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Berlin unterm Notdach

Fotos von Fritz Eschen bei C/O Berlin

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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Foto: Deutsche Fotothek

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Berlin unterm Notdach

Fotos von Fritz Eschen bei C/O Berlin

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Nach Jahren der Zwangs­arbeit in Berlin stürzt Fritz Eschen sich unmittelbar nach Kriegsende wieder in die Arbeit. Unpathetisch dokumentiert er die Trümmer-Stadtlandschaft, den Alltag der Menschen, ihren Überlebenswillen.
„DAZU brauchte Hitler 12 Jahre Zeit“, hat jemand mit weißer Farbe auf die Fassadenreste eines zerstörten Wohnhauses gepinselt. Das Foto mit der unmissverständlichen Botschaft ist eine von 120 Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Berliner Fotografen Fritz Eschen (1900–1964) aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, die C/O Berlin zu der beeindruckenden Ausstellung „Berlin unterm Notdach“ zusammengestellt hat.
Seit 1929 arbeitet der fotografische Autodidakt Fritz Eschen erfolgreich als freier Bildjournalist. 1933 wird er, aus einer jüdischen Familie stammend, aus dem Reichsverband der Deutschen Presse ausge­schlos­sen, was einem Berufsverbot gleichkommt. Vor der Deportation bewahrt ihn die „privilegierte Misch­ehe“ mit einer „Arierin“. Nach Jahren der Zwangs­arbeit in Berlin stürzt er sich unmittelbar nach Kriegsende wieder in die Arbeit. Unpathetisch dokumentiert er die Trümmer-Stadtlandschaft, den Alltag der Menschen, ihren Überlebenswillen.
Eschens Blicke auf Berlin zur „Stunde Null“ sind zeitgeschichtliche Dokumente, so unspektakulär manche der Fotos bei flüchtigem Hinsehen auch sind. Im abgeholzten Tiergarten werden Kartoffeln angepflanzt. Kinder erobern sich die Ruinen als Abenteuerspielplatz. Eine Frau ist erfolgreich einkaufen gewesen, in ihrem Einkaufsnetz liegt eine Handvoll Holzscheite. Die Wechselstuben zur Währungsreform 1948 werfen Schatten auf die Teilung Deutschlands voraus. Eine riesengroße Werbetafel für „Die besten Jahre unseres Lebens“ verdeckt die Schäden an der Fassade der Varieté-Bühne „Scala“. Der Film von Regisseur William Wyler aus dem Jahr 1946 über eine Gruppe von Kriegsveteranen und ihre Suche nach einem neuen Platz in Familie und Gesellschaft porträtiert das Lebensgefühl der Menschen nach 1945. Die, trotz aller Rückschläge, optimistische Aufbruchstimmung des Hollywood-Streifens findet sich auch in vielen von Eschens Aufnahmen.
C/O Berlin hat für die Ausstellung eine multimediale iPhone-App entwickeln lassen, mit der aktuelle Fotos von den Orten, die Eschen fotografiert hat, und zusätzliche Texte abgerufen werden können. ­Eschens Aufnahmen kommen aber durchaus ohne solche Extras aus; das Hin-und-Her-Scrollen zwischen den Digitalbildchen lenkt nur von den großartigen Originalen ab.

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