Bauwelt

Hamburg

Positionen, Pläne, Projekte 1 & 2

Text: Meyer, Ulf , Berlin

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Hamburg

Positionen, Pläne, Projekte 1 & 2

Text: Meyer, Ulf , Berlin

Hamburg kann als Stadtstaat nicht nach außen wachsen und setzt deshalb auf Wachstum nach innen. „Mehr Stadt in der Stadt“ lautet das Man­tra der Stadtentwicklung in der Hansestadt. Wegen der vergleichsweise geringen baulichen Dichte in weiten Teilen des Stadtgebiets gibt es dafür viel Potenzial. Dennoch achtet die Politik darauf, dass die Binnen-Urbanisierung nicht als weitere Versiegelung von Flächen daher kommt oder Bürger denken, dass Qualitäten des städ­tischen Lebens durch Nachverdichtung verloren gehen. Deshalb hat die Behörde für Stadtentwicklung den Hamburger Architekturjournalisten Olaf Bartels gebeten, eine Buchreihe herauszugeben, in der die neuesten Bau-Projekte vorgestellt und planungspolitisch kontextualisiert werden. Das nördliche Elbufer, die östliche HafenCity oder der „Sprung über die Elbe“ gehören derzeit zu den wichtigsten Entwicklungsgebieten in Hamburg, es gibt aber noch viele weitere Gebiete.
Dem ersten Band zum Thema „Stadträume bauen“ aus dem Corona-Jahr 2020 folgte nun der zweite zum Thema „Nachbarschaft gestalten“. Der Begriff der geplanten „Nachbarschaft“ wird in dem Buch selber problematisiert. Er stammt aus dem Nationalsozialismus. Stephan Reiss-Schmidt nennt den Begriff „Nachbarschaft“ sogar eine „weiße Salbe für die Zumutungen einer stärker finanzmarktgetriebenen und baukulturell armseligen Stadtentwicklung“. Gemeint ist mit „Nachbarschaft gestalten“ im Fall von Hamburg jedoch das Ziel, „auch am Stadtrand eine Stadt der kurzen Wege“ zu schaffen.
Wie gut das im Detail gelingt, müssen neue Quartiere wie Oberbillwerder beweisen. In nur fünf Jahren soll es beispielsweise ein „flächendeckendes Angebot an fahrerlosen Ruf-Bussen“ an der Peripherie Hamburgs geben. Das ist schwer zu glauben. Die Anzahl der PKW, die in Hamburg zugelassen sind, steigt derweil. Die Stadtplanung beschäftigt sich deshalb derzeit mit den großen Auto-Magistralen, die von der Innenstadt nach Norden führen. Ein dichtes ÖPNV-Netz funktioniert in der Zwischenstadt nicht. Dieter Nagel behauptet zwar in seinem Essay, dass keine neuen Baugebiete für Einfamilienhäuser in Hamburg mehr ausgewiesen werden, im Projekttext zur Neustadt Oberbillwerder ist allerdings zu lesen, dass dort doch EFH-Gebiete vorgesehen sind.
Generell ist bei beiden Bänden für den Leser nicht leicht zu erkennen, inwieweit die vorgestellten Bauprojekte tatsächlich den politischen Vorgaben entsprechen und ob sie wie geplant gebaut werden oder wurden. Eine echte Kritik der Projekte (und auch der teils blumigen politischen Ziele) kann die Buchreihe naturgemäß nicht leisten, weil sie vom Stadtstaat herausgegeben und bezahlt wird. Bartels ist dennoch klug genug, das Buch nicht wie eine Werbebroschüre de luxe wirken zu lassen. Sätze wie „der horizontale Gebäudeentwurf setzt moderat vertikale Architekturakzente“ hätte sein Lektorat dem Leser dennoch lieber erspart. Im Buch werden viele Renderings aneinandergereiht, die alle verlockend attraktiv aussehen. Eine Kopenhagen-isierung von Hamburg ist das erklärte Ziel, und dänische Architekten entwerfen auch einen großen Teil der Projekte und/oder dienen ihren Kollegen als Vorbild. Peter St John behauptet, dass „gemauerte Fassaden bessere Stadträume schaffen“.
Wie ernst meint Hamburg es mit dem Abschied vom privaten Auto in der Innenstadt wirklich? Bei den Neubauten auf dem Grasbrook wird nur noch ein Stellplatz pro fünf Wohnungen geplant. Die Idee, Tiefgaragen und das Parken auf der Straße ganz zu verbieten, wird in einem der Texte im Buch postuliert, aber davon ist man in Deutschland weit entfernt. Ob der Ausbau der Radwege zu Lasten der Fahrspuren für Autos oder „shared spaces“ der geeignetere Weg sind, die Verkehrswende im Hamburg herbeizuführen, darüber sind sich die Experten im Buch nicht einig.
Roger Diener aus Basel zeigt mit seinem Projekt „Hamburger Hof“, was mit dem Ziel „Erneuern statt Auswechseln“ in Bezug auf den Umgang mit dem Gebäudebestand in der Innenstadt gemeint sein kann. Die vier Hochhäuser der „City-Höfe“ am Hauptbahnhof von 1958 wurden hingegen abgerissen – obwohl sie unter Denkmalschutz standen. Karin Loose schreibt in ihrem Text zu recht, „wir müssen die Leitbilder der Nachkriegs-Moderne überwinden, aber nicht ihre Gebäude“.
Der zweite Band der Reihe bietet erstmals sehr kurze „english summaries“, jeweils am Ende der Kapitel. In Fortschreibung des ersten Bandes knüpfen einige Texte wortgleich an den ersten an, aber es sind Texte von neuen Autoren zu lesen wie Kaye Geipel und Werner Sobek. Beide Bände sind um einen Fotoessay ergänzt. Während im ersten Band noch Wachstums-Euphorie zu spüren war („Hamburg auf dem Weg zur 2-Millionen-Stadt“) hat in den fünf Jahren, die zwischen der Arbeit an den beiden Bänden lagen, eine neue Prognose diese Ambitionen gedämpft. Der halbfertige Elbtower von David Chipperfield hat die Elbphilharmonie als neues Symbol der baulichen Entwicklung der Hafenstadt abgelöst.
Die Bedeutung der Mode-Floskeln „Schwammstadt“, Baumoratorium, Home-Office und „15-Minuten-Stadt“ werden in Bezug auf Hamburg in dem zweiten Band diskutiert. Ob ein dritter Band geplant ist, verraten die ersten
beiden Bücher nicht. Zu wünschen wäre einem möglichen Folgeband ein besserer Abgleich von politischem Anspruch und architektonischer Realität. Eine allzu kritische Diskussion verbietet sich leider im Format einer planungspolitischen Leistungsschau.
Fakten
Autor / Herausgeber Olaf Bartels und der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (Hrsg.)
Verlag Jovis Verlag, Berlin 2021/2025
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