Bauwelt

Nein, danke.

Nachdem sich der Studiengang Architektur in den 2010er-Jahren der geringsten Beliebtheit seit Anfang der 90er erfreute, steigt sie seitdem wieder stetig. Im Wintersemester 2023/24 gab es knapp 42.000 Architekturstudierende in Deutschland, der Studiengang liegt in den Top 20. Aber wie zufrieden ist die junge Generation dann am Arbeitsplatz?

Text: Rost, Sandra, Nürnberg

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„Zwischen kreativer Erwartungshaltung und Realitätsklatsche“ befragte das Nachwuchsnetzwerk nexture+ 815 Teilnehmende aus Architektur, Innenarchitektur, Stadtplanung und Landschaftsarchitektur.
Abbildung: nexture+

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„Zwischen kreativer Erwartungshaltung und Realitätsklatsche“ befragte das Nachwuchsnetzwerk nexture+ 815 Teilnehmende aus Architektur, Innenarchitektur, Stadtplanung und Landschaftsarchitektur.

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Nein, danke.

Nachdem sich der Studiengang Architektur in den 2010er-Jahren der geringsten Beliebtheit seit Anfang der 90er erfreute, steigt sie seitdem wieder stetig. Im Wintersemester 2023/24 gab es knapp 42.000 Architekturstudierende in Deutschland, der Studiengang liegt in den Top 20. Aber wie zufrieden ist die junge Generation dann am Arbeitsplatz?

Text: Rost, Sandra, Nürnberg

Unter dem Nachwuchs in der Planungsbranche zeichnet sich ein deutliches Bild ab: Viele möchten gen Abschluss nicht mehr in der Profession arbeiten. Laut einer Umfrage des Architektur-Nachwuchsnetzwerks nexture+ zog 2023/24 eine große Mehrheit der 815 Befragten aus den Disziplinen Architektur, Landschaftsarchitektur, Innenarchitektur und Stadtplanung, nämlich 76 Prozent, einen Jobwechsel in Erwägung. 43 Prozent würden die Profession gar verlassen. Die Zahlen spiegeln wider, dass berufliche Erwartungen häufig nicht mehr zur Realität passen.
Zur Einordnung hilft es, einige Überzeugungen und Werte aktueller Berufseinsteigerinnen und -einsteiger zu kennen. Die meisten gehören der Generation Z an, geboren zwischen 1995 und 2010, aufgewachsen im vereinten Deutschland zwischen Globalisierung und Digitalisierung. Laut Shell-Jugendstudie 2024 handeln sie wertebasiert und wollen die Gesellschaft mitgestalten, was sich in aktivistischen Bewegungen oder im politischen Interesse jeder zweiten Person zeigt. Zudem steigen im Vergleich zu den Vorgängergenerationen die Ansprüche an Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. 93 Prozent wünschen sich einen sicheren Arbeitsplatz, 91 Prozent möchten etwas „Sinnvolles“ leisten und 85 Prozent wünschen sich neben dem Job genügend Freizeit. Das ist nicht verwunderlich, denn sobald das verdiente Geld das restliche Leben nur noch hoffentlich finanziert, rücken andere Bedürfnisse wie gut gepflegte Beziehungen aller Art, Reisen, Erholung, Weiterbildung und Flexibilität in den Fokus. Diese Neujustierung wird der Gen Z gerne als Arbeitsfaulheit ausgelegt. Wie eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom Februar 2025 zeigt, arbeiten aber unter den 20- bis 24-jährigen 76 Prozent; so viele wie seit dreißig Jahren nicht. Das liegt allein schon daran, dass Studierende häufiger in Teilzeit nebenher arbeiten müssen, um über die Runden zu kommen. „Faulheit“ können sich viele schlicht nicht leisten – gleichzeitiges Vollzeitstudium und Berufstätigkeit verschieben Ressourcen und Kapazitäten. In der Architektur verstärken laut nexture+ auch etwa Konkurrenzkampf, Hierarchien und Realitätsferne zwischen Studium und Beruf die Belastung massiv. Unter anderem hatten 80 Prozent der Befragten nicht ausreichend Freizeit und 45 Prozent litten unter finanziellen Pro-blemen.
Angehende Architektinnen und Architekten schließen das Studium damit nicht nur erschöpft ab, sondern oft auch unzufrieden. Viele Architekturfakultäten kommen den Forderungen, Inhalte interdisziplinär, zukunftsgewandt und intersektional zu gestalten, nicht nach. Sie wurden bereits vielfach durchdacht, diskutiert und dokumentiert und doch hat sich wenig verändert. Schließlich bleibt es vielerorts an Studierenden hängen, essenzielle und zeitgemäße Inhalte abseits des klassischen Werdegangs zu implementieren. Diese Bemühungen sind anspruchsvoll und werden selten anerkannt. Das bestätigt sich im Nachwuchsreport: Nur 26 Prozent fühlen sich vom akademischen Personal gut unterstützt und wertgeschätzt. Lediglich 58 Prozent würden wieder Architektur studieren – ein vergleichsweise niedriger Wert: 78 Prozent würden Landschaftsarchitektur, 73 Prozent Stadtplanung und 70 Prozent Innenarchitektur wieder studieren.
Wer in einen Planungsberuf einsteigt, erlebt oft schon in der Bewerbungsphase eine Kluft zwischen Erwartung und Realität. Im Berufseinstieg zählen laut Report vor allem ein kollegiales Umfeld, Werteidentifikation, Entwicklungsmöglichkeiten, flexible Arbeitszeiten, flache Hierarchien und faire Bezahlung zu den wichtigsten Kriterien. Arbeitgeber bieten am häufigsten Benefits wie kostenloses Obst, Teamevents, Homeoffice oder Exkursionen. Während der Nachwuchs also strukturelle Bedingungen priorisiert, liegt der Fokus vieler Büros auf weichen Zusatzangeboten – ein Missverhältnis, das früh für Ernüchterung sorgt.

