Bauwelt

Mäusebunker und Hygieneinstitut

Eine Berliner Versuchsanordnung

Text: Hotze, Benedikt, Berlin

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Mäusebunker und Hygieneinstitut

Eine Berliner Versuchsanordnung

Text: Hotze, Benedikt, Berlin

Nehmen wir mal an, dass da irgendwo im Berliner Südwesten, weit außerhalb des Radars der üblichen innerstädtischen Bezirke, ein verstörendes Objekt herumsteht, das wie ein militärisches Schiff in Beton wirkt. Nehmen wir weiterhin an, dass internationale Brutalismus-Freaks das als Hotspot handeln – gerade weil es abgerissen werden soll(te). Nehmen wir an, dass es das „hässlichste Gebäude Berlins“ ist, wie die daueraufgeregte Boulevardzeitung B.Z. urteilte – unter ca. 600.000 Gebäuden in dieser Stadt ein Superlativ, den man sich erstmal verdienen muss. Nehmen wir an, dass ausgerechnet dieses unter Denkmalschutz gestellt wurde und somit nicht mehr abgerissen werden darf: Was macht man damit? Das weiß keiner. Denn die Geschosshöhen sind zu niedrig, die Gebäudetiefen zu groß, außerdem darf niemand rein, weil die Belüftung abgestellt ist.
Es kommt noch besser: Nehmen wir weiter an, dass in unmittelbarer Nähe ein wunderbarer und funktionierender Bau einer spätexpressionistischen Moderne steht, der für viele Filmaufnahmen herhalten darf. Nehmen wir an, dass zufällig bekannt wird, dass auch dieser Bau seine Nutzung verliert und vom Eigentümer, der öffentlichen Hand, abgerissen werden soll.
Dann haben wir et-wa die Disposition, die sich in den letzten fünf Jahren herausgebildet hat. Über diesen Zeitraum wurde auch dieses Buch konzipiert – von einem aktivistischen Architekten und Bauhistoriker, von Ludwig Heimbach. Zur Buchvorstellung in der Galerie Aedes sagt er: „Das Hygieneinstitut mag vielleicht das bessere Gebäude sein, aber der Mäusebunker ist wegen seiner Bedeutung für heutige Fragen das spannendere“. Heutige Fragen, das sind natürlich die Fragen der Umnutzung, des Substanzerhalts. Die umtriebige Braun- schweiger Professorin Elisabeth Endres sagt auf derselben Veranstaltung: „Wir sollten das Haus fragen: Was kann ich? Der Mäusebunker ist da gut zum Üben!“ Landeskonservator Christoph Rauhut stimmt zu: „Beim Hygieneinstitut geht es um das Nachnutzen des Gebäudes mit allen seinen Talenten. Und beim Mäusebunker müssen wir ins prozessuale Denken kommen. Wer fängt die Kreativität auf?“ Rauhut war maßgeblich an einem Modellverfahren Mäusebunker beteiligt, dessen Ergebnis die Unterschutzstellung des Baus im Jahr 2023 war.
Das vorliegende Buch ist in seiner akribischen Materialfülle genau die benötigte Unterlage, um diese „Berliner Versuchsanordnung“ (Untertitel) zu begleiten. Hier wurde zu den beiden Bauten alles, aber wirklich alles zusammengetragen, was dafür benötigt wird – von historischen Plänen und alten Bauwelt-Artikeln im Faksimile
bis zum Foto-Essay aus dem Inneren im Jetzt-Zustand. Es dokumentiert die politischen Debatten genauso wie die damaligen Entstehungsgeschichten. Auch wer nicht aktiv an der Versuchsanordnung beteiligt ist, wird an diesem Buch, das eher eine pralle Handakte als ein Architekturbuch geworden ist, helle Freude haben.
Fakten
Autor / Herausgeber Ludwig Heimbach (Hrsg.)
Verlag Jovis Verlag, Berlin 2025
Zum Verlag
aus Bauwelt 17.2025
Artikel als pdf

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