Bauwelt

Tante Emmas schlafende Hunde

Josepha Landes mag saure Tierchen, gern auch mal sonntags

Text: Landes, Josepha, Berlin

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Josepha Landes mag saure Tierchen, gern auch mal sonntags.


Tante Emmas schlafende Hunde

Josepha Landes mag saure Tierchen, gern auch mal sonntags

Text: Landes, Josepha, Berlin

Im Sommer kochte in Berlin der wochenendliche Asphalt. Nein, nicht der Hitze wegen: Die Spä­tis sollen von nun an sonntags geschlossen bleiben. Spätverkäufe gehören zur Berliner Kiez-Kultur, wie Kapern in Königsberger Klopse. Geht ohne, fehlt aber was. Fehlen wird nicht nur den Nachtschwärmern fortan das Wegbier vom Samstagabend hinein in den Sonntagmorgen oder den Kindern der Kaugummi zur Überbrückung des Gottesdiensts. Es wird vor allem den Ladenbesitzern am Klingeln in der Kasse fehlen, denn Sonntage sind Goldesel für die Spätis.
Fakt ist: In rechtlicher Hinsicht ist der Aufschrei fehl am Platz. Die Sonntags-Öffnung der Läden bewegte sich bislang in einer Grauzone à la „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.“ Das Verbot nun, ausgesprochen vom Berliner Verwaltungsgericht im Juli, folgte auf die Klage einer Späti-Betreiberin. Sie war vom zuständigen Bezirksamt zu einer Strafzahlung verdonnert worden, nachdem sie an einem Sonntag „allgemeine und unspezifische“ Waren angeboten hatte – entsprechend dem geltenden Ladenöffnungsgesetz eine berechtigte Forderung. Dem Gericht waren die Hände gebunden.
Die Dame hat schlafende Hunde geweckt, es sich mit ihren Kollegen vermutlich gründlich verscherzt und eine Diskussion losgetreten, die geflissentlich am Thema vorbeiläuft. Es geht nicht darum, dass die Rechtsprechung den Wert der Spätis für die Stadtgesellschaft übersieht. Die Gesetzgebung ist fragwürdig, und das Abgeordnetenhaus scheint keinen Grund zu sehen, sie zu ändern. Welche Interessen stecken dahinter? Wohin soll das Geld lieber fließen – zu Ede­ka, Netto und co? In die Kassen der Stadt, die Bußgelder kassiert?
Die Spätis brauchen Anerkennung als das, was sie sind. Sie lassen sich eben nicht einordnen in das bestehende System der Verkaufsstellen, das kein Spektrum, sondern nur klar definierte Kanten kennt. Tankstellen stehen in diesem System an der prominentesten Stelle. Sie dürfen rund um die Uhr alles verkaufen und ausschenken, was das Herz begehrt. Ist das noch zeitgemäß? Warum räumt Berlin den Spätis als wichtigen Vertretern seiner Kiez-Kultur keine Sondergenehmigung ein? Das funktioniert andernorts, etwa bei den Trinkhallen in NRW. Das Zauberwort heißt Mischbetrieb.

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