Überstunden? Abgegolten!

Der Arbeitsalltag in Architekturbüros weicht in vielerlei Hinsicht von den Erwartungen an einen fairen Arbeitgeber ab. Laut Nachwuchsreport berichten knapp 80 Prozent der Befragten von unbezahlten Überstunden, 33 Prozent sind von rechtlich fragwürdigen Vertragsformulierungen betroffen, 63 Prozent sehen für sich keine realistischen Aufstiegschancen. Hinzu kommt die auferlegte Verantwortung, die 47 Prozent zumindest zeitweise überfordert. Über die Hälfte der Teilnehmenden ist mit ihrer Bezahlung unzufrieden. Auch das Ungleichgewicht zwischen 60 Prozent Frauenanteil im Architekturstudium und 30 Prozent in der Praxis spricht nicht für eine ausgewogene Arbeitsrealität, geschweige denn gute Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf. Die Unterrepräsentanz der Frauen in der Architektur ist keine Frage ihrer Kompetenz, sondern mindestens der Ignoranz, maximal des bewussten Ausschlusses. Ein Zustand, der sich trotz Besserung noch maßgeblich von den Vorstellungen vieler Studierender unterscheidet.
Neben prekären Arbeitsbedingungen steht zudem die generelle Infragestellung der Praxis im Vordergrund. Wie eine dunkle Wolke schwebt sie über wohl jeder Entscheidung, besonders aber im CO2-schädlichsten Gewerbe der Welt: die Klimakrise. Sie trifft die junge Generation am stärksten, sorgt für Ängste und stellt in Planung und Bau unweigerlich die Frage nach Verantwortung und Umgang – ist es noch vertretbar, zu bauen?
Wenngleich sich schrittweise Veränderung anbahnt, ist die Entfremdung junger Menschen zum Beruf des Architekten oder der Architektin schließlich eine Konsequenz der häufigen Ignoranz ihrer Sorgen und Wünsche. Dabei ist die Generation gewillt, sich für Veränderung zu engagieren. Dieses Momentum sollten Entscheidungsträger nutzen, um nun an langfristiger Verbesserung zu arbeiten und Forderungen von Studierenden und Absolvierenden ernst zu nehmen. Das bedeutet beispielsweise: faire Gehälter zahlen und Sorgearbeit ernstnehmen, ökologisches Bauen und Egos hintenanstellen. Kollektive Strukturen anstelle von namentlichem Einzelruhm sind schließlich schon vielfach ein generationenübergreifender Gewinn im Arbeitsalltag.

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