Bauwelt

Aus deutschen Landen

Made in Germany Zwei in Hannover

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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Ulla von Brandenburg, Kulisy, 2010
courtesy Art:Concept, Paris

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Ulla von Brandenburg, Kulisy, 2010

courtesy Art:Concept, Paris


Aus deutschen Landen

Made in Germany Zwei in Hannover

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Zum zweiten Mal nach 2007 haben sich die drei Hannoveraner Institutionen Sprengel Museum, Kunstverein und Kestnergesellschaft zusammengeschlossen, um parallel zur Documenta der jüngeren Kunst aus Deutschland eine Überblicksausstellung zu widmen.
Unter „Made in Germany Zwei“ versammeln sich 45 internationale Künstler, die in Deutschland leben und arbeiten; es interessiert also der „Produktions­standort Deutschland“. Dass über zwei Drittel der Ausgestellten in Berlin ansässig sind, kann man als Psychogramm der deutschen Kulturlandschaft lesen, und dass sich nur zehn Prozent der Teilnehmer nicht von einer Galerie vertreten lassen, als vitalen Hang zur wirtschaftlichen Konsolidierung bereits in der Szene „Generation 30+“.

Augenfällig ist die selbstreflexive Auseinandersetzung mit historischen und neuen künstlerischen Techniken – das Medium selbst wird Material. So verschwimmen etwa die Grenzen zwischen Malerei und Fotografie, wenn Ricarda Roggan ausrangierte Cockpits alter Spielhallen oder funktionsfreie Kon­struktionen aus Planen und Gerüstteilen wie großformatige Stillleben lichtbildnerisch inszeniert. Ganz offensichtlich gibt es Material-Moden: Nostalgisch ratternde Filmprojektoren und ihre flackernden Bilder sind recht häufig vertreten. Rosa Barba hängt gar einen Projektor an seinem 16mm Filmloop mit Leerbildern als Objekt von der Decke. Hier ist das Medium die alleinige Botschaft.

Unter den narrativen Ausdrucksformen finden sich neben Fotografie und Film auch Installationen. Der Fotograf Sven Johne folgte einem Wanderzirkus durch Ostdeutschland. Er zeigt die bereits wieder geräumten Spielstätten, allesamt keine blühenden, sondern melancholische, aufgegebene Landschaften. Simon Fujiwara rekonstruiert aus einem Flohmarktnachlass die Bibliothek eines jüdischen Forschers namens Theo Grünberg. Bei seinen Recherchen zu Grünberg stieß Fujiwara auf drei mögliche Personen dieses Namens, sodass er anhand weiterer Bücher, Schallplatten, Forschungsfunde und persön­licher Erinnerungen eine multiple Persönlichkeit entstehen lässt.

Dirk Dietrich Hennig erschafft gar eine fingierte Biografie: die des belgischen Fluxus-Grenzgängers Jean Guillaume Ferrée. Hennig rekonstruiert den Klinik-Pavillon, in dem der exzentrische Künstler immer wieder Lebensphasen verbrachte, verfasst den psychiatrischen Befund, fertigt aber auch Artefakte und ihre Rezeptionsgeschichte mittels fingierter Zeitungscover. Alles wirkt ungemein glaubwürdig. Die Grenze vom Narrativen zum Räumlichen und zum Übersinnlichen ist fließend: Ulla von Brandenburgs malerische Kulisse aus Theatervorhängen der Warschauer Oper ist gleichzeitig epische Erzählung, diffizile Raumschichtung und latentes Geheimnis.

Das Potpourri der gezeigten Arbeiten bewegt sich ästhetisch und bildnerisch auf hohem Niveau. Es zeugt aber auch von serviler Ernsthaftigkeit und ironiefreier Selbstgewissheit, die das gesellschaftskritische Potenzial der Kunst offenbar längst aufgegeben hat. Denn, um mit dem Philosophen Hannes Böhringer zu sprechen: Man vermisst den avantgardistischen Primitivismus, das Stottern und Stammeln in einer fremden Sprache, die Haltung des Suchens und Erkundens. Die Künstler, so scheint es, haben sich im sozialen Netz eingerichtet, die Kunst erschöpft sich in der Kommunikation über Kunst – in dicken Katalogen, Kommentaren, Theorien und Smalltalk.

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