächenbehandlungen analysiert und Muster angefertigt. Die Zeich­nun­gen der fehlenden Glasplatten konnte von Fotos übernommen werden. Es wurden mehrere Grade von Sandstrahlung und Saureätzgravur durchgeführt. Anschließend wurden die Platten leicht patiniert, um sie den umliegenden an­zupassen, sowie die Farb- und Metallaufträge ergänzt.
Fakten
Architekten Max Ingrand (1908–1969)
aus Bauwelt 21.2011
Artikel als pdf

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