Casa Rossa Chemnitz
Ein Beitrag nachhaltiger Baukultur
Text: Dinkel, Diana , Nürnberg
Casa Rossa Chemnitz
Ein Beitrag nachhaltiger Baukultur
Text: Dinkel, Diana , Nürnberg
„Wissen Sie eigentlich, worauf Sie sich einlassen?“ – Das Haus ist in Sonnenberg verortet, einem typischen Gründerzeitviertel in Chem-nitz mit schlechtem Ruf aus der Zeit der Indus-trialisierung: rußige Häuser, finstere Straßen und überall Müll. Dem dama-ligen Status Quo des raumgreifenden Leerstand tritt das sanierte Gründerzeithaus entgegen, reaktiviert das urbane Gefüge und nutzt die Stadt als Bodenressource. Wortwörtlich, denn der vorgefundene Boden beinhält eine meterdicke Schicht Lößlehm – ein geeigneter Ziegelrohstoff. Sonnenberg war mit 19 Ziegeleien zwischen 1850 und 1920 eine Ziegelhochburg. Leitmotiv der Casa Rossa, wie der Name schon anklingen lässt, ist der vorgefundene rote Ziegel. Innenräume, Fassade sowie das Cover dieses Buchs prägt er mit seinen Maßen 250x120x63.
In „Casa Rossa Chemnitz“ lassen Annette Fest und Christian Bodensteiner, Inhaber des Münchener Architekturbüros bodensteiner fest, an ihrer Reise, den Tücken und letztendlich dem Erfolg des Gründerzeithauses teilhaben. Getrieben vom Wunsch, mit Rückbesinnung und Neugier nach eigenen Maßstäben für sich selbst zu bauen, ist Casa Rossa „die Erfüllung eines dringenden Anliegens“, wie eindrücklich im persönlichen Vorwort deutlich wird. Berichtet wird vom Ersteigern des Hauses über die Findung der grundlegenden Werte bis hin zum Umgang mit offenen Fragen: Ist das, was man sich vorstellt, überhaupt umsetzbar?
Die begleitenden Bildstrecken und Pläne geben anschauliche Einblicke in die Ausgangslage, den Bauprozess und das Endergebnis. Sie vermitteln Transparenz und schaffen eine angenehme Balance zum textlichen Anteil. Die Qualitäten von Casa Rossa sind anschaulich offengelegt.
Vom Großen ins Kleine zeigt die Arbeit, wie mit vorgefundener Bausubstanz als Inspirationsquelle und Ressource umgegangen wird. Das alles passiert im Spannungsfeld der Baukultur: der Korrelation von Wertschätzung des Vorhandenen sowie Planung und Umbauplanung. Wie bei vielen anderen Projekten waren diese kombiniert mit der exponentielle Steigerung der Komplexität im Bauwesen mit ständig neuen Vorschriften in Brandschutz, Schallschutz, Wärmeschutz und Barrierefreiheit. Die in diesem Konstrukt getroffenen Entscheidungen erläutert bodensteiner fest nachvollziehbar.
Der Stand der Technik mit einer monolithischen Ziegelwandkonstruktion unterstützte die Ambition, sortenrein weiterzubauen und ein Flickwerk zu vermeiden. Nach dem Motto „mehr planen, weniger und effizienter bauen“ wurde die Bausubstanz detailliert inspiziert. Daraus folgende Entscheidungen wurden nach gestalte-rischen Gesichtspunkten, Kosten vermeidend und pragmatisch im Sinne des „Weiterbauens“ getroffen. Auf nahbare Weise umfassend dokumentiert, werden mit diesem veröffentlichten Bauprozess transferierbare Methoden an die Hand gegeben.
Das fertige Gebäude verinnerlicht die spürbare Materialität des Ziegels und heißt die Entwicklung von Patina willkommen. Als ein „Beitrag nachhaltiger Baukultur“ zeigt das Nachschlagewerk „Casa Rossa Chemnitz“ beispielhaft, wie ein sorgfältiger Umgang für dieses Palimpsest gefunden wurde.







